Bin ich hochsensibel? Gibt es Hochsensibilität überhaupt?

Achtung! Jetzt kommt ein sehr sensibles Thema (was für ein Wortwitz). Ich muss vorneweg sagen, dass ich mich nicht bis ins kleinste Detail mit Hochsensibilität befasst habe und alles, was ich hier schreibe spiegelt natürlich meine eigene Meinung! Ich lasse mich auch gerne (freundlich!) belehren.

Hochsensibilität – gibt es sie?

Seit ich das erste Mal im Netz auf den Begriff Hochsensibilität gestoßen bin, hat der Begriff irgendwie Negatives in mir ausgelöst. Ich habe auf anderen Blogs darüber gelesen und aus Interesse auch selbst mal einen Online-Test zum Thema gemacht. Nicht zuletzt deswegen, weil mir mal gesagt wurde, dass ich vielleicht hochsensibel sein könnte. Was rausgekommen ist, weiß ich nicht mehr. Ist auch egal, denn solche Tests lassen sich ohnehin in die Richtung drehen, die man möchte.

Gestern bin ich dann wieder durch eine Doku auf das Thema aufmerksam geworden. Ich verlink sie euch mal: https://www.youtube.com/watch?v=sOAG6RKfqtc. Da ich schon irgendwie das Gefühl hatte, dass sich hier die Geister scheiden, habe ich mir interessiert die Kommentare durchgelesen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es Hochsensibilität zwar gibt, ich es aber anders verstehe als viele der in den Kommentaren vertretenen Menschen.

Was mich, glaube ich, hier am meisten stört ist, dass es wie eine Diagnose hingestellt wird und das ist es nicht. Es ist eine Persönlichkeitseigenschaft unter der man sehr wohl leiden kann. Für jedes Persönlichkeitsmerkmal gibt es ein Spektrum und manche Menschen sind auf der einen Seite und manche auf der anderen. Es gibt auch Menschen die sehr fröhlich sind im Vergleich zu anderen, aber sie bezeichnen sich selbst nicht als hochfröhlich. Es ist einfach die Begrifflichkeit, die mich stört und wie damit umgegangen wird.

Hochsensibilität ist für mich ein Symptom bzw. eine Eigenschaft, der (noch) die genaue Definition fehlt. Das ist mir sehr stark in den Kommentaren der Doku aufgefallen. Da haben sich Menschen als hochsensibel beschrieben und im gleichen Satz Symptome aufgezählt, die sehr klar zu anderen Diagnosen zugeordnet werden können. Zum Beispiel schrieb jemand, dass er Angst vor geschlossenen Räumen und Menschenmengen hätte. Zeichen einer klassischen Agoraphobie. Grundsätzlich überschneiden sich Symptome der Hochsensibilität mit Angststörungen, Autismus-Störungen und vielleicht noch mit AD(H)S. Außerdem wurde auch oft beschrieben, dass Menschen, die sich als hochsensibel bezeichnen, oft schnell von vielen Menschen erschöpft sind. Das ist für mich ein introvertierter Mensch.

Bin ich hochsensibel?

Ich selbst würde mich nicht als hochsensibel bezeichnen – einfach nur sensibel ist mir da lieber (wenn es überhaupt sein muss). Denn ich hatte auch immer das Problem, dass ich hochsensibel sein wollte, denn für mich war das Gegenteil immer unsensibel und ich wollte nicht unsensibel sein. Ich meine, wer will denn unsensibel sein? Für mich war es immer schon ein Lob, wenn man mich als sensibel bezeichnet hat.

Außerdem: Was bedeutet es denn, wenn jemand sagt: „Ich bin hochsensibel“? Es gibt wie schon gesagt keine einheitliche Definition – wie für viele Eigenschaften. Für jeden bedeutet fröhlich sein, vor allem aus der Eigenwahrnehmung, etwas anderes.

Die Kunst sich selbst zu verstehen

Abschließend finde ich es am wichtigsten, dass man lernt mit sich selbst richtig umzugehen. Jeder hat Persönlichkeitseigenschaften mit denen er oder sie zu kämpfen hat. Die Kunst besteht darin, wie auch der Psychologe in der Doku anmerkt, dass man lernt sich mit all seinen Macken zu akzeptieren und zu verstehen wie man mit sich am besten umgeht.

Also, wenn ihr euch als hochsensibel bezeichnen möchtet: Das ist für mich vollkommen ok! Aber sagt mir bitte auch gleich, was ihr darunter versteht, damit keine Missverständnisse entstehen. 😉


Mich interessiert eure Meinung zu diesem Thema wahnsinnig! Was sind eurer Erfahrungen mit Hochsensibilität? Würdet ihr euch selbst als hochsensibel bezeichnen und warum?


► Mein Instagram-Account: https://www.instagram.com/julialebenswelt

► Mein YouTube Kanal: JULIA LEBENSWELT

Social Media Button

43 Gedanken zu “Bin ich hochsensibel? Gibt es Hochsensibilität überhaupt?

  1. Wolf

    Die Duden-Definition für sensibel: Von besonderer Feinfühligkeit; empfindsam.

    Sensibilität ist vielleicht gar nicht so negativ einzuschätzen wie allgemein gedacht wird. Ich denke, dass jemand der sensibel ist einen leicht höheren Intelligenz-Quotienten hat als der Durchschnitt der Menschen. Begründung: Wer sensibel ist, sieht mehr Probleme und er zieht mehr Daten zur Lösung von Problemen heran als es normalerweise getan wird. Aufgrund der größeren Datenmenge können bessere Entscheidungen im Einzelfall oder auch bezüglich besserer Lebensqualität getroffen werden. Insofern ergeben sich für Personen die als sensibel eingeschätzt werden durchaus Vorteile.

    Gefällt 2 Personen

    1. Das sehe ich ähnlich. Sensibilität ist ja eigentlich eine recht postive Eigenschaft. Und genau da sehe ich das Problem (das ich selbst auch habe/hatte): Viele sehen glaube ich Hochsensibilität als etwas Positives und wollen hochsensibel sein. Ich glaube aber, dass ein Extrem vieler Persönlichkeitseigenschaften für eine Person sehr anstrengend sein kann.
      Liebe Grüße

      Like

  2. Danke für diesen Beitrag, liebe Julia. Ich stolpere auch sehr oft über ganz unterschiedliche Personen, die sich alle als hochsensibel beschreiben würden, bei denen ich aber häufig eine ganz andere Eigenschaft bzw. Diagnose sehe. Manchmal erscheint mir das Thema schon fast wie ein Trend zu sein. Nach dem Motto: Ich habe dies und jenes Problem, weil ich eben hochsensibel bin. Ich stehe dem Thema etwas kritisch gegenüber, wie du merkst. Grundsätzlich denke ich schon, dass diese Menschen einschränkende Eigenschaften besitzen, aber es lohnt sich dann nochmal genauer hinzuschauen. Ich persönlich würde mich nicht als hochsensibel beschreiben. Viel eher bin ich sehr empathisch?!
    Viele Grüße von Annie

    Gefällt 1 Person

    1. Ich bin da auch etwas skeptisch. Gerade in den Kommentaren dieser Doku bezeichnen sich bestimmt auch viele Jugendliche einfach als hochsensibel, weil sie dazugehören wollen.
      Es ist bestimmt so, dass Menschen mit „extremen“ Persönlichkeitseigenschaften darunter leiden können, aber dazu braucht es meiner Meinung nach nicht umbedingt einen Begriff wie hochsensibel. Genauso wie nicht jeder eine Diagnose brauchen sollte, um eine Psychotherapie zu bekommen. Wenn jemand, unter was auch immer leidet, sollte er Hilfe bekommen.
      Alles Liebe, Julia

      Like

  3. Hallo,
    ich hab nur sehr kurz Zeit im Moment, war länger nicht online, aber diese HSP`s gibt es schon. Eine Uni in USA hat mal versucht, objektive Beweise über Hirnscans zu ermitteln und ist auch zu positiven Ergebnissen gekommen, die ich jetzt vergessen habe.
    Aber das ist eine Gradwanderung, weil jeder individuell verschieden ist.
    Ich fand die die Beschreibung von Wikipedia sehr treffend (für mich):
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilit%C3%A4t
    Schönes W`ende!
    Jürgen aus Loy (PJP)

    Gefällt 1 Person

    1. Dass sich bei Menschen, die sensibler sind als andere Veränderungen in Hirnscans zeigen, wundert mich nicht, weil man ja jede emotionale Erregung im Gehirn beobachten kann. Leider besteht da oft noch lange kein kausaler Zusammenhang.
      Der Wikipedia-Artikel ist nicht schlecht. Allerdings beschreibt er Hochsensibilität sehr positiv – also wenn ich das so lese wäre ich gerne hochsensibel. Und das ist etwas das Problem, denn grundsätzlich wird es ja von Betroffenen oft als sehr schwierige Eigenschaft gesehen oder gar als pathologische Diagnose betrachtet, für die ein gewisser Leidensdruck notwendig ist.
      Liebe Grüße
      Julia

      Like

      1. Das ist alles eine Frage der frühen emotionalen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Und diese Grunderfahrungen sind emotional gebunden schwer zu verändern, stellen aber wie gesagt das `Grundmuster´ unserer emotinal-sozialen Verarbeitung dar (etwas umständlich formuliert..?..).
        So ab dem 3. Lebensjahr bis zum Schuleintritt ist m.E. eine der entscheidendsten Phasen, denk ich mal.
        Ich hätte da noch was für dich: Wenn du Zeit und Geduld hast eine Tour durch meine Stadt Rastede durch das Old- und Youngtimer Treffen, wenn du magst:
        https://4alle.wordpress.com/2018/08/22/old-youngtimer-tour-videos/
        Bis demnächst!
        LG
        Jürgen aus Loy (PJP)

        Gefällt 1 Person

      2. Da stimme ich dir absolut zu! Ab einem Alter von drei Jahren prägen uns emotionale und soziale Erfahrungen sehr stark.
        Und ich schau mir sehr gerne deinen Beitrag an :). Hab einen schönen Samstag!
        Liebe Grüße
        Julia

        Like

  4. Hallo Julia,

    ich kann deine Meinung dazu verstehen, auch mich spaltet das Thema nach wir vor ein wenig. Manchmal könnte man meinen, HS wird zur neuen Ersatzreligion erhoben.

    Allerdings, als ich vor rund 3 Jahren auf das Thema stieß, war es für mich wie eine Offenbarung und ich muss sagen, dass ich mich seither als hochsensibel (HS) sehe, auch wenn ich es nicht herausposaune (aber ein Blogpost ist trotzdem in Planung ;). Tatsächlich findet man im Netz vieles dazu, und bekommt den Eindruck, es sei „en vogue“, HS zu sein. Dabei finde ich, wie auch du es schreibst, dass es bei manchen eher auf andere „Diagnosen“ rausläuft, aber HS halt besser klingt.

    Meine HS stellt sich – aus meiner Sicht – so dar: ich bin introvertiert, kann Stimmungslagen von Personen körperlich fühlen, bin (oft, nicht immer) sehr geräuschempfindlich und mein Sehsinn bzw. die Wahrnehmung des Gesehenen liegt bei mir erwiesenermaßen über dem Durchschnitt. Letzteres heißt, ich sehe sehr viele Details, die anderen entgehen (eine Schnecke am Wegesrand, in der Arbeit „finde“ ich sofort den für mich offensichtlichen Datenfehler, solche Sachen halt – wo andere sehr oft fragen, wie hast du das jetzt so schnell gesehen?). Es gibt noch einige Punkte mehr, aber die würden den Rahmen sprengen.

    Den Fehler, den aus meiner Sicht viele machen, die sich selbst als HS etikettieren, ist zu glauben, dass eine HSP (hochsensible Person) auf emotionaler Ebene (ausschließlich) besonders sensibel sei, dem muss aber garnicht so sein. Oft sind es körperliche Sensibilitäten, die eben aufgrund der natürlichen Variationen bei manchen stärker/besonders stark oder schwächer/besonders schwach ausgeprägt sind. Mein Mann z.B. wurde ohrenärztlich untersucht und er hört besonders „sensibel“, was es ihm schwermacht, bei vielen Geräuschen ein bestimmtes aufmerksam zu verfolgen – seine Hörsignale sind weitaus ausgeprägter.

    Ich habe mich lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt. Am Ende sage ich für mich, ja, ich bin hochsensibel, nein, ich trage es nicht auf einem blinkenden Schild vor mir her, und ja, ich denke, es ist trotzdem nur eine Begrifflichkeit mit gewisser, nicht immer eindeutigen Definition, die ich für mich als passend erachte.

    Liebe Grüße von einem vielleicht hochsensiblen Flügelwesen!

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen lieben Dank für das Teilen deiner persönlichen Erfahrungen und all den Infos!

      Da du dich ja sehr gut mit dem Thema auszukennen scheinst, hätte ich noch einige Fragen: Würdest du deinen Mann auch als hochsensibel bezeichnen – also auf auditiver Ebene? Und würdest du sagen, dass du unter der Hochsensibilität leidest? Und wie ich rauslese, würdest du Hochsensibilität nicht als Diagnose bezeichnen, oder?

      Wenn ich zu viel frage, musst du natürlich nicht antworten! Ich würde mich aber sehr freuen, weil ich Hochsensibilität gerne besser verstehen würde.

      Alles Liebe, Julia

      Like

      1. Hallo Julia,

        ich finde es gut, dass du dich so intensiv mit dem Thema auseinandersetzt! Ich antworte gerne auf deine Fragen =)

        Meinen Mann würde ich als hochsensibel einstufen, das ist richtig. Das betrifft nicht nur die auditive Wahrnehmung, sondern einiges mehr, aber daran wird es am Offensichtlichsten.

        Mit dem „darunter leiden“ ist so eine Sache. Mal mehr, mal weniger, würde ich sagen. Die visuelle Wahrnehmung emfinde ich zu 90% der Zeit als Bereicherung. An schlechten Tagen (vorallem nach zu wenig Schlaf, oder ich bin sonstwie nicht gut beinander) kann es belastend sein, wenn mich Farben, Helligkeit etc. nahezu erschlagen. Dann versuche ich, mich eher in vertrauter Umgebung aufzuhalten und nicht gerade im Gartencenter mit einer Million unterschiedlicher Frühlingsblumen 😉
        Beim „Rest“ ist es genauso. Julio hat es in seinem Kommentar sehr gut beschrieben, finde ich, weil es für extro- wie introvertierte HSP zutrifft: ich brauche Pausen. Wenn z.B. jemand aus meiner Familie zu Besuch kommt (für mehrere Tage, weil wir weit auseinander wohnen), muss ich danach mindestens einen halben, besser einen ganzen freien Tag einplanen – oft nehme ich mir dann auch in der Arbeit frei, das geht zum Glück. Sonst komme ich sehr schnell an meine Grenzen.

        Wikipedia sagt zur Diagnose: „Diagnose ist die Feststellung oder Bestimmung einer Krankheit.“ So sehe ich die HS nicht, sondern als eine natürliche Variation. Aber sie kann (psychische) Krankheiten fördern, wenn man nicht mit ihr umzugehen weiß. Ich selbst habe Depressionen – schon viel länger, als ich vom Thema HS weiß. Und für mich ist es leichter, gegen die Depression anzugehen, seit ich meine HS beachte und versuche, mein Leben ein wenig mehr danach auszurichten.

        Liebe Grüße
        Flügelwesen

        Gefällt 1 Person

      2. Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Das hilft mir wirklich sehr das ganze Thema besser zu verstehen. Vor allem kommt es dann auch von Menschen, die sich schon intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Anders als viele, die sich z.B. in den Kommentaren unter der Doku als hochsensibel bezeichnen – so zumindest mein Eindruck.

        Dass mit den Pausen kenne ich sehr gut. Mich strengen viele Menschen auch oft sehr an. Ich habe das immer auf meine Introvertiertheit zurückgeführt und meine sozialphobischen Züge. Aber es macht natürlich auch Sinn, dass es mehr anstrengt, wenn man mehr verarbeitet als der Durchschnitt.

        Und auch deine Gedanken zur Diagnose bzw. „Nicht-Diagnose“ finde ich logisch. Dass bestimmte Wesenszüge psychische Erkrankungen fördern, ist ja bekannt.

        Hellhörig bin ich auch geworden als du geschrieben hast, dass du auf Farben bzw. Helligkeit sehr empfindlich reagierst. Denn das trifft bei mir auch absolut zu.

        Ich glaube letztendlich kommt es, wie du auch sagst, darauf an sein Leben so auszurichten, dass man gut mit sich umgeht. Und wenn dabei die Auseinandersetzung mit HS hilft, ist es doch sehr sinnvoll! Denn das entspricht eigentlich genau meinem Wunsch: Nämlich dass jedem Menschen individuell geholfen wird – egal mit welcher therapeutischen Methode!

        Alles Gute
        Julia

        Gefällt 1 Person

    2. Das Problem unserer Gesellschaft liegt nun mal darin, dass wir einer `Reizüberflutung´ ausgesetzt sind und viele Menschen emotional zunehmend abstumpfen. Es steht also auch in Relation zu diesen Bedingungen, wie sensibel wir sind. Wenn ich zB in den Wald gehe, dann lebe ich richtig. Und was nicht zu vergessen ist, das ist mein Hund. Der ist noch hochsensibler als wir alle zusammen, weil der ALLES wahrnimmt mit Auge, Ohr und vor allem mit der Nase. Diesbezüglich habe ich viel von ihm gelernt (und das meine ich ernst).
      Jürgen aus Loy (PJP)

      Gefällt 1 Person

      1. Ich finde du sprichst hier einen sehr interessanten Punkt an, denn Tiere sind hier wirklich ein Paradebeispiel für Hochsensibilität. Jedes Tier ist auf seine Umwelt ausgerichtet und nimmt mit seinen hoch ausgeprägten Sinnen alles wahr, was um es herum passiert. Es könnte sich gar nicht leisten mal nicht „sensibel“ zu sein.
        Liebe Grüße
        Julia

        Like

    3. psychologik148282542

      Liebes Flügelwesen, liebe Julia,

      Der Post ist ja nicht mehr ganz neu, möchte aber doch noch drauf reagieren. 🙂
      Ich unterscheide zwischen sensorischer und emotionaler Hochsensibilität, wobei ich letzteres ganz schwierig zu fassen finde. Mit der sensorischen Hochsensibilität tue ich mich da leichter. Vielleicht, weil ich mich selbst davon auch „betroffen“ sehe und das in meinen Augen etwa das ist, was du, Flügelwesen, auch beschrieben hast.
      Bei mir äußert sich das unter Anderem auch in Lichtempfindlichkeit und je nach Geräusch auch in Geräuschempfindlichkeit. Bin ich irgendwo unterwegs, sehe ich dabei häufig auf den Boden, weil mir die vielen Eindrücke, wenn ich „gradeaus“ schaue, oft zu viel oder zu hell sind. Das führt dazu, dass ich auf vertrauten Wegen ganz genau weiß, wo sich Ameisenstraßen, bestimmte Käfersorten etc. befinden. Details fallen mir auch sehr häufig auf.
      Aber wehe, wenn mein „normaler“ Energiepegel aus irgendeinem Grund reduziert ist. Dann wird ein Aufenthalt in einer Dekoabteilung eines Geschäfts oder die Suche nach einem bestimmten Produkt in den bunten Reihen des Supermarkts zur Qual. In den letzten Jahren ist die Sache besser geworden; während meines Studiums hingegen musste ich nach einer solchen Aktion mindestens eine Stunde schlafen, weil ich so reizüberflutet war, dass ich nicht mehr denken konnte.
      Auch spüre ich Emotionen des Anderen häufig körperlich, nehme atmosphärisch sehr viel wahr etc. Kann auch anstrengend sein; ist in meinem Job allerdings auch nicht ganz praktisch. 😉

      Hochsensibilität geht übrigens häufig auch mit Hochbegabung einher (bzw. umgekehrt) – liegt, soweit ich weiß, daran, dass in beiden Fällen eine bessere Vernetzung und höhere Leitgeschwindigkeit der Nerven(zellen) vorliegt. 🙂

      Schönen Tag euch!
      Jeca

      Gefällt 2 Personen

      1. Vielen Dank, Jeca! Diese Unterscheidung scheint mir sehr sinnvoll! Dass Hochsensibilität auch mit Hochbegabung zusammenhängt höre ich zum ersten Mal. Hast du das aus eigener Erfahrung gemerkt (durch dich selbst oder die Arbeit mit Patienten) oder gibt es Artikel, die das beschreiben? Würde nämlich gerne was dazu lesen, wenn es was gibt. 🙂

        Like

  5. Mal ganz allgemein: muß man dem ganzen überhaupt irgendwelche Kategorien zuordnen? Unter einem hochsensibelen Menschen würde ich jemanden verstehen, bei dem (unter anderem) die Aufmerksamkeit recht ausgeprägt ist. Was ich jetzt nicht negativ konnotieren würde.

    Gefällt 1 Person

    1. Ich mag das In-Kategorien-Denken, ehrlich gesagt, auch nicht. Deshalb stehe ich dieser Begrifflichkeit sehr skeptisch gegenüber.
      Ich denke schon, dass es manchen Menschen helfen kann sich „Kategorien“ zuzuordnen und als Ausßenstehender machen wir das sowieso. Auch wenn das klassische „Schubladendenken“ im Kreuzfeuer steht, ist sein Grundprinzip doch sehr nützlich. Wir müssen Menschen Eigenschaften zuordnen, sonst sind wir mit der Welt überfordert. Man muss sich jedoch darüber bewusst sein, dass diese Kategoriebildung dann schwierig wird, wenn es Menschen auf irgendeine Weise schadet z.B. dirkriminiert.
      Liebe Grüße

      Gefällt 1 Person

      1. Ich denke, da kann man sicherlich differenzieren zwischen Eigenschaften zuordnen und Schubladen füllen.
        Ersteres hilft, jemanden zu charakterisieren, zweiteres hilft am Ende gar nicht. Denn wer steckt schon gern in Schubladen? Und davon ausgehend, daß jeder Mensch individuell ist, sind Schubladen auch nicht die richtige Umgebung, finde ich.
        Liebe Grüße

        Gefällt 1 Person

      2. Klar, wenn du es so bildlich sehen möchtest. Grundsätzlich ist es aber das gleiche, oder nicht? Es ist nur die umgekehrte Herangehensweise. Wenn ich jemanden als freundlich bezeichne, kommt er für mich, natürlich nur bildlich gesprochen, in die „Schublade“ der freundlichen Menschen. Das geschieht natürlich völlig unbewusst. Es ist bestimmt nicht so das ich mir denke: „Heute ist mir mal nach freundlichem Menschen. Mal schauen, wer da in meiner Schublade so drinsteckt!“ Überspitzt formuliert natürlich.
        Liebe Grüße
        Julia

        Gefällt 1 Person

      3. Und dann stell Dir vor, man trifft auf jemanden, für den es etwas Schlimmes ist, als freundlich oder gar nett bezeichnet zu werden. 🙂
        Was Du da so schön überspitzt formulierst, kann man wirklich anwenden. Etwa wenn man mal mit Leuten reden mag, die einen nicht auf irgendwas reduzieren. Genau dieses Reduziert- Werden ist vielelicht auch das, was ich am ehesten mit Schublade verbinde.
        Und da kommen, was mich betrifft, teilweise ganz irre Dinge heraus, selbst bei meinem Traumjob, von dem ich mal erzählt hatte. Weil man weiß, daß ich was mit Fußball mache und mir unterstellt, daß ich lesen kann, gibt es Weihnachten dann stets ’nen Fußballbuch. Fremdere Leute hingegen unterstellen einem, man sei automatisch ähnlich doof wie die Jungs am Ball. – Und so gern ich auch von meinem Job erzähle: manchmal verzichte ich gern auf irgendwelche Empfänge etc., weil ich genau auf dieses Reduziertwerden keinen Bock habe. Lande dafür bestimmt in irgendeiner Schublade, von der ich gar nichts weiß 🙂 Ist mir aber wurscht.

        Macht übrigens Spaß, sich mit Dir auszutauschen.

        Liebe Grüße,
        Heinz

        Gefällt 1 Person

      4. Ja, da hast du natürlich recht. 😉 Ich glaube es gibt keine Eigenschaft, die man allen zuorndnen kann, ohne irgendjemanden auf die Füße zu steigen.

        Was du mit deinem Job beschreibst, kenn ich, und bestimmt viele andere Menschen, sehr gut aus der Praxis. Gerade das mit dem „Das machst du gerne oder das hast du gerne, deshalb bekommst du einfach immer ein Geschenk dazu“ ist ja eigentlich lieb gemeint, aber kann auch nervig sein. Und sowas anzusprechen ist natürlich schwierig ohne jemanden zu verletzen.

        Was natürlich oft vorkommt ist das Reduiziert-Werden auf eine Eigenschaft, also in deinem Fall Fußball, was dann schwierig wird. Denn, wenn dann sollte sich ein Mensch in mehreren „Schubladen“ befinden, denn ein Mensch ist ja nicht „nur“ xy, sondern viel mehr. Aber da hören viele auf und geben sich mit einer „Schublade“ zufrieden.

        Ich finde es auch ganz toll sich mit dir auszutauschen. Ich liebe das wirklich!

        Liebe Grüße
        Julia

        Gefällt 1 Person

  6. Liebe Julia,

    ich gebe zu, dass das Thema „Hochsensibilität“ bei mir einen Nerv trifft. Ich bevorzuge allerdings den Begriff „sensory processing sensitivity“, wie ihn Frau Aron für ihre wissenschaftlichen Arbeiten verwendet, also „sensible Wahrnehmungsverarbeitung“. Genau das definiert nämlich diese Persönlichkeitseigenschaft: Sinneswahrnehmungen und Gefühle werden tiefgehender verarbeitet. Daraus resultiert ein häufiger Informationsoverload, wenn zu viel auf einmal verarbeitet werden muss, und man braucht häufiger Pausen, um die Verarbeitung nachzuholen. Auch denkt man eher nach, bevor man handelt, was wiederum etwas Zeit braucht. Dazu kommen häufig körperliche Sensibilitäten (ich kann zum Beispiel keine harten Stoffe auf der Haut haben und bekomme dann Ausschlag und erschrecke bei lauten Geräuschen übermäßig).

    Du studierst ja Psychologie und hast einiges darüber gelernt, wie Sinneswahrnehmungen erst im Gehirn zu Eindrücke jeglicher Art verarbeit und konstruiert werden. Genau dort sitzt der Unterschied zwischen „Hochsensiblen“ und denjenigen ohne diese Persönlichkeitseigenschaft.

    Das hat nichts mit „fröhlich sein“ oder „introvertiert sein“ zu tun. Ich zum Beispiel bin extrovertiert mit dieser besonderen sensiblen Wahrnehmungsverarbeitung und pendele freudig zwischen Menschenansammlungen und den notwendigen Pausen hin und her.

    Wie du ja schon festgestellt hast, geht es hier nicht um eine psychische Erkrankung. Allerdings reagieren Wahrnehmungssensible stärker auf eine „gute“ oder eine „schlechte“ Umgebung (wie sie auf alles stärker reagieren). Sie sind besonders stabil, wenn sie in einer stärkenden Umgebung aufwachsen durften und haben große Probleme, wenn dem nicht der Fall war.

    Für den Alltag bedeutet Wahrnehmungssensibilität vor allems eins: man braucht mehr Zeit, mehr Pausen, um sich mit den Sinneswahrnehmungen und den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Das Schlimmste, was ich mir antun kann, ist mich zu hetzen und zu viel auf einmal unter Zeitdruck erledigen zu wollen. Dann breche ich irgendwann zusammen.

    Wenn du dich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchtest, empfehle ich dir die Website von Frau Aron, auf der du auch die Links zu den wissenschaftlichen Studien und viele weitergehende Informationen findest.

    So, jetzt aber genug. Ich hoffe, dass ich dich jetzt nicht zu sehr zugelabert habe, aber du hast ein Thema angesprochen, das mich stark beschäftigt und zu dem leider viele nicht ganz korrekte Auffassungen existieren, wie das Flügelwesen ja auch schon angeführt hat.

    Übrigens wissen die meisten meiner Bekannten nicht, dass ich hochsensibel bin. Warum auch, das sind viele Menschen. Ich beschäftige mich nur damit, weil es mir hilft, meinen Alltag besser zu bewältigen.

    Gefällt 2 Personen

    1. Vielen lieben Dank für deine Ausführung zum Thema! Das war wirklich sehr interessant zu lesen und ich freue mich sehr, dass du dir Zeit genommen hast darüber so ausführlich zu schreiben!

      Sensible Wahrnehmungsverarbeitung klingt für mich schon wesentlich angenehmer bzw. kann man sich darunter, wie du schon schreibst, wesentlich mehr vorstellen. Und dass es diese feinere Wahrnehmnungsverarbeitung auf unterschiedlichen Ebenen gibt, hat ja auch schon das Flügelwesen geschrieben. Und für mich klingt deine Argumentation sehr schlüssig: Wenn man mehr Dinge verarbeitet bzw. Dinge stärker verarbeitet als andere, dann ist es auch logisch, dass man schneller ermüdet.

      Ich werde mich definitv auch noch einmal genauer darüber informieren. Danke für die Tipps! Darf ich noch fragen, ob diese Eigenschaft eher als Last siehst und dir wünscht sie nicht zu haben (Ich weiß man soll sich so akzeptieren wie man ist, aber jeder hat Eigenschaften, die man lieber nicht hätte)? Du schreibst ja schon, dass du sehr achtsam mit dir umgehen musst.

      Alles Liebe
      Julia

      Like

      1. Puh, ich bin erleichtert, dass ich nicht zu ausführlich war.

        Zu deiner Frage: Früher empfand ich es als Last, weil ich mich anders/nicht normal fühlte und nicht so belastungsfähig. Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper, meine Emotionen viel zu reagibel und empfindlich sind und habe auch lange befürchtet, dass ich doch eine psychische Erkrankung habe. Schließlich fehlen mir gegenüber meiner Umwelt ein paar Filter.

        Inzwischen sehe ich es neutral. Ich habe eine Erklärung, warum ich so bin, wie ich bin, die für mich logisch ist und mich zufriedenstellt. Und ich nutze inzwischen diese Eigenschaft gezielt für meine Arbeit und mein Leben. Ich „sehe“ mehr und kann dies nutzen, um Menschen und Organisationen besser zu beeinflussen. Die Menschen hören auf mich, weil sie wissen, dass ich mit meinen Aussagen ziemlich häufig ins Schwarze treffe, es sich also lohnt, mal darüber nachzudenken, wenn ich noch etwas einwerfe.

        Ich beschleunige Veränderungen bei anderen, weil ich zum einen extroviert ansteckend bin und zum anderen Stimmungen so gut spüre, dass ich die Menschen dort abholen kann, wo sie gerade sind.

        Der Preis, den ich dafür zahle, sind die notwendigen Pausen und die Reaktionsgeschwindigkeit einer Schnecke. Aber das wiegt sich meiner Meinung nach auf. Wie alle persönlichen Eigenschaften hat die Wahrnehmungssensibilität positive und negative Seiten. Für die schnellen Reaktionen habe ich meinen Mann geheiratet. 😉

        Liebe Grüße

        Gefällt 2 Personen

      2. Das ist sehr schön, dass du deine Wesenszüge nun so sehen kannst wie sie sind und zum Teil sogar zu deinem Vorteil umgekehrt hast.

        Auch, sehe ich, dass es sehr hilfreich sein kann zu wissen, was mit einem los ist und dem ganzen einen Namen zu geben. Das ist die positve Seite. Die etwas kritischere kann sein, dass es „Schubladen denken“ fördert wie ich hier ausführlich mit ballbog diskutiert habe. Aber ich denke, man kann mit jeder Eigenschaft, die man Menschen zuordnet irgendwie „Missbrauch“ betreiben.

        Vielen Dank für deine Antwort! Ich freue mich immer sehr über einen solchen Austausch!

        Alles Liebe
        Julia

        Gefällt 1 Person

      3. Liebe Julia, auch ich finde die Kommentare und den Austausch zu diesem Thema sehr interessant! Insbesondere da das Thema „Hochsensibilität“ anscheinend gerade Mode und dabei auch ein wenig verfälscht wird.

        Ich mag übrigens Schubladen und lasse mich auch gerne in eine einordnen. Genauso wie in die 5000 anderen Schubladen, in die ich passe. Jede von ihnen hat etwas Wertvolles zu bieten.

        Schlimm wird es allerdings, wenn jemand versucht, mich in eine einzige Schublade zu quetschen. Auch finde ich es schwierig, mit Menschen umzugehen, die sich hauptsächlich über eine Eigenschaft definieren. Da bin ich mit dir einig.

        Die Schublade „Hochsensibilität“ hilft mir einfach, richtig zu reagieren, wenn ich mich überlastet habe, mein Zuhause ästhetisch ansprechend, aber reizarm zu gestalten und meine Urlaube eher unter wenig Menschen zu verbringen. Auch würde ich nie einen Beruf wählen, in dem dauernd schnelle Reaktionen und Entscheidungen verlangt werden. Sie bildet aber natürlich nur einen kleinen Teil meiner komplexen Person ab.

        Gefällt 1 Person

      4. Da hast du recht. Grundsätzlich sind Schubladen vollkommen ok. Solange man in ganz viele kommt und keine davon irgendwie menschenverachtend ist. Ich stell mir das gerade so bildlich vor, wie ich meine Teile aus all den Schubladen nehme und mich zusammenbastle. 😄 Ein lustiger Gedanke! 😉 Und es hilft, wie du auch schreibst, gut mit sich umzugehen, wenn man sich und seine Eigenschaften so besser erfassen kann.
        Liebe Grüße
        Julia

        Like

  7. Hallo Julia,

    über das Thema HSP bin ich auch schon gestolpert, verschiedentlich. Ich bin ja Autistin und habe somit eine Reizfilterstörung, die sich in mancher Hinsicht mit dem überschneidet, was in HSP-Kreisen beschrieben wird. Grundsätzlich finde ich es gar nicht schlecht, wenn Menschen, die etwas ähnliches erfahren, einen Begriff dafür finden und darum eine Community und eine gemeinsame Basis aufbauen können, auf der sie darüber sprechen. Tipps und Erfahrungen austauschen ist nie schlecht und gerade wenn man bedenkt, dass unsere heutige Welt immer lauter und schneller wird, gibt es bestimmt mehr Menschen am oberen Ende der Sensibilitätsskala, die auf einmal darunter leiden. Denkt man ein paar Jahrhunderte zurück, in eine Welt ohne Autos, TV, Radio und Großstadtlärm, fiel das Thema vielleicht noch gar nicht so sehr ins Gewicht. Da war die Hochsensible Person dann vielleicht einfach die Kräuterhexe, zu der man ging, wenn man Sorge hatte oder die liebevolle Amme, die sich so gut um alle Kinder kümmerte. Heute sitzt man als sensiblerer Mensch trotzdem oft im Großraumbüro, pendelt mit dem Zug und geht ins volle Fitnessstudio, weil einem die Gesellschaft das alles intensiv so als normal vorlebt. Mit jeder Generation des letzten Jahrhunderts gab es einen einschneidenden Wandel der Lebensrealitäten junger Menschen. Wir leben anders als unsere Eltern und nicht jeder Mensch bekommt vom Elternhaus aus einen guten Umgang mit so einer Persönlichkeitsentwicklung und sensorischen Besonderheit vermittelt, wenn es um den modernen Alltag geht. Dass man sich dann unter einem Begriff zusammenfindet, der offen genug gestaltet ist um ganz unterschiedlichen Menschen Zuflucht zu gewähren, finde ich gut!

    Ich sehe den Begriff der HSP dabei auch im Kontext der Achtsamkeitsbewegung, Yoga-Retreats und sonstigen neuen Spiritualität, die heute jenseits von Kirche und klassischen Heimatbegriffen gelebt wird. Achte auf dich und deine Bedürfnisse, sei Individuell so wie du bist, sei du selbst und akzeptier dich so, auch wenn du damit nicht in die Schnelllebigkeit der Gesellschaft passt. HSP ist insofern vielleicht eine Art kulturelle Gegenbewegung zur modernen Gesellschaft?

    Dennoch sehe ich das Thema auch kritisch. Dass HSP zweifelsfrei in Hirnscans nachweisbar ist, halte ich für Neuro-Nonsense. Selbst bei Autismus kann nicht für alle Autisten verbindend zweifelsfrei per Hirnscan nachgewiesen werden, wo Autismus wie stattfindet! Dass Emotionen von verschiedenen Menschen unterschiedlich verarbeitet werden und verschiedene Menschen unterschiedlich Reizsensitiv sind, ist natürlich eine Tatsache. Braucht es dafür aber eine „Diagnose“, wie es derzeit im Netz betrieben wird?

    Das ist der Punkt, an dem ich das alles sehr kritisch sehe. Mancher, der sich als HSP definiert, wird mit Sicherheit spektrumsnah am Autismus sein oder in eine andere diagnostische Kategorie fallen. Wer in der HSP-Community „hängen bleibt“, sucht aber vielleicht nicht mehr nach tatsächlich möglichen Hilfen. Auch ist die Definition von HSP ja rein durch die lautesten Mitglieder der Gemeinschaft bestimmt. Schaut man sich die Selbsttests im Netz an, reicht es, sich ein paar schöne Eigenschaften zuzuschreiben, um dazu zu gehören. Und wenn man sich dann anschaut, wie manche Mitglieder der Community damit umgehen… dann wird es ganz problematisch. So wurde mir von einer im deutschen Raum damals recht prominenten Seitenbetreiberin aus dem HSP-Bereich mal nahgelegt, dass ich ja nicht autistisch sei, sondern HSP. Nein – zu Autismus gehört so viel mehr als nur das, was die HSP-Bewegung für sich beansprucht.

    Gefällt 2 Personen

    1. Ups, abgeschickt ohne die letzten Sätze. Sorry!

      //
      Insofern denke ich, dass die Bewegung derzeit durchaus ihre guten Seiten hat, aber am Ende eben eher der esoterisch-spirituellen Richtung zuzuordnen ist und genau so verstanden werden sollte. Und dass das alles eben auch Nachteile hat, weil vieles vermischt, damit ein Stück weit „normalisiert“ und ggfs von tatsächlichen Diagnosen ferngehalten wird. Hochsensibel, klar – kann man sein, und dann hat die Community ihre Vorzüge, um damit klarzukommen. Auf die aktuelle Bewegung in diesem Bereich kann ich aber gut verzichten.

      Gefällt 2 Personen

      1. Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag! Ich finde es wirklich sehr spannend, was du schreibst!

        Dass mit der Community-Bildung habe ich noch gar nicht gedacht, kann aber durchaus positive Seiten haben zb für den Austausch. Natürlich können hier aber auch die negativen Aspekte betrachtet werden, denn die Betreiber solcher Seiten oder Foren sind immer sehr von dem überzeugt, was sie machen und behaupten, sodass es dann nicht mehr abgestimmt auf das einzelne Individuum ist und im schlimmsten Fall Menschen sogar zu Schaden kommen, wenn sie zb, wie du schreibst, nicht richtig behandelt werden.

        Auch deine Argumentation der Hochsensibilität als Gegenbewegung für unsere schnelle und hektische Gesellschaft finde ich durchaus spannend. Es hat für mich auch irgendwo durchaus einen spirituellen Aspekt, wenn ich darüber nachdenke.

        Leider ist oft der Grundgedanke bei solchen neuartigen Begriffen eine durchaus lobenswerte. Wenn jedoch eine solche Bewegung irgendwie eine Art Trend bzw. Einstellung wird, wird es oft kritisch.

        Alles Liebe und nochmals vielen Dank für deinen bereichernden Beitrag! ❤

        Liebe Grüße
        Julia

        Like

  8. Hallo, Julia!

    Für mich war es eine Befreiung, von Hochsensibilität zu erfahren, weil ich mich dadurch besser verstanden habe. Mir hat es vor allem geholfen, mich so anzunehmen, wie ich bin, und mich nicht mehr falsch zu fühlen. Man hat mir immer gesagt, ich solle nicht so empfindlich sein. Und ich wunderte und ärgerte mich darüber, warum ich mit den anderen nicht mithalten kann und so viel Zeit für mich brauche, weswegen ich belächelt und abgelehnt wurde. Jetzt weiß ich, dass ich völlig richtig bin, nur eben anders funktioniere und damit auch nicht alleine bin.

    Allerdings habe ich auch psychische Krankheiten wie Depression, Ängste und Traumafolgestörung. Meine Kindheit verlief nicht so toll. Was nun zuerst da war – HS oder die Diagnosen – ist wohl die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Es ist tatsächlich schwierig, psychische Symptome von HS-Merkmalen zu unterscheiden, weil alles ineinanderfließt und sich gegenseitig bedingt, triggert, verstärkt. Trotzdem ist es für mich sinnvoll, Hochsensibilität als solche gesondert zu betrachten, aber eben nicht als Diagnose sondern als Persönlichkeitsmerkmal, das u.a. die Vulnerabilität steigert.

    Seit ich weiß (oder denke), dass ich hochsensibel bin, kann ich besser auf meine Bedürfnisse und Grenzen achten, was meinen psychischen Krankheiten zugute kommt. Und das allgemeine Wohlbefinden steigert sich dadurch ebenfalls – abseits der Diagnosen, denn ich bin ja mehr als das.

    Ich finde es anstrengend, hochsensibel zu sein, und wünschte manchmal, ich könnte mehr aushalten. Aber dann merke ich, dass ich schneller als andere Details sehe, kombiniere und schlussfolgere, so dass die anderen mal nicht mehr mitkommen – dann finde ich es wieder ganz gut so, wie es ist. Es ist Fluch und Segen zugleich. Manchmal scheinen mich andere Menschen auch spooky zu finden, weil sie nicht sehen, was ich sehe (Zusammenhänge), und es wie Hellseherei wirkt. Am Ende habe ich immer Recht. Für mich ist das so offensichtlich, und ich verstehe überhaupt nicht, warum die anderen das nicht sehen können. Naja, es isoliert einen schon ein bisschen. Ich schweige oft, um nicht allzu schräg rüberzukommen.

    Liebe Grüße
    Yvonne

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank Yvonne für das Teilen deiner Erfahrungen mit Hochsensibilität! Ich finde es schön zu hören, dass dir das Wissen über dieses Persönlichkeitsmerkmal Klarheit gegeben hat. Sein Verhalten oder Empfinden benennen zu können, kann einem bestimmt helfen sich selbst besser zu verstehen. Es gibt einem das ok so zu sein wie man ist. Andererseits: Sollte man sich das nicht sowieso geben ohne unbedingt einen Namen dafür zu brauchen? Aber, wenn man es, wie du sagst, „nur“ als Persönlichkeitseigenschaft sieht ist es eigentlich nicht mehr als wenn ich jemanden als „aufbrausend“ oder „launisch“ bezeichne. Nur, dass Hochsensibilität mehr Eigenschaften zusammenfasst. Korrigier mich, wenn du das anders siehst! Letztendlich denke ich, dass fast jede Persönlichkeitseigenschaft zwei Seiten hat und es letztendlich immer darauf hinausläuft zu lernen mit sich gut umzugehen! Alles Liebe, Julia 💕

      Like

      1. Hallo, Julia!

        Vielleicht ist Persönlichkeitseigenschaft doch nicht ganz das richtige Wort. Es geht nicht um einen Charakterzug, sondern darum, dass die Filter im Gehirn offener für Reize sind und was das mit einem Menschen macht (größeres Bedürfnis nach Rückzug, schnellere Ermüdung…). Das war für mich wichtig, mich selbst besser zu verstehen, weil ich immer dachte, ich müsste so wie die anderen sein, die mehr Reize aushalten. Hochsensibilität wird eher als Phänomen bezeichnet wie Hochbegabung. Aufbrausend oder launisch sein ist für mich etwas anderes. Charakterzüge eben.

        Dass man sich grundsätzlich so annehmen sollte, wie man ist, ohne eine Bezeichnung dafür zu haben, wäre das Ideal. Das gibt es in der Realität leider selten. Es fängt ja auch eher mit Feedback von außen an, dass man sich für falsch hält („Sei nicht so empfindlich! Wieso willst du nicht mitmachen?…“). Kein Mensch kommt an sich zweifelnd auf die Welt.

        Letzen Endes ist die Wichtigkeit, etwas Benennen zu können, sicher individuell. Ich bin sehr analytisch veranlagt, deshalb brauche ich das für mich. Andere kommen prima ohne zurecht. Im Netz lese ich jedoch häufig, dass Betroffene (von egal was) immer erleichtert sind, wenn sie endlich einen Namen für das haben, was sie an sich zweifeln lässt, wenn sie endlich verstehen, was mit ihnen los ist und warum sie so sind, wie sind. Ob es da nun um Hochsensibilität geht oder um Autismus oder eine psychsiche Krankheit. Für mich ist es hilfreich, weil ich abgesehen vom Verstehen besser entscheiden kann, was nun zu tun ist: Gehe ich weiter über meine Grenzen, um mich anzupassen, oder achte ich auf mich? Wenn ich weiß, dass mir das Anpassen schadet und nie zu 100% gelingen wird, weil es für mich einfach nicht möglich ist wegen der offeneren Reizfilter, kann ich es getrost lassen. Das habe ich vorher nicht erkannt und mich ständig gequält, weil ich dachte, dass ich mich nur nicht genug anstrenge. Verstehst du nun den Unterschied?

        Liebe Grüße
        Yvonne

        Gefällt 1 Person

      2. Vielen Dank für deine Antwort Yvonne!

        Ohne irgendjemanden beleidigen zu wollen, finde ich, dass es Persönlichkeitseigenschaft schon recht gut triftt. Es kommt wahrscheinlich auf die Definition an. In der Psychologie geht man davon aus, dass Persönlichkeitseigenschaften sehr stabil sind und wenn zb ein Mensch sehr leicht reizbar ist, dann zieht sich das ja auch durch sein Leben, kann ihn beeinträchtigen etc. Und im Gehirn ist auch nachweisbar, wenn man eine leicht reizbare Perönlichkeit hat. Genauso ist es bei Hochbegabung. Denn ich nutze ja auch Intelligenz als Eigenschaft, um Menschen zu beschreiben. Und ist jemand sehr intelligent (auch übrigens ein sehr vager Begriff, was man darunter versteht), dann ist es doch auch eine Persönlichkeitseigenschaft, oder? Nicht alle Persönlichkeitseigenschaften brauchen gleich viel Aufmerksamkeit. Ich will damit Hochsensibilität keinesfalls abwerten. Es ist einfach eine Anschauungssache.

        Ich finde den Satz sehr schön: „Kein Mensch kommt zweifelnd auf die Welt!“ Das trifft es zu 100% und es beschreibt so gut, was das Umfeld (auch unbewusst) mit einem macht. Denn wie du schon sagst: Es gibt kaum jemanden, der sich immer so nimmt wie er oder sie ist.

        Ich kann mir vorstellen, dass eine Bezeichnung für etwas, dass einen denken lässt „anders“ zu sein, sehr hilfreich ist. Auch ich habe schon häufig gelesen, dass Diagnosen Menschen Last abnehmen. Aber es gibt eben auch die umgekehrte Seite: Menschen identifizieren sich mit ihrer Erkrankung. Das ist gerade bei Essstörungen erfahrungsgemäßt oft der Fall. Das geht soweit, dass man nicht mehr weiß, was man ohne der Krankheit ist und man möchte dann gar nicht gesund werden. Das ist natürlich hier etwas anderes, weil man Hochsensibilität ja nicht versucht zu heilen wie viele psychische Erkrankungen.

        Bitte verstehe das alles nicht als Kritik! Ich finde es schön, dass es hier unterschiedliche Meinungen gibt.

        Liebe Grüße, Julia

        Like

      3. Hallo, Julia!

        Ja, es ist letzten Endes immer eine Frage der Definition und / oder Auslegung. So wie du es beschreibst, passt es für mich genauso gut. Und ich ich verstehe jetzt, warum es dir wichtig ist, so etwas nicht zu wichtig zu nehmen – wegen der übermäßigen Identifikation. Und das kann ich zu 100% unterschreiben! Es ist eine Gratwanderung. Gerade bei Essstörungen stelle ich mir das sehr heilungshindernd vor. Aber ebenso bei Depression und anderen psychischen Krankheiten. Hochsensibilität ist ja keine, aber dennoch kann es sich selbst beschränkend und andere sehr nervend sein, wenn man sich nur noch darüber erklärt. Das trifft aber für mich auf so ziemlich alles zu (Musikgeschmack z.B. – kann dir da Sachen aus der Metalszene erzählen… Halleluja!).

        Dass man Persönlichkeitseigenschaften wie leichte Reizbarkeit im Hirn nachweisen kann, wusste ich nicht. Interessant! Ich wollte ja eigentlich auch Psychologie (u.a.) studieren. Mich hat aber die Statistik abgeschreckt. Jedenfalls ist es dann so tatsächlich als Persönlichkeitseigenschaft zu betrachten.

        Mir hilft es einfach nur zu wissen, dass ich nicht spinne und meine Reizfilter sehr wohl durchlässiger sind und ich deshalb mehr Ruhe und Pausen brauche. Und es erklärt mir auch, warum andere all die Details nicht sehen. Ich dachte immer, die seien doof. Nun ja, es braucht nicht unbedingt immer eine Rechtfertigung dafür, dass jeder ist, wie er ist. Aber für jemanden, der immer gesagt oder gezeigt bekommen hat, dass er falsch weil anders ist, ist es irgendwie wichtig und hilfreich, eine Erklärung zu haben. Aber eben nicht, um mich jetzt als was Besonderes oder Besseres zu halten und mich darauf zu reduzieren und fixieren, sondern um Frieden zu schließen und besser auf meine Grenzen zu achten.

        Liebe Grüße!
        Yvonne

        Gefällt 1 Person

      4. Ja, es ist wirklich einfach eine Definitionssache. Und ich finde alles, was Menschen hilft legitim. Da steh ich übrigens etwas auf Kriegsfuß mit der Psychologie als Wissenschaft, die nur gelten lässt, was empirisch nachgewiesen ist (und was Statistik anbelangt: die besten Freunde werden wir wahrscheinlich nie). Letztendlich kann ich immer wieder nur betonen wie wichtig es ist, dass man lernt auf sich selbst zu hören. Alles Liebe für dich, Yvonne!

        Like

  9. Schöner Beitrag und im Grunde teile ich deine Ansicht.
    Wissenschaftlich betrachtet ist es noch nicht genau definiert. Manche meinen es sei eine Unterklassifizierung von Neurotizismus. Auch scheinen manche, wie du schon sagst, diverse Symptome mit Hochsensibilität zu vermengen. Für den Laien wohl Attribute eines Persönlichkeitamerkmals. Für manch anderen Hinweise auf eine psychische Problematik.
    Auch dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel sein sollen, sind im Prinzip Schätzungen, da noch nicht genau wissenschaftlich nachgewiesen. Manche meinen auch es seien lediglich ein bis drei Prozent hochsensibel. Das würde die Anzahl wieklicher Hochsensibler sehr minimieren.

    Was mich stört ist, dass das Thema eine Art selbstdiagnostisches Besondersseinwollen an sich hat. Manche labeln sich regelrecht damit. Auf Youtube oder Instagram. Reduzieren sich selbst auf eben nur noch dieses eine Merkmal ihrer Persönlichkeit.So hat das Ganze auch etwas von einem Hype. Wobei es zwar sehr viele Ratgeber und Selbsthilfebücher dazu gibt, die Wissenschaft dahinter jedoch noch sehr am Anfang steht. Eine ziemliche Kluft, wodurch es medial etwas aufgebauscht wirkt.

    Ich mag da lieber den Begriff feinfühlig sein. Sensibilität ist ein Spektrum mit unterschiedlichen Facetten. Warum überhaupt so zwischen Normalsensibel oder nur sensibel und hochsensibel differenzieren?

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar und diese tollen Infos!

      Mir war der wissenschaftliche Stand zu Hochsensibilität bisher nicht klar. Aber, was du schreibst ergibt schon allein deswegen Sinn, weil sich Wissenschaft auf die Störungsbilder fokussiert, die es tatsächlich als Diagnosen gibt. Und da man Hochsensibilität nicht ganz einheitlich definieren kann, wird es außen vor gelassen. Gerade als alleinstehendes Persönlichkeitsmerkmal wird es sich nicht durchsetzen. Dazu ist die Wissenschaft schon zu festgefahren. Unterform von Neurotizismus…das ergibt für mich durchaus Sinn.

      Genau dieses Selbstdiagnostische schon auf eine gewisse Art Glorifizierende stört mich auch am allermeisten. Neue Trends werden besonders gerne von populärwissenschaftlichen Autoren aufgegriffen. Ähnlich ist es auch beim Thema Achtsamkeit. Als es neu aufkam, wurde es als DIE neue Therapieform gesehen und es gab und gibt immer noch Bücher zuhauf. Ich sage nicht, dass der Ansatz schlecht ist. Auf gar keinen Fall. Aber wissenschaftlich gesehen ist er nicht besser als andere Therapieansätze und da es noch gar nicht genug Studien dazu gibt, kann man keine endgültigen Schlüsse ziehen. Den Medien ist das egal.

      Gefällt 1 Person

      1. Ich sehe da einen wesentlichen Unterschied zwischen Achtsamkeit in der psychologischen Praxis und dem Thema Hochsensibilität. Denn hierzu gibt es inzwischen Therapieformen, die sich in der Anwendung als positiv durchgesetzt haben. Allein DBT zum Beispiel. Hierbei ist ein Aspekt die innere Achtsamkeit der eigenen Gefühle, Körperwahrnehmungen etc. Die Anwendung radikaler Akzeptanz sowie diverser Achtsamkeitsübungen während emotionaler bzw. Anspannungszustände. Gibt es seit den 80ern und ist sehr erfolgreich bei Borderline, kPTBS etc.
        MBSR ebenfalls seit den 80ern praktiziert, hat auch zu guten Ergebnissen geführt. Nicht nur bei Menschen mit Depressionen oder Angststörungen, auch bei chronischen Schmerzpatienten oder an Krebs Erkrankten.

        Der Unterschied zu Hochsensibilität ist, dass es zu Achtsamkeit und Meditation schon mehrere tausend Studien gibt. Auch mit nachweislichen Veränderungen z.B. durch Meditation (findet auch Anwendung bei MBSR) im Gehirn mittels MRTs. Da unser Gehirn neuroplastisch ist, konnte nachgewiesen werden, dass sich durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis sowie Meditation neue neuronale Nervenbahnen bilden, sich das Zentum um die Amygdalla verkleinerte etc.
        Bei Hochsensibilität gibt es vereinzelte Studien hier und da, jedoch noch keine aussagekräftigen Ergebnisse.
        Da von sich zu behaupten hochsensibel zu sein, wenn selbst Professoren und Psychologen noch in ihren Schätzungen der gesellschaftlichen Prozentualverteilung an Hochsensibilität wanken (3, 5, oder tatsächlich 20 Prozent), birgt das erhöhte Risiko einem Hype aufzuspringen und sich selbst mit etwas zu labeln, das nicht gegeben ist.
        Und die meisten, so wie ich es beobachtet habe, beschäftigen sich mit diesen Aspekten nur sehr wenig bis gar nicht. Somit vermengt der Laie dann wohl extreme Schüchternheit mit Hochsensibilität, was eigentlich eine Sozialphobie wäre usw.
        Das Thema ist komplex. Doch dieses sich selbst labeln halte ich für unnötig. Das ist wie wenn man sich selbst nur noch auf das Label einer psychischen Erkrankung reduziert. Der Mensch besteht aus mehr als nur einem Charaktermerkmal oder einer Krankheit. Vielmehr dienen solche Dinge sich selbst besser zu verstehen. Wenn man sich also für feinfühliger und empfindsamer wahrnimmt, so kann man seinen Fokus darauf legen sich selbst besser zu akzeptieren, vielleicht Entspannungstechniken zu erlernen oder besser Grenzen zu setzen, wenn man dazu neigt von Stress schnell überwältigt zu werden usw.

        Gefällt 1 Person

      2. Natürlich gibt es weit mehr Untersuchungen zu Achtsamkeit als zu Hochsensibilität. Der Punkt, wo ich es vergleiche ist der, dass diese Ansätze medial sehr groß aufgegriffen werden und man da sehr vorsichtig sein muss, was beide versprechen oder was Konsumenten versprochen wird.

        Der achtsamkeitsbasierte Ansatz ist wirksam. Das ist nachgewiesen, keine Frage. Vielleicht bei manchen Störungsbildern auch besser als andere Therapieansätze. Aber an den Gesamteffekten festgemacht kann man noch nicht genau sagen, ob achtsamkeitsbasierte Ansätze tatsächlich besser sind als andere. Denn wissenschaftlich gesehen ist es so, dass sich Wirksamkeitseffekte nach einem anfänglichen Hoch mit der Zeit etwas reduzieren, bis sie sich einpendeln. Und dieses Einpendeln hat bei Achtsamkeit noch nicht stattgefunden – zumindest in der klinischen Anwendung. Daher kann zumindest die Wissenschaft noch keine endgültigen Aussagen zum Thema Achtsamkeit als Therapieansatz treffen. Die Datenlage von Meditation und Achtsamkeit mit psychisch gesunden Menschen kenne ich persönlich nicht so gut.

        Aber mal alle Wissenschaft beiseite, mir liegt immer quer im Magen, wenn Ansätze so hoch angepriesen werden und sich Menschen sehr viel davon versprechen. Vielleicht sogar dann enttäuscht sind, wenn ihnen dieser vielversprochene Ansatz nicht hilft. Weil, wenn mir das nicht hilft, was scheinbar allen hilft, verliere ich schnell die Hoffnung. Es ist super, wenn achtsamkeitsbasierte Ansätze helfen und ich bin ja auch persönlich ein Fan davon, aber genauso wie bei Hochsensibilität braucht es hier eine differenzierte Herangehensweise.

        Mit dem Labeln rund um Hochsensibilität stimme ich dir komplett zu. Ich habe auch das Gefühl, dass viele gar nicht so genau wissen, was sie damit überhaupt bezeichnen (und ehrlicherweise fällt es mir selbst total schwer). Für mich bleibt es auch ein Charaktermerkmal (unter dem man auch leiden kann) und, wie du schreibst, geht es für mich darum sich besser verstehen zu können. Wenn einem hier das Konzept Hochsensibilität hilft, warum nicht. Man sollte aber aufpassen, was man daraus macht.

        Gefällt 1 Person

  10. Da stimme ich dir zu.
    Meistens, wenn solche Dinge medial angepriesen werden, dann bauscht sich so manches auf. Und es findet schnell eine einseitige Betrachtung statt. Alles ist toll und positiv.
    So habe ich bei dem Thema um Hochsensibilität auch das Gefühl, dass es so viele Menschen anspricht, weil sich viele anders fühlen und darin eine Erklärung sehen. Auch die Möglichkeit sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Oft schon habe ich hierbei in Berichterstattungen gelesen, dass manche im Internet auf der Suche nach sich selbst waren und dann eben auf Hochsensibilität stießen.
    Wobei das Internet einem nicht sagen kann wer man ist. Auch ein Begriff bzw. Label wird das einem nicht sagen.
    So erscheint das Label dann in manchen Fällen wie eine neue Identität. Und hierbei sollte man wirklich vorsichtig sein was man daraus macht.
    So heißt es auch, dass Hochsensibiltät anfälliger für psychische Erkrankungen mache. Es kann aber auch umgekehrt der Fall sein, dass man aufgrund einer psychischen Erkrankung sensibler wird. Da wäre dann die Frage was zuerst gegeben war.

    Meine Diagnose hat mir damals in erster Linie dabei geholfen mich selbst besser zu verstehen und dann die Symptome zu managen, um den Leidensdruck zu minimieren. Doch ich identifiziere mich nicht darüber. Es ist eben eine Krankheit. Aber ich bin nicht die Krankheit. Doch wenn einem anderen der Begriff der Hochsensibilität hilft, dann ist das gut. Vielleicht zu erkennen, dass man feinfühliger sein darf, zu lernen, wenn man unter manchem leidet, wie man sich selbst manchen Leidensdruck nehmen kann. Und damit auch mehr zu sich selbst zu finden.

    Gefällt 1 Person

    1. Ich sehe das absolut genauso. Viele Menschen sind auf der Suche sich selbst besser zu verstehen und in Hochsensibilität finden viele etwas, was sie widerspeigelt. Und wie du auch schreibst, muss das nicht unbedingt schlecht sein. Orientierung ist in unserer so chaotischen Welt wichtig und wenn Hochsensibilität dabei hilft, fände ich es unsensibel (um beim Thema zu bleiben) dieses Konzept nicht anzuerkennen. Was es genau ist, woher es kommt und vor allem, was man damit macht sind die anderen Fragen, die man sich im Moment nur selbst beantworten kann.

      Gefällt 1 Person

Schreibe eine Antwort zu Pete J. Probe Antwort abbrechen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s