Erlaubnis zum Lügen…oder?

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!“ oder „Lügen haben kurze Beine!“ Aus diesen beiden Sprichwörtern lässt sich schon erkennen, dass Lügen eine eindeutig negative Bedeutung haben. Wer lügt, versucht seine Mitmenschen zu täuschen und handelt moralisch verwerflich, nämlich gegen die gesellschaftliche Regel ehrlich zu sein.

Ok, aber was ist jetzt, wenn ich lüge, um einen Menschen nicht zu verletzen? Oder wenn ich flunkere, um mich selbst zu schützen? Kann eine Lüge nicht auch positive Konsequenzen haben oder zumindest als neutral betrachtet werden? Kommt es nicht viel eher auf die Absichten und den Kontext an?

Genau mit dieser Frage beschäftigt sich das Buch „Die Kunst des Lügens“ von Simone Dietz. Die Philosophieprofessorin rollt darin das Lügen von allen Seiten auf, geschichtlich sowie moralisch. Abgesehen davon, dass ich mich beim Lesen in einem mucksmäuschenstillen Raum begeben muss, um nicht jeden Satz drei Mal lesen zu müssen, hat das doch sehr komplex geschriebene Buch, interessante Ansätze.

Ich bin noch nicht fertig mit Lesen (und das wird auch noch eine Weile dauern, weil ich bei Sätzen, die über drei Zeilen gehen, hin und wieder den Anfang bereits wieder vergessen habe 😉 ), dennoch möchte ich mit euch teilen, was bei mir bisher so hängen geblieben ist. Auf die Plätze, fertig, los:

  1. Grundsätzlich gibt es zwei „radikale“ Lager: die einen sehen Lügen als vollkommen verwerflich und behaupten, dass das Verbreiten von Unwahrheiten, egal in welchem Kontext, als Sünde anzusehen ist. Das sind die „Lügen-Gegner“. Die liberalere Position, also die „Lügen-Befürworter“, meinen hingegen, dass Lügen grundsätzlich eine neutrale Handlung sei und erst durch die dahinterstehende Absicht einen negativen oder positiven Beigeschmack erhält.

  1. Die Lügen-Gegner argumentieren gerne mit dem Argument, dass Lügen einen Missbrauch der Sprache darstellt. Soll heißen, unsere Sprache ist zum Ausdruck unserer Gedanken da und wer lügt, missbraucht diese Funktion der Sprache, da der Lügner ja nicht seine wahren Gedanken preisgibt. Somit verwendet er Sprache „falsch“ und handelt moralisch verwerflich.

  1. Wichtig ist auch, dass es sich beim Lügen um etwas Subjektives handelt und die lügende Person von seiner Warte aus die Unwahrheit sagen muss, um als Lügner zu gelten. Nehmen wir an, dass eine Person felsenfest davon überzeugt ist, dass die Erde eine Scheibe sei. Somit würde sie lügen, wenn sie behaupten würde, die Erde sei eine Kugel, weil sie es selbst ja nicht glaubt. Dass sie aber objektiv gesehen mit ihrer Lüge die Wahrheit sagt, macht sie nicht weniger zum Lügner.

  1. Lügen zu entlarven ist sehr schwierig. Gut, vielleicht nicht immer, aber wenn der Lügner die Regeln des Lügens beachtet, wird es schon schwieriger. Diese Regeln wirken auf den ersten Blick gar nicht so kompliziert, aber das täuscht. Deshalb bezeichnet die Autorin das Lügen auch als eine Art Kunst, die bestimmte Fertigkeiten erfordert. Man muss beim Lügen zum Beispiel nicht nur auf logisches Argumentieren achten, sondern auch darauf, dass die Lüge auch im weiteren Verlauf, sprich z.B. nächste Woche noch Sinn ergibt. Man muss seine Mimik und Gestik kontrollieren und auch den Wissensstand des anderen kennen und so weiter. Da gibt es eine ganze Reihe zu beachten.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Vertrauen und bevor ich es lese, möchte ich hier mal kurz meine Meinung dazu äußern:

Ich stelle mich hier eher auf die Seite der Lügen-Befürworter oder zumindest auf die Seite der liberalen Position. Ob das Anlügen einer nahestehenden Person als Vertrauensbruch gilt oder nicht, kommt für mich sehr stark auf die Situation drauf an.

Ich denke, dass es niemandem schadet ein erhaltenes Geschenk als „Toll!“ zu bezeichnen, obwohl das nicht so ist. Das schützt ja in gewisser Weise die andere Person, weil man sie nicht bloßstellen will. Natürlich kommt das auch sehr stark auf die Auswirkungen der ganzen Sache an. Wenn jemand mir ein Buch schenkt, dass mir nicht gefällt wiegt eine Lüge nicht so schwer, wie wenn ich einen Bungee Jumping Sprung geschenkt bekomme und das „Was für ein tolles Geschenk!“ dann damit einhergeht, dass ich tatsächlich springen muss.

