Neid – der Treibstoff für Veränderung?

Dass ich kein Freund von Emotionen wie Trauer oder Wut bin ist allgemein bekannt. Es gibt da aber noch eine Emotion, die ich noch viel mehr hasse und die mir noch um einiges peinlicher ist. Ja richtig, es ist Neid! Woher weißt du das bloß? 😉

Wenn ich traurig bin, bekomme ich Mitleid. Wenn ich wütend bin, bekomme ich Zuspruch (meistens jedenfalls). Wenn ich neidisch bin, werde ich als habgierig und ungerecht abgestempelt. Daher verstecke ich meine Eifersucht beziehungsweise verdränge sie.

Hier kommen wieder meine destruktiven Verhaltensweisen wie Binge Eating und Co. ins Spiel. So verschwindet zwar mein Neid, aber diese wandelt sich in Traurigkeit, weil ich, so gestört wie ich bin, nie so erfolgreich sein werde wie das „Neidobjekt“.

Doch auf wen bin ich denn nun neidisch? Ich kann mich doch glücklich schätzen, lebe in einem sicheren Land, unter einem Dach mit vollem Kühlschrank. Damit bin ich besser dran als die halbe Menschheit.

Das weiß ich! Und ich bin auch dankbar dafür. Aber um das geht es mir gar nicht. Neid entsteht, meiner Meinung nach, wenn jemand etwas hat, was man selber gerne haben möchte. Und da der Mensch von Natur aus immer nach mehr strebt, grüßt mich täglich Fräulein Neid.

Besonders das Internet zeigt mir jeden Tag auf, woran es bei mir noch mangelt. Auf YouTube, Instagram und Co. werden Menschen in meinem Alter präsentiert, die so viel Erfolg und Anerkennung bekommen wie manch andrer sein ganzes Leben nicht. Bevor jetzt wieder alle schreien „Das ist doch alles fake!“, muss ich schnell noch eine Erklärung hinten dranhängen.

Klar präsentieren „Personen des öffentlichen Lebens“ nur Sonnenseiten ihres Lebens. Die Schatten werden weggelassen. Verständlich, finde ich. Trotzdem bewundere ich nicht das „perfekte“ Leben dieser Menschen, sondern das was sie machen.

Dieser Blog stellt für mich nur den Start für das da, was ich erreichen möchte. Ich sehe es als Lebensaufgabe meine Geschichte zu erzählen, aufzuklären und das auf möglichst unterhaltsame Weise, um möglichst viele Leute zu erreichen.

Das Problem? Ich habe Angst. Und diese Angst haben Menschen im Netz schon überwunden und dafür beneide ich sie. Ich habe so viele Bedenken: Wie würde es sich auswirken würde ich mein Gesicht zeigen, mein unperfektes Ich? Wie würden meine Familie und Bekannte reagieren wüssten sie was ich mache? And the list goes on and on.

Ich weiß, dass ich momentan „nur“ über diesen Blog meine Geschichte teile, aber ich grüble schon seit über einem halben Jahr darüber nach mit YouTube anzufangen. Mit Videos kann ich viel mehr Leute erreichen, was gleichzeitig auch die Gefahr ist. Das Blogger-Leben scheint mir noch ein relativ sicherer Hafen zu sein im Vergleich zur YouTube-Wildnis. Dort liefere ich mich den Hatern und Kritikern aus und kann mich dann nicht mehr hinter einem Pseudonym verstecken.

Allerdings motiviert mich dieser Neid auch. Denn was die können, kann ich schon lange! Ich habe mit lebensbedrohlichem Untergewicht mein Abi mit Auszeichnung bestanden. Ich habe mir mehrfach schon selbst das Leben gerettet. Ein Video von sich ins Internet zu stellen wirkt dagegen schon fast lächerlich…oder?

10 Gedanken zu “Neid – der Treibstoff für Veränderung?

  1. Ein sehr nachdenklich machendes und spannende Artikel, danke dafür! Das neidisch Werden und die unangenehmen Gefühle im Anschluss daran (bei mir meist Scham) kenne ich auch gut. Tatsächlich geht es dann, wie du geschrieben hast, darum, dass bestimmte Menschen etwas haben, was ich auch gern hätte: die ehemaligen Mitschüler, die gesund und nicht längerfristig krank sind, die Mitbewerberin, die den Volontariatsplatz bekommen hat, auf den ich so hingefiebert hatte, die Freundin, die so selbstbewusst auftreten kann … Ich empfinde Neid definitiv als sehr unangenehmes Gefühl und wäre gerne ohne ihn, obwohl er ja doch irgendwie zum Leben dazugehört und vielleicht einen auch manchmal dazu anspornt, manche Dinge/Ziele in Angriff zu nehmen.

