Meine Erfahrung mit Antidepressiva

Die Beziehung zwischen Antidepressiva und mir könnte man als schwierig mit hoher Abhängigkeit meinerseits beschreiben. Damit meine ich nicht abhängig im Sinne einer Sucht (dafür reicht mir schon meine Essstörung), sondern dass ich in manchen meiner Lebensphasen auf Medikamente angewiesen war, um überhaupt irgendwas auf die Reihe zu kriegen.

Aber fangen wir am Anfang an: Mit 11 das erste Mal wegen Magersucht in der Psychiatrie, habe ich auch in diesem Alter das erste Mal Erfahrungen mit Antidepressiva gemacht. Da mich diese Klinik, wie schon mal berichtet, als kleines dummes Kind, dass nicht essen wollte abgestempelt hat, wurden mir die Tabletten ebenso ohne Erklärung vorgesetzt. In meinem Zustand hätte ich angeblich sowieso nicht verstanden, warum ich sie nehmen sollte. Bis heute bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob das in dem Moment richtig war, mir Zyprexa und Tresleen zu verordnen. Denn rückblickend betrachtet, war ich bloß in einer leichten depressiven Stimmung gefangen, weil ich einfach nur nach Hause wollte.

Und da kommt auch schon meine grundsätzliche Einstellung zu medikamentöser Behandlung psychischer Störungen durch. Ich bin da eher auf der Seite der Gegner. Damit meine ich, dass für mich zuerst andere Wege eingeschlagen werden sollten, bevor man Medikamente verschreibt. Ich glaube diese Einstellung kommt daher, dass ich bei meinen Psychiatrieaufenthalten immer erlebt habe, dass Patienten oft grundsätzlich was verschrieben wird, unabhängig von der Störung und häufog hat es für mich so gewirkt als würden die überforderten Ärzte ihre Patienten einfach ruhigstellen wollen.

Mittlerweile bin ich aber auch durch mein Studium durchaus davon überzeugt, dass bei manchen psychischen Erkrankungen Medikamente unumgänglich sind. Da psychische Störungen ja eigentlich durch ein biologisches Ungleichgewicht im Gehirn entstehen, macht es für mich auch Sinn, dieses mit Tabletten auszugleichen. Außerdem ist zum Beispiel eine Person mit schwerer Depression gar nicht im Stande eine Psychotherapie zu machen. Um den Patienten sozusagen mal „startklar“ zu machen, ist es oft notwendig Antidepressiva zu verabreichen, um die Motivation für eine Psychotherapie aufzubauen.

Ich selbst hab mich während meines zweiten Klinikaufenthalts gewehrt Medikamente zu nehmen. Man muss dazu sagen, dass diese psychosomatische Klinik das auch problemlos akzeptiert hat. Diese Ablehnung der Antidepressiva kam daher, dass ich Angst hatte, das Schlucken einer solchen Tablette könnte mich manipulieren. Und da Essgestörte panische Angst vor Kontrollverlust haben, kam mir keine solche über die Lippen.

Erst ein Jahr später, als ich bereits mit Binge Eating zu kämpfen hatte, wurde meine Depression so stark, dass ich begonnen habe Fluoxetin einzunehmen. Das hat mir wirklich sehr geholfen und ich nehme es bis heute.

Jetzt habe ich Angst es abzusetzen, was vermutlich bald passieren wird. Es ist irgendwie seltsam: Früher hatte ich Angst Tabletten einzunehmen und heute habe ich Angst davor dies nicht mehr zu tun. Da versteh einer das menschliche Gehirn…


Habt ihr schon einmal eine medikamentöse Behandlung wegen einer psychischen Erkrankung gemacht? Und wenn ja, wie waren eure Erfahrungen? Lasst uns doch gerne ein bisschen darüber diskutieren. 🙂

26 Gedanken zu “Meine Erfahrung mit Antidepressiva

  1. Ich gehöre zu der Gruppe, bei der die Psycho-Pillen es möglich gemacht haben, dass ich wieder gerade aus schauen kann und eine Therapie dadurch erst möglich wurde. Und ich bin sehr dankbar, dass es diese Medikamente gibt, denn sonst wäre ich wahrscheinlich nicht mehr da.

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  2. Hey, danke für das Berichten über deine Erfahrungen 🙂 Ich finde es immer spannend zu lesen, wie andere das Medikamententhema erleben.

    Mal eine Frage von mir aus Neugier; ich kenne mich bei Essstörungen null aus – können Medikamente da helfen oder kommen sie nur zum Einsatz, wenn parallel dazu eine ausgeprägtere Depression oder eine andere psychische Erkrankung besteht?
    Ich sehe es ähnlich wie du in dem Punkt, dass Antidepressiva nur nach genug Reflexion seitens Patient und Arzt verschrieben werden sollten und nicht aus einem automatischen Reflex heraus. Es sind keine Bonbons, sondern Medikamente, die starke Nebenwirkungen haben können (nicht müssen). Meiner Erfahrung nach weisen einige Psychiater-/innen, gerade ältere, viel zu wenig auf die Wichtigkeit von paralleler Psychotherapie hin. So lernt man als Erkrankte(r) dann leider mitunter nicht, auf sich und sein Verhalten zu schauen, Gewohnheiten und Lebensstrukturen zu hinterfragen, zu schauen, was tut mir gut und was nicht, was hilft mir langfristig gesund und/oder stabiler zu bleiben, sondern verlässt sich allein auf das Medikament.
    Davon abgesehen bin ich aber dankbar, dass es Antidepressiva gibt!
    Ich hatte bisher mehrere schwere depressive Episoden und habe jedes Mal Linderung durch die Medikamenteneinnahme erfahren. Das jeweilige Antidepressivum hat die Schwärze der Depression soweit gemindert, dass ich mich überhaupt erst wieder auf therapeutische Konzepte einlassen konnte und irgendwann wieder fähig war, in meinen normalen Alltag zurückzukehren. Ähnlich ging/geht es mir in Bezug auf die Zwangserkrankung. Trotzdem hoffe ich, die medikamentöse Unterstützung nicht für immer zu benötigen. Sollte es dann doch so sein – okay, es gibt Schlimmeres. Wegen meiner chronischen Schilddrüsenerkrankung muss ich schließlich auch lebenslang ein Medikament nehmen.

    Liebe Grüße
    Nelia

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      1. Hallo,
        ich habe eine Zwangsstörung/Zwangserkrankung. Ich weiß nicht, ob dir der Begriff schon etwas sagt? Das Thema ist Recht komplex und ich möchte Julias Blog nicht damit zuschreiben 😚Auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen findet sich ansonsten eine gute Erklärung und auf meinem Blog schreibe ich auch u.a. darüber.
        Viele Grüße
        Nelia 🙃

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    1. Liebe Nelia!

      Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! ❤

      Bei reinen Essstörungen ist das mit Medikamenten schwierig. Vor allem bei Magersucht gibt es, so viel ich weiß, kein wirklich wirksames Medikament. Wenn dann werden Medikamente zur Behandlung von Bulimie oder Binge Eating eingesetzt, weil da die Wirkung deutlich besser ist. Ich glaub da ist Fluoxetin eh das am häufigsten eingesetzte. Das soll dann vor allem gegen den Essensdrang helfen. Ansonsten werden Antidepressiva eingesetzt, weil eine Essstörung sehr häufig mit Depression einhergeht.

      Ich finde auch, dass das Problem einer zu raschen Medikamentengabe nicht allein beim Arzt liegt. Ich habe schon aus Psychiatrien gehört, dass manche Patienten gar keine Psychotherapie wollen, sondern nur die Medikamente verlangen und dann in Ruhe gelassen werden wollen. Oder diesen "Quick-fix", den sich manche von einer Einnahme erhoffen…

      Ich wünsche dir alles Gute,
      Julia ❤

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  3. Ich bin da auch eher auf der Seite der Gegner….
    Grundsätzlich beruht die Wirkung von Antidepressiva überwiegend auf dem Placeboeffekt.
    Und es gibt andere Psychopharmaka, die wirklich greifen, aber auch zur Abhängigkeit führen können, was aber nicht grundsätzlich schlecht ist, wenn man eine `eingestellte´ Dosis einhält.
    Außerdem gibt es bestimmte Medikamente (wie zB Pregabalin u.a.), die auch als Psychopharmaka zugelassen sind. Dann haben die Medikamente noch Neben- bzw. Wechselwirkungen, wenn man mehr Mittel verschrieben bekommt. Alles das muss der Arzt wissen, bevor er Medikamente testet.
    Dass man die früher Antidepressiva verschrieben hat, ist ja wohl vollkommen daneben. Aber die Pharmalobbyisten verdienen sich alle ne goldene Nase (krumme Geschäfte eingeschlossen).
    Wenn dir das Fluoxetin jetzt aber gut tut, musst du es ja nicht absetzen. Oder du testest das mal in Absprache mit deinem Arzt mal aus, um `auf der sicheren Seite´ zu sein.
    Interessantes Thema, was du ansprichst. Aber die meisten wollen darüber wohl nicht so gerne reden.
    Jetzt wünsch ich uns erst mal wieder Sonne!!!
    Jürgen aus loy (PJP)

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    1. Vielen Dank lieber Jürgen für dein Kommentar!

      Ich sehe das wie du, dass der wirtschaftliche Aspekt da oft so weit führt, dass man anscheinend jedem, der in eine Psychiatrie kommt, mal grundsätzlich irgendwas verschreibt. Zumindest meinen Erfahrungen nach.
      Ja, ich denke auch, dass ich mal mit dem Arzt sprechen werde und wenn ich selber noch denke, dass ich es brauche, weiter Fluoxetin einnehmen werde.

      Sonnige Grüße 😉
      Julia ❤

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      1. Ich habe einen sehr guten Arzt als Berater und wir entscheiden alles zusammen.
        Und Antidepressiva haben bei mir eben NIE angeschlagen, was nun nicht heißen soll, dass es bei dir genau so ist, denn jeder ist hat seine ganz individuelle Chemie…
        Du machst das schon!!
        Schönen `Feierabend´!!
        Jürgen aus Loy (PJP)

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  4. Ich nehme seit April keine Medikamente mehr. Ich habe mich lange dagegen gewehrt, aber letztendlich haben sie es erst möglich gemacht, dass ich genug Energie habe, um meine Probleme zu be- und verarbeiten.
    Ich habe Bluthochdruck und muss dagegen Medikamente nehmen. Da gibt es genau die gleichen Vorurteile. Aber ganz ehrlich, ich nehme lieber eine kleine Tablette als so jung am Herzinfarkt zu sterben. Und ich weiß nicht, ob ich noch hier wäre, wenn ich mich den Antidepressiva nicht geöffnet hätte.

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    1. Ja da stimme ich dir zu. Ich denke, dass keiner gerne Tabletten schluckt, egal ob gegen körperliche oder psychische Probleme. Aber irgendwann muss man sich entscheiden, ob man lieber lebt oder das sich dagegen wehren vermutlich ein tragisches Ende nimmt.
      Alles Liebe, Julia ❤

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  5. Pingback: Studieren mit Depression – Lebenswelt

  6. Pingback: Depression – was mir hilft – Lebenswelt

  7. Bin nochmal hier:
    Warum Fluoxetin absetzen, wenn es dir hilft? Das macht jedenfalls auch heute noch keinen Sinn, solange die Dosierung akzeptabel ist.
    Sorry, aber ich dachte, ich hätte diesen Beitrag noch nicht gelesen. Aber er bleibt nach wie vor aktuell.
    Jürgen aus Loy

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    1. Ich weiß, dass du recht hast. Und ich werde es wohl auch nicht so schnell absetzen.

      Es gibt leider noch immer den Teil in mir, der meint ohne Medikamente wäre es besser. Dass das nicht stimmt muss ich mir selbst immer wieder sagen.