Dass es irgendwo an Vertrauen mangelt, wenn ich einer anderen Person nichts über eine bestimmte Lebensphase erzählen will und deswegen lüge, ist nachvollziehbar. Auf der anderen Seite ist es auch mein gutes Recht nicht darüber zu reden. Und oft kommt eine kleine Flunkerei einfacher über die Lippen, als ein „Ich will nicht darüber reden!“, macht man damit die Neugier des Anderen ja nur größer.

Es gibt natürlich auch Situation, wo es für mich als absoluter Vertrauensbruch gilt zu lügen. Grundsätzlich sind das alle Situation, wo die angelogene Person durch die Lüge Schaden erfährt.


Was sagt ihr zum Thema Lügen? Würdet ihr euch eher als „Lügen-Gegner“  bezeichnen oder als „Lügen-Befürworter“? Haltet ihr Lügen für einen Vertrauensbruch?

Ich freu mich mit euch darüber zu diskutieren. 🙂

6 Gedanken zu “Erlaubnis zum Lügen…oder?

  1. Die Philosophie über das Lügen hin oder her …
    Der Partner, von dem ich mich kürzlich getrennt habe, hat mich sehr oft angelogen. Zu Beginn hatte ich alles geglaubt, dann kam die Enttäuschung, wenn ich „zufällig“ die Wahrheit von anderen hörte. Das Ergebnis war, dass ich zum Schluss jede seiner Aussagen für mich hinterfragte, ob das wohl stimmt ….
    Er selbst fand von diese Lügerei völlig in Ordnung. Er täte es, um andere nicht mit der Wahrheit zu verletzen… Dass damit ein Vertrauensbruch passiert, hat er bis jetzt nicht realisiert.

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    1. Das ist natürlich auf keinen Fall eine schöne Situation und ich würde denke ich an deiner Stelle ähnlich empfinden. Das ist dann eine verdammt schwere Situation, wenn beide eine andere Vorstellung davon haben, was in einer Beziehung in Ordnung ist und was nicht. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass dir sowas nie wieder passiert!
      Alles Liebe, Julia ❤

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  2. LichtAusdruck

    Ich muss nicht lügen, um fen anderen schützen zu wollen. Vielmehr ist es eine Kunst, die Ehrlichkeit (finde ich treffender als Wahrheit) so charmant und liebevoll auszudrücken, dass der andere nun nicht verletzt ist. Und ist er/sie es dennoch, dann ist es SEIN oder IHR Problem. Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage und nicht wie es bei einem anderen ankommt.
    Ich erhalte jedenfalls äußerst selten noch Geschenke, die ich nicht mag! 😉

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    1. Ich stimme dir zu, dass es möglich ist auch in schwierigen Situationen ehrlich zu sein und trotzdem den anderen nicht zu verletzen. Und natürlich wäre es am besten immer ehrlich zu sein, vor allem vom moralischen Standpunkt her. Aber bei mir funktioniert das nicht. Auch wenn es moralisch verwerflich klingt, lüge ich in manchen Situationen, um dem anderen nicht wehzutun. Natürlich kommt das stark auf die Situation an, wann ich es mit mir vereinbaren kann unehrlich zu sein. Ich achte da vermutlich zu stark auf die anderen und die Gefühle des anderen sind mir manchmal wichtiger als mich an das moralische Konstrukt zu halten, das von Menschen geschaffen wurde und besagt, dass wir nicht lügen sollen. Und um das nochmal klarzumachen: das soll kein Freihfahrtschein zum Lügen sein. Es kommt bei mir sehr stark auf die Absicht hinter der Lüge an, ob ich jemanden vorwerfe unmoralisch zu handeln, wenn er mich anlügt. Und ich will vor allem darauf aufmerksam machen das nicht jede Lüge automatisch böse ist.
      Alles Liebe, Julia

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      1. LichtAusdruck

        Ich empfinde das, was Du schreibst, nicht als Widerspruch zu meinem Worten. Die ganze Thematik ist wie immer komplexer als zu sagen Lügen ja oder nein. Studien zufolge lügen Menschen ständig, weil es das menschliche Zusammensein erheblich harmonisiert. Und diese „kleinen Gefälligkeitslügen“ – eher Schmeichlereien – empfinde ich für mich, obwohl ich ein sehr direkter und ehrlicher Mensch bin, als legitim. Lügen als Schutzfunktion ebenfalls, wenn ich weiß die Konfrontation mit der Wahrheit würde den anderen ( zunächst) aus der Bahn werfen. Dennoch basieren meine Beziehungen zu anderen auf dem Grundprinzip der Ehrlichkeit. Leute die ständig lügen, möchte ich einfach nicht um mich haben. Sie tun mir nicht gut. Dir noch einen schönen Sonntag! LG Simone

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      2. Klar, da hast du recht. Wenn man bei einem Gespräch zum Beispiel nicht davon ausgehen kann, dass der andere grundsätzlich ehrlich ist, hätte es ja nur wenig Sinn sich zu unterhalten bzw würde man sich die ganze Zeit fragen, ob es stimmt, was der andere sagt oder nicht. Das gleiche gilt für Beziehungen.
        Ich wünsche dir auch noch einen schönen Sonntag, Simone! Liebe grüße, Julia

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