Die Angst vor Menschen schlägt zu

Diese Woche hat mein Studium wieder angefangen. Die Semesterferien habe ich zu Hause bei Familie und Hund verbracht – auf dem Land. Jetzt rufen sicher einige: „Oh, wie schön!“ Sich zwischen Wald und Wiesen zu erholen scheint für viele das Nonplusultra zu sein.

Gut, ich gebe zu die Gegend ist schön – schön ruhig und vor allem: menschenleer. Das lässt die Soziale Phobie in mir zunächst einmal jubeln. Nicht vom Gewusel der Stadt umgeben zu sein, ist für mich deutlich stressfreier.

Ich gewöhne mich schnell an dieses Ich-sehe-nur-fünf-Menschen-pro-Tag-Leben und bin zwar etwas einsam, aber meine Familie macht das wieder wett.

Was an diesem Leben in der Einöde jedoch das Problem ist, wurde mir letzte Woche bei der Ankunft am Bahnhof meiner Studienstadt bewusst. Von einem Schlag auf den anderen von 0 auf 1000 Personen um mich herum, hat mein Angstlevel unerwartet stark steigen lassen.

Ich bin ehrlich mit euch: eine solch starke Reaktion auf Menschenmengen hatte ich bisher noch nicht. Es war immer stressig, ja, aber nicht so, dass meine Knie angefangen haben zu schlottern, was bei mir nur in einer sehr stressreichen Situation passiert z.B. vor einem Vortrag.

Ich habe versucht mich mit tiefen Atmen und Achtsamkeit zu beruhigen. Tatsächlich ruhiger wurde ich aber erst als ich das letzte Stück zu meiner Wohnung mit dem Bus zurück legte (da waren es schon deutlich weniger Menschen).

Erschöpft bin ich auf mein Bett gefallen und hab das Ganze noch einmal Revue passieren lassen. Warum hatte ich bloß eine solch starke Angstreaktion? Ich musste doch nicht einmal mit den Menschen interagieren.

Ich kam zu dem Schluss, dass neben Essstörung und Depression im Moment die Angst besondere Aufmerksamkeit braucht. Denn, sollte es so weitergehen, werde ich in meinem Leben massiv eingeschränkt. Ein bisschen Angst ist ok, aber das am Bahnhof hat eine Grenze überschritten.

Das heißt meine Therapeutin kann sich freuen: Endlich mal wieder neuer Stoff zum Behandeln!

► Kennt ihr solche Situationen? Wenn ja, wie geht ihr damit um?  

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22 Gedanken zu “Die Angst vor Menschen schlägt zu

  1. Ich kann deine Situation gut nachvollziehen! Oft fragte ich mich, warum ich solche Angst habe und ob sie unbegründet ist, weil niemand mir was getan hat. Fakt ist jedoch, dass die Angst auch ein Hinweis darauf ist, dass die Situation gerade zu viel für dich ist und vorwarnt. Ich versuche dann zu reflektieren, was genau die Angst auslöst und versuche in ganz kleinen Schritten auf die Angst zuzugehen. Und das auch nur, wenn ich mich bereit fühle!

    Liebe Grüße!

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  2. Josi

    Ich kenne das sehr gut. Ist bei mir tatsächlich auch das stärkste Symptom der sozialen Angst, ich bekomme mit vielen Menschen in der Nähe teilweise richtige Panikattacken, alle Geräusche werden zu laut etc. Hab das jetzt auch am Anfang meiner stationären Therapie stark gemerkt, dass mir die Menschen abends irgendwann richtig zu viel wurden, weil man dort ja den ganzen Tag immer jemanden um sich rum hat, was ich sonst gar nicht gewöhnt bin und man durch die viele Therapie schon vorgestresst ist. Und nachhause nach Berlin zu fahren ist für mich eh immer der Horror, die Stadt macht mich regelrecht krank … aber ich hoffe auch, das besser in den Griff zu bekommen. Würde mich freuen zu lesen, wie du im weiteren Verlauf damit umgehst.

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    1. Liebe Josi,

      ich war in meiner stationären Therapiezeit auch jemand, der am Abend einfach nur die Ruhe seines Zimmers wollte. Wie du schreibst, die ganzen Therapien sind ja schon so anstrengend, mich dann am Abend noch einmal Menschen auszusetzen war mir absolut zu viel.

      Ich wünsche die auf jeden Fall alles Gute und ich werde weiter berichten!

      Herzliche Grüße
      Julia

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    1. Ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass so etwas auch eine gewisse Panik auslösen kann. Wenn man ständig viele Geräusche und Menschen um sich hat und dann plötzlich mit sich und seinen Gedanken alleine ist, kann das Angst machen.

      Liebe Grüße
      Julia

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  3. Liebe Julia,
    ich bin mehr als beeindruckt von deinem Text, weil du dein Angsterleben so treffend beschrieben hast, Ich kann es regelrecht nachempfinden, weil ich diese Situationen kenne, wenn die Beine anfangen zu schlottern.
    Es gibt viele Möglichkeiten, damit besser fertig bzw. es letztlich in den Griff zu kriegen und ich hoffe, dass du einen Weg mit deiner Therapeutin findest.
    LG
    Jürgen aus Loy (PJP)

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  4. Sabrina (überdaslebenundlieben)

    Ehrlich gesagt kenn ich so etwas nicht, aber trotzdem kann ich es mir vorstellen. Ich fühle mich in großen Menschenmassen auch nicht wirklich wohl, aber Angst vor ihnen habe ich nicht. Mir ist nur gerade eingefallen, was meine Therapeutin immer sagt: Wenn man Angst vor dem U-Bahn-Fahren hat, dann muss man U-Bahn-Fahren. Klar, man muss kleine Schritte machen, aber ich denke eine Vermeidung hilft auf keinen Fall, man muss sich mit dem Problem konfrontieren. Deswegen ist es glaube ich auch super, dass du daran arbeiten möchtest. Ich wünsche dir viel Erfolg und Kraft dabei! 🙂 Halt uns auf dem Laufenden. 🙂

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  5. Hey,
    ich hab hier in der Klinik jetzt die Diagnose soziale Phobie bekommen und in Nachhinein ging mir ein Licht auf, denn es erklärt so vieles aus meiner Teenagerzeit bis heute. Seitdem lese ich deine Posts dazu noch mal sehr aufmerksam durch 😉 Auch in diesem hier kann ich mich gut wiederfinden; Massenvorlesungen finde ich z.B. sehr schlauchend.

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    1. Das kenne ich auch (noch)…
      Ich wünsch dir erst mal Erfolg in der Klinik und möchte `noch einmal´ etwas in`s Spiel bringen, was ein Ansatz für die `eigene Bearbeitung´ von Phobien ist. Man nennt das `Paradoxe Intervention´, ein Begriff aus der Psychologie. Das habe ich stückweise in `brenzlichen´ Situationen immer wieder eingesetzt und mit erstaunlichem Erfolg.
      Ist einen Versuch wert, das mal zu reflektieren.
      Weglaufen ist auf jeden Fall falsch!
      Lieben Gruß!
      Jürgen aus Loy 8PJP)

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  6. Liebe Julia,

    als ich Deinen Beitrag gelesen habe, ist mir sofort eine ähnliche Situation eingefallen, die schon einige Zeit zurück liegt. Ähnlich wie bei Dir, war es auch nach einer „Ruhephase“. Als ich dann nach langer Zeit mal wieder in die Stadt ging und die Menschenmengen um mich herum immer unerträglicher wurden, musste ich in eine Seitenstraße abbiegen und dort erst mal längere Zeit verweilen, bis ich überhaupt wieder den Heimweg auf mich nehmen konnte.
    Ich glaube im Nachhinein, es war eine absolute Reizüberflutung und dass meine Seele damals so sehr damit beschäftigt war, aufgrund der Depression und Essstörung, alle möglichen negativen äußeren Reize von mir fernzuhalten, dass die Menschenmassen einfach zu viel waren. So viel kann die Psyche gar nicht abschirmen, wie solche Menschenmassen mit sich bringen.
    Die Zeit danach musste ich in ganz kleinen Schritten vorangehen, um mich wieder daran zu gewöhnen. Von 0 auf 100 (von Landleben auf Bahnhofshallen)… Ich kann verstehen, was das bei Dir ausgelöst haben muss!
    Geholfen hat übrigens auch eine Übung, die ich einmal in einer Therapie gemacht habe und ich kann mir vorstellen, dass Du sie kennst. Dort ging es darum, sich einen sicheren Ort vorzustellen und dann zu üben, dort in schwer erträglichen Situationen hinzukehren. Für mich war es ein Ort über den Wolken, ganz warm und weich, ruhig und hell, voller Sonnenschein, mit Unmengen an frischer Luft zum Atmen (Kurzfassung). In solchen Situationen, wie Du beschrieben hast, ist es mir dann irgendwann gelungen, an diesen Ort zu kehren. Das hat sehr geholfen! Vielleicht wäre das ja auch was für Dich…

    Ich hoffe, es geht Dir inzwischen besser und schicke Dir ganz liebe Grüße!

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    1. Vielen Dank Sophie fürs Teilen deiner Erfahrungen! ❤ Das klingt tatsächlich sehr ähnlich zu dem was ich erlebt habe. Ich kenne die Übung tatsächlich (alter Therapiehase. Haha) und vielen Dank für die Erinnerung daran! Ich werde das auf jeden Fall probieren.

      Alles Liebe
      Julia

      PS.: Mittlerweile hab ich mich zumindest an die Stadt bereits wieder etwas gewöhnt und komm ohne Panik in die Uni und zurück.

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