      Alles Liebe
      Julia

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      1. Könntest du mir nur einen Grund nennen, warum du das absetzen solltest, solange es dir gut tut?
        Und dieser `Teil in dir´, der DENKT zu viel, und diese Gedanken benutzen dich, anstatt umgekehrt, um es mal schnell so auszudrücken. Und diese Gedankenketten musst du unterbrechen lernen. Na ja, und dein Hang zum Perfektionismus trifft ja auch wohl zu, was nicht unbedingt schlecht ist. Diesbezüglich hab ich ja auch mal diesen Artikle mit der Übung zu mehr Achtsamkeit, auf das Hier und Jetzt geschrieben. Es hat mir jedenfalls geholfen und vielleicht auch was für andere.
        Bis später mal!
        LG
        Jürgen aus Loy (PJP)

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      2. Dieser „Teil in mir“ denkt klar zu viel. Da geb ich dir vollkommen recht. Trotzdem ist es ein Teil von mir und das heißt ich muss, wie du schon schreibst, diesen verstehen lernen. Und deshalb möchte ich auch diesem Teil Raum geben. Er „benutzt“ mich nicht. Ich verstehe ihn nur (noch) nicht. Und Achtsamkeit ist hier bestimmt ein sehr guter Ansatz. Beobachten nicht sofort bewerten.

        Hab einen schönen Tag!

        Liebe Grüße
        Julia 💜

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  8. Ich habe mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt.
    Auf gut deutsch hat man das auch mal so gesagt:
    `Du machst dir zu viele Gedanken´. Mehr bedeutet das eigentlich nicht.
    Aber trotzdem bleib ich bei meiner `Theorie´ (hart aber fair), kann das aber nicht näher erklären.
    Schließlich ist der (dein) Weg das Ziel und ich wundere mich, was du alles schaffst.
    See you later!
    Jürgen aus Loy

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  9. Vielen Dank für diesen Beitrag und Deine offenen Worte. Ich denke das was Du abschließend schriebst, ist die Gefahr dabei. Antidepressiva gaukeln dem Gehirn etwas vor, dass ohne diese nicht da ist. Deine Angst diese Medikamente abzusetzen ist also berechtigt, da diese Botenstoffe dann wieder wegfallen und das finde ich gefährlich, denn das würde heißen, dass der Rückfall in den ursprünglichen Zustand schon vorprogrammiert ist. Ich stimme Dir zu, dass in manchen Fällen das Verabreichen eben dieser Medikamente unumgänglich ist, aber auch ich finde, dass Diagnosen viel zu schnell gestellt werden und zu wenig nach Alternativen geschaut wird. Nun bin ich allerdings kein Arzt und somit ist das auch nur meine ganz persönliche Meinung. Doch glaube ich, dass eben diese Alternativen so manchen bei weitem mehr helfen würden, als es die Medikamente gut machen. Ich wünsche Dir jedenfalls, dass es Dir trotzdem weiterhin gut gehen wird, wenn Du die Antidepressiva nicht mehr nehmen musst.

    Ganz liebe Grüße Nicole 🙂

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    1. Vielen Dank, Nicole! 🙂 Im Zuge meines Psychologiestudiums habe ich nun auch zunehmend die Möglichkeit die „andere“ Seite zu sehen und mir fällt schon immer wieder auf, dass gerade in der Psyhiatrie das Verabreichen von Mediakamenten zur Routine gehört – bei allen Erkrankungen. Dabei gibt es meines Wissens keine aussagekärftigen Studien, dass Antidepressiva wirken.

      Liebe Grüße
      Julia 💜

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  10. Ich kann das mit dem „zu viel denken“ sowas von nachvollziehen. Am liebsten will man natürlich clean von allem leben und unabhängig von Hilfen sein blabla. Aber es gibt eben nur nicht schwarz oder weiß. Man ist ja nicht entweder in einem tiefen tiefen Loch oder gleich, komplett gedetoxt im Himmel 😛 ich wollt mal fragen, hat das Fluoxetin bei dir auch gegen das binge eating/ den Essdruck geholfen? Oder nur gegen die depressive Symptomatik? Liebe Grüße, A.

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