Weihnachten mit Magersucht – Teil 1

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Alle Jahre wieder, kommt nicht nur Weihnachten, sondern auch eine besondere Herausforderung für meine Essstörung. Zumindest war das die letzten vier Jahre so. Ich habe mir gedacht, dass ich euch, passend zur Jahreszeit, einmal erzähle wie sich meine Essstörung auf die letzten Weihnachten ausgewirkt hat. Und zwar in der dreiteiligen Reihe „Weihnachten mit Essstörung“.

Los geht es mit Teil 1:

Weihnachten mit Magersucht

Mittlerweile liegen schon vier Jahre zwischen diesem Weihnachten und dem heutigen Ich. Schon krass, dass es mir bei weitem noch nicht so lange her erscheint. Um euch ein Bild der Ausgangslage zu verschaffen, hier ein paar Sätze zu meiner damaligen Lage:

Dieses Weihnachten fand in meinem Abiturjahr statt und meine Magersucht befand sich am absoluten Höhepunkt. Meine Eltern, die mittlerweile geschieden leben, waren da noch unter einem Dach. Entsprechend angespannt war die Stimmung. Nichts mit einem schönen Familienfest.

Es war tatsächlich so, dass mein Vater sich am Abend des 24. Dezembers in sein Zimmer zurückgezogen hat, während meine Mama, meine Schwester und ich „feierten“. Erst am nächsten Tag haben wir dann Papa die Geschenke gegeben (logischerweise ohne der Anwesenheit meiner Mama).

Dass für mich das Weihnachtsessen eine besondere Herausforderung war, wird euch wohl kaum wundern. Es hatte sich nämlich so eingebürgert, dass ich meine Miniportionen, die ich Abendessen nannte, vor dem Fernseher einnahm und dabei für eine Handvoll Reis ungefähr eineinhalb Stunden brauchte. Das war schon sehr nah am zwanghaften Verhalten, was ich schon mal in diesem Beitrag genauer erklärt habe.

Auf jeden Fall wollte ich besonders meiner Schwester Weihnachten nicht noch kaputter machen als es ohnehin schon war und hab mich überwunden mit den beiden am Tisch vor der Bescherung das Abendessen einzunehmen.

Ich hatte also mein bisschen Reis mit Gemüse vor mir, während meine Mama und meine Schwester wie jedes Jahr Fisch zu essen hatten. Über meinen Schatten, schneller zu essen, konnte ich dann doch nicht springen und so saßen wir drei ungefähr eine gefühlte Ewigkeit am Tisch, bis ich jedes meiner Reiskörner aufgepickt hatte. Das muss ein grausamer Anblick für meine Familie gewesen sein und ich bin ihnen so dankbar, dass sie das ausgehalten haben.

Dann ging´s zur Bescherung. Von der Tradition vor dem Geschenke auspacken, Weihnachtslieder zu singen, hab ich mich dieses Jahr gedrückt. Das war zum einen sehr anstrengend für mich und zum anderen war ich nicht in der Stimmung dazu. Soweit ich mich erinnere, habe ich ein Gedicht vorgelesen.

Bei den Geschenken war meine Familie auch sehr rücksichtsvoll. Kein Schokoweihnachtsmann und keine Plätzchen. Stattdessen alles Dinge, die meine Magersucht in keinster Weise triggern konnten. Das rechne ich ihnen sehr hoch an.

Ich weiß noch, dass ich mich den ganzen Abend davor gedrückt habe fotografiert zu werden. War ich, obwohl so dünn wie ein Strich, immer noch so unzufrieden mit meinem Aussehen. Und nicht mal, dass ich mich zu dick gefunden hätte. Nein, ich wusste einfach nur, dass ich krank war und dass ich auch dementsprechend aussah. Solche Bilder von mir brauchte und wollte ich nicht in meiner Erinnerung.

Die restlichen Feiertage habe ich mich in meinen Schulkram vergraben und fast die gesamte Zeit der Abiturvorbereitung gewidmet. Zum einen war das echt etwas zu früh sich so krass in die Abi-Sachen reinzuknien, zum anderen war das glaube ich, mein erstes Weihnachten, wo ich die Feiertage tatsächlich was für die Schule gemacht habe. Da hab ich mir sogar mal eine Pause gegönnt. Dieses Mal nicht. Alles war in dem Moment besser, als sich auf das traurige Jetzt zu konzentrieren.

Nächste Woche kommt dann Teil 2.

6 Gedanken zu “Weihnachten mit Magersucht – Teil 1

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