“I hate you, I love you, I hate, that I DON´T love you”
Dieser abgewandelte Text von Gnash beschreibt sehr gut die momentane Beziehung zu meinem Körper.
Seit meinem 11. Lebensjahr hasse ich meinen Körper, egal ob ich gerade in meiner Essstörung war oder in der Phase „dazwischen“. Er war immer zu dick, zu hässlich, was natürlich nur ich so gesehen habe. Ich verstecke meinen Körper bis heute in langer weiter Kleidung – möglichst dunkel, um nicht aufzufallen.
Seit meiner Geburt ist mein Körper nur selten krank. Ich hatte in einem Schuljahr im Schnitt drei Fehltage. Ich erinnere mich sogar an ein Jahr, wo ich absolut immer in der Schule war. Bis heute bekomme ich einmal im Jahr eine Erkältung. Wann ich das letzte Mal wegen einer körperlichen Erkrankung beim Arzt war weiß ich gar nicht. Das hat bestimmt auch mit meiner Angst vor Ärzten zu tun, aber es war tatsächlich nie so schlimm, dass mein Körper nicht selbst damit fertig geworden wäre. Selbst als ich wegen meiner Magersucht weniger als ein Vorschulkind gewogen habe, hat mich mein Körper nicht im Stich gelassen. In diesem Moment hätte eine Infektion vermutlich den Tod für mich bedeutet.
Seit ungefähr zwei Jahren ist mir bewusst, was mein Körper tagtäglich für mich leistet. Angesichts der Tatsache, dass ich ihm täglich durch mein Essverhalten oder durch mein Verkriechen in dunklen Räumen schade, weiß ich nicht warum. Ich weiß nicht, wieso mein Körper mich nicht aufgibt, sondern immer funktioniert.
Ich weiß, dass es meinem Körper nicht gut geht, aber er macht trotzdem weiter – ich leider auch.
Denn trotz diesem Bewusstsein und dem Wissen, dass ich meinen Körper für seine Leistungen schätzen möchte, gelingt es mir nicht auf ihn Acht zu geben. Ich mache weiter mit meinen destruktiven Verhaltensweisen.
„Einen so robusten Körper zu haben ist ein Nachteil“
sagt meine Therapeutin – zumindest im Bezug auf meine Situation. Würde mir mein Körper zeigen, dass es ihm nicht gut geht, indem er nicht mehr mitmacht, müsste ich umdenken und anders handeln. Solange ich keine allzu großen Schwierigkeiten habe, mache ich weiter.
Während meines stationären Aufenthalts sagte mal eine Ärztin zu mir, dass ich von meinem Körper geschieden sei. So ist es nicht mehr. Ich bin im Moment eher wie eine Mutter, die es nicht schafft ihr Kind zu versorgen, es aber trotzdem irgendwie liebt.
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Tja, wenn ich es so betrachte wie Deine Therapeutin, dann bin ich wohl hier im „Vorteil“. Mein Körper muckst ständig, zieht seit mehr als 20 Jahren immer wieder mit Erfolg die Handbremse. Ich verfluche das und es hindert mich daran, so viele Dinge zu tun … Andererseits würde ich sonst jegliche eigene Bedürfnisse ständig ignorieren, Gefühle niemals spüren usw. Ich habe immer jene beneidet, die ihren Körper vernachlässigen und trotzdem körperlich gesund sind. Aber Du hast natürlich recht, das ist in gewisser Hinsicht auch ein Nachteil … Sei herzlich gegrüßt
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Wie bei fast allem gibt es auch hier leider zwei Seiten oder anders gesagt beide Extreme – ein zu viel oder zu wenig mucksen – sind nicht gut. Vor allem, wenn es dann, wie bei dir, soweit führt, dass es dich einschränkt. Das tut mir leid! Aber ich denke, dass bei denen, die ihren Körper vernachlässigen (auch bei mir) irgendwann der Tag kommt, wo die Folgen sichtbar werden. Alles Liebe und einen schönen Sonntagabend, Julia ❤
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Danke, auch für Dich 🌻
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Vielen Dank ❤
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Liebe Julia,
Dein letzter Satz trifft deine Situation und die vieler andere so gut! Vermutlich liebt ein Teil von dir deinen Körper – dies zeigt sich allein dadurch, dass er immer funktioniert! Er hält durch und lässt dich nie im Stich. Aber wie deine Therapeutin schon sagte, ist das nicht immer die beste Lösung, denn somit weißt du nie genau, wann Schluss sein soll.
Dieser Grundgedanke über dich und deinen Körper begleitet dich schon so unendlich lange und hat schon in deiner Kindheit begonnen. Und die Faktoren, die eine Essstörung ernähren, sind immer in unserem Umfeld: Ideale, die im sämtlichen sozialen Medien hausieren und uns allen das Gefühl geben, falsch auszusehen. Und noch soo viele andere psychologische Faktoren. Es ist nicht deine Schuld, aber das weißt du ja vermutlich. Essstörungen sind nur so heimtückisch, dass wir zwar ständig gegen sie ankämpfen, aber viele Faktoren sie zeitgleich ernähren. Als ob du krampfhaft nach vorne zu laufen versuchst, und ein Seil dich kontinuierlich zurückziehen will.
Dein Körper leistet so viel, liebe Julia. Er lässt dich nie im Stich und hält dich trotz allem psychischen Ballast körperlich gesund. Irgendwo seid ihr doch im selben Team und vielleicht ist das ein Anfang.
Ein ganz Kleider Tipp: ich rede mit meinem Körper und sage ihm, dass ich ihn liebe und stolz auf ihn bin. Sage ihm, dass ich es toll finde, wie er mich aufrecht hält und danke ihm dafür. Ich sage all das, auch wenn es für mich wie eine Lüge klingt!
Ganz liebe Grüße und tut mir leid, dass es so lange geworden ist! ❤️
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Vielen Dank für deine lieben Worte, Mia! ❤ Es wird nie zu lange! Ich lese deine Nachrichten unglaublich gerne und freue mich jedes Mal über ein Kommentar von dir!
Ich habe das Lieb-mit-meinem-Körper- Reden" auch schon oft versucht, aber, wie du schreibst, es fühlt sich nicht ehrlich an. Aber vielleicht ist das eine Frage der Zeit…Vielleicht kann ich es ja wieder mal versuchen. Ich meine schaden kann es definitv nicht. 😉
"Als ob du krampfhaft nach vorne zu laufen versuchst, und ein Seil dich kontinuierlich zurückziehen will." Wie mega gut, dass meine Situation beschreibt. Danke für dieses schöne Bild! Ich werde es mir definitv merken! 🙂
Eine ganz liebe Umarmung! ❤
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Einer Freundin geht es ganz ähnlich. Mittlerweile hat sie ein gesundes, zweijähriges Mädchen, einen tollen Partner, liebe Eltern und irgendwie ist alles in der Außenperspektive schön.
Trotzdem kreist sie um sich. Weil ich selbst in letzter Zeit Verluste erlebt habe, kann ich den Kontakt zu ihr nicht mehr regelmäßig pflegen und verbleibe sporadisch.
Warum äußere ich mich hier? Mein erster Eindruck ist sehr viel ICH, MEIN KÖRPER, etc. Lass Dich dafür nicht bemitleiden, versinke nicht im Selbstmitleid – Mach Frieden mit Dir, greif zu mit allen Mitteln, die Du hast, sonst ist das Leben vorbei, Du guckst Dich um und hast immer nur an die kleinen Makel Deines Körpers gedacht – Alles Gute!
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Vielen Dank für diese motivierenden Worte! Du hast absolut Recht: Wenn man sich als Opfer sieht, hat man schon verloren! Und deine Worte haben mir klar gemacht, dass irgendwo in dem Text tatschlich Selbstmitleid versteckt ist – als könnte ich nichts gegen die Situation tun. Klar, war die Hauptabsicht des Textes nur mal meine Gedanken niederzuschreiben, aber irgendwo steckt ein kleines bisschen Opfer, dass nichts an der Situation ändert, aber trotzdem jammert. Ganz liebe Grüße, Julia
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Mir geht es ähnlich, diese Dynamiken stecken in uns allen, man kennt nur wenige Menschen, die nur an andere denken und das sollte man ja auch nicht… Aber alles hat seinen Grund, da ist es bei mir nicht anders, ein bisschen Selbstmitleid kann nicht schaden, bemitleidet einen ja sonst keiner :-). GRUß
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Das stimmt natürlich auch! Viele denken ohnehin meist an andere und vergessen sich dabei selbst. Es ist wahrscheinlich, wie bei so vielem im Leben, die Suche nach dem für sich gut geeignetem Mittelweg! Alles Liebe, Julia
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