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  2. Alice

    Liebe Julia,
    das ist ein sehr ehrlicher Artikel. Ich glaube Neid kennt jeder, es spricht nur nicht jeder drüber. Dieses Gefühl gehört nicht ohne Grund zu den Todsünden. Ich finde Neid ist wichtig. Er weist auf einen eigenen Mangel hin. Ein Mangel an Zuspruch, ein Mangel an Achtung. Man bekommt von etwas zu wenig. Das Problem ist leider, dass man den Neid nur selbst stillen kann. Egal wie oft man bewundert wird, wenn man sich nicht selbst bewundert, wird der Neid nie blasser. Auch frage ich mich, wofür die Youtuber bewundert werden? Für eine Diät? Für Sport? Für karriere? Ganz ehrlich das sind leider oft Dinge, die eigentlich normal sind. Ein gesunder Mensch, ohne Kopfmacke oder krankheit geht nun mal arbeiten. Oder mal in den Park. Muss er Lob bekommen, weil das Selfie im Park so fesch ist? Ich finde es eher bedenklich. Wir loben Menschen für nichts. WOW was ein toller Schauspieler. Was ist mit dem Menschen, der ein Mittel gegen Krebs findet, oder der einen kranken Hund gesund pflegt? Wie arm ist ein Mensch innerlich, wenn er sich Zuspruch im Internet sucht. Okay das ist hart formuliert. Ich suche ja auch Zuspruch. Also anders. Wenn ich einem Hund das Leben rette, so ist doch sein Überleben doch Freude genug, warum muss ich das noch Posten. Will ich Lob? Sicher. Reicht das Lob der realen Freunde nicht? Reicht es nicht mehr, dass ich mich selbst lobe, oder habe ich das vielleicht verlernt? Die Sache an sich sollte doch reichen, damit man sich gut fühlt. Wie komisch ist unsere Gesellschaft geworden, wo man verlernt hat sich selbst zu loben? Jeder sucht Lob im Internet. Und darum der Neid. Glaube mir, man kann das tollste Foto machen, keiner sieht darauf, dass der Mensch darauf eignetlich von Zweifeln zerfressen ist.
    Das Internet ist ein Medium ohne Anstand. Gerade bei YouTube. Blogge dort besser nicht. Denn die Hater werden dich finden. Denn gerade psychische Krankheiten werden nicht verstanden. Sie haben immer noch den Ruf aus einer falschen Einstellung zu entwachsen. Du müsstest dich schon als Opfer präsentieren, um Zuspruch zu bekommen. Möchtest du das? Mein Bloggerdasein ist für mich eine digitale Selbsthilfegruppe. Da Respekt und Tipps gegeben werden.
    Youtube könnte funktionieren, wenn du aufklären willst. Ein Shitstorm kann leider nie ausbleiben.

    Zurück zum Neid. Ich finde Neid gesund. Denn er zeigt dir, dass du etwas brauchst. Liebe Zuspruch oder ein gutes Essen. Darum ist es manchmal gut sich zu fragen, ob man irgendwo unterversorgt ist. Und jeder ist neidisch. Wirklich jeder.
    Mach dich deswegen nicht fertig.
    Herzlichst Alice

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    1. Liebe Alice!

      Vielen Dank für deine Gedanken und lieben Worte! 💜 Was du sagst bringt mich auf jeden Fall zum Nachdenken. Reicht mir mein Leben nicht, wenn ich keinen Zuspruch von außen bekomme? Bin ich mir nur selber etwas wert, wenn ich von anderen gelobt werde? Das denke ich, ist ein zentrales Thema von mir.

      Ich wünsche dir einen schönen Samstag und danke dir von Herzen! Julia

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      1. Alice

        Danke liebe Julia. Ich war mir nicht so sicher. Ich selbst kenne den Facebook Neid. Ich bin on. Sehe bekannte und denke mir die haben ein Leben. Ich bin ja armselig.seitdem ich in der Innenstadt wohne und Menschen beobachte, merke ich eins. Alle machen genauso langweilige Dinge wie ich. Das beruhigt mich sehr. Ich finde es richtig Lob einzufordern. Bei Freunden, Familie. Das macht schon das kleinste Kind. Guck mal Mama. Habe ich gemalt. Wir brauchen das außen zum reflektieren. Ich muss sagen man lebt ruhiger wenn einem egal wird ob man wohl ein glänzendes Leben führt. Normaler Alltag ist viel mehr wert. Aach ja. Ich kenne da ein tolles Buch. Das große Buch der Gefühle. Vom Ehepaar baer. Das hat mir sehr geholfen

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      2. Liebe Alice! Ich habe die Erfahrung auch schon gemacht, dass viele Menschen (inklusive mir) denken, dass sie „abnormale“ Gefühle oder Gedanken haben. Dabei ist das gar nicht so. Die meisten Menschen sprechen einfach nicht darüber und erst, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt, wird einem klar, dass eigentlich alles ok ist und zB Neid auch seine Berechtigung im Leben hat. Den Buchtipp hab ich mir notiert! 😉 Herzlichst, Julia

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  3. Pingback: Neid und Ich – Lebenswelt

  4. Pingback: Wenn ich mir wünsche, dass andere nicht glücklich sind – Lebenswelt

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