In meiner letzten Seminararbeit durfte ich über eine für mich sehr interessante Behandlungsmethode schreiben, die bei Essstörungen und Menschen mit einem negativen Körperbild eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um die sogenannte Körperexposition, auch Spiegel- oder Figurexposition genannt.
Was ist Körperexposition?
Der Begriff Körperexposition entstand in Anlehnung an das Expositionsverfahren, das vorwiegend bei Angst- und Zwangsstörungen eingesetzt wird. Das Prinzip hinter Exposition ist die therapeutisch geleitete wiederholte und andauernde Konfrontation mit Reizen oder Situationen, die psychische Probleme verursachen. Ein klassisches Beispiel wäre z.B. bei Höhenangst die Konfrontation mit Höhe durch das Besteigen eines Turmes. Setzt man sich solchen Situationen wiederholt aus, werden körperliche sowie psychische Reaktionen vermindert auftreten, mit dem Ziel die zuvor, aufgrund der Angst, gemiedenen Situationen ohne Probleme aufsuchen zu können. Soweit die Theorie. Praktisch ist das natürlich nicht immer so einfach.
Auf jeden Fall ist bei Menschen mit Körperunzufriedenheit nun der eigene Körper das Vermeidungsobjekt mit dem es sich zu konfrontieren gilt. Ich kenne dieses Vermeidungsverhalten sehr gut. Ich trage weite Kleidung, um meinen Körper nicht wahrnehmen zu müssen. Ich mag es nicht mich zu bewegen, weil ich dann meinen Körper spüre. Ich meide den Blick in den Spiegel. All das soll nach der Körperexposition der Vergangenheit angehören oder zumindest vermindert auftreten.
Wie läuft eine Körperexposition ab?
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen. Die, die mir bei meiner Recherche am häufigsten untergekommen ist, ist folgende: Probandinnen (leider ist dieses Verfahren fast ausschließlich bei Frauen erprobt worden) mit oder ohne Essstörungen, aber mit einer hohen Körperunzufriedenheit, müssen sich in therapeutischer Begleitung vor einen Ganzkörperspiegel stellen und ihr Spiegelbild von allen Seiten neutral betrachten. Einfach nur dastehen und wahrnehmen. Stellt man sich zu Beginn meist noch in normaler Alltagskleidung hin, steigert sich die Konfrontation später, indem man sich in einem figurbetonten Gymnastikanzug vor den Spiegel stellt. Manchmal werden die Frauen auch aufgefordert positive körperliche und persönliche Eigenschaften während der Konfrontation mit ihrem Spiegelbild zu benennen.
Wie wirksam ist Körperexposition?
Bisher erscheinen Untersuchungen zur Körperexposition positive Ergebnisse zu liefern. Es hilft eine starke kritische Stellung gegenüber seinem Körper abzubauen und seinen Körper neutraler zu sehen. Bei manchen Untersuchungen stieg die Körperzufriedenheit stark an. Bei verschiedensten Formen der Essstörung reduzierten sich negative Emotionen, Anspannung, Traurigkeit, Unsicherheit und Ekel.
Meine Meinung zu Körperexposition
Ich halte dieses Verfahren für einen tollen Ansatz, der eigentlich so gut wie allen Menschen guttun würde. Denn mal ehrlich: Wer ist denn heutzutage zu 100% mit seinem Spiegelbild zufrieden? Ich denke auch, dass es sehr gut selbst durchzuführen ist. Vor den Spiegel stellen und im Sinne der Achtsamkeit seinen Körper wertfrei betrachten. Zu Hause hat es den Vorteil, dass man es sogar nackt machen kann, was natürlich noch eine Stufe intensiver ist. Diese Übung ist nicht leicht und ich habe sie schon einige Male versucht und hab es jedes Mal nicht lange ausgehalten. Ich weiß aber, dass es funktioniert. Das führe ich darauf zurück, dass ich mein Gesicht von meinem Körper am liebstem mag, weil ich es im Spiegel am häufigsten sehe. Wir gewöhnen uns an das, was wir häufig sehen.
Natürlich ist die Körperexposition kein Allheilmittel und falsch ausgeführt kann es sogar sehr schädlich sein. Zum Beispiel ist es bei einer Essstörung oft schon zwanghaft sich vor den Spiegel zu stellen und seinen Körper zu „checken“. Da denke ich nicht, dass man sich plötzlich hinstellt und beim Anblick seines Körpers völlig neutral bleibt. Hier müsste die Übung unbedingt unter therapeutischer Anleitung durchgeführt werden.
Ich werde aber definitiv weiter versuchen diese Übung durchzuführen, weil ich davon überzeugt bin, dass mein Körper es nicht verdient hat von mir gehasst zu werden!
Kanntet ihr dieses Verfahren und was haltet ihr davon? Könnt ihr euch vorstellen diese Übung selbst durchzuführen?
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Liebe Julia,
Danke für deinen Beitrag! Mir war dieser Therapieansatz bereits bekannt, aber ich kenne niemanden, der ihn schon ausprobiert hätte. Ich finde es wichtig, dass du die Gefahr ansprichst, dass manche Betroffenen schon viel zu viel Zeit (kritisch) vor dem Spiegel verbringen und da ein Alleingang sicher nicht empfehlenswert ist.
Den Gedanken, dass du dein Gesicht am liebsten magst, weil du es am meisten siehst, war mir neu – hatte ich so noch nie gedacht, aber klingt sinnvoll!
Schön, dass du dich der Übung stellst! 🙂
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Vielen Dank, Jeca! Ich denke, dass man immer vorsichtig sein muss, wenn man therapeutische Übungen selbst durchführt. Deshalb mag ich es auch nicht irgendwelche Tipps zu geben oder zu sagen „Mach das, dann geht es dir besser!“. Ich erzähle von Möglichkeiten und meinen persönlichen Erfahrungen. Wenn jemand daraus etwas mitnehmen kann, ist das toll, aber keiner sollte sich schlecht fühlen, wenn es nicht klappt! Es sind Anregungen, keine Lösungen!
Ich meine sogar mal gelesen zu haben, dass die Mehrheit der Menschen ihr Gesicht am hübschesten finden aufgrund der ständigen Konfrontation.
Liebe Grüße
Julia
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Ich denke das Verfahren kann durchaus wirken und ist ein toller Ansatz vor allem wie du sagst achtsamer mit sich selbst umzugehen. ich finde dabei kommt es auch gar nicht so darauf an sich selbst unbedingt positiv zu sehen sondern einfach zu erkennen – hey das ist MEIN Körper. Das ist keine fremde, unansehnliche Kreatur die ich verabscheuen kann, das bin ICH. Und so sehr manche psychischen Krankheiten einem einreden, dass man sich selbst nicht leiden kann, glaube ich doch dass wir uns selbst nie wirklich hassen können. Deswegen stell ich mich manchmal vor den Spiegel und ziehe bewusst lächerliche Grimassen um meinem Kopf klar zu machen, dass das ich bin die ich da sehe. Und das ich die ganze Zeit so aussehe und dass das vollkommen in Ordnung ist, denn das ist ein Teil von mir. Und kein Teil von mir oder dir selbst ist jemals inhärent schlecht. Ich hoffe das macht soweit Sinn 😉
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Ich denke auch, dass es, vor allem am Anfang, erstmal wichtig ist zu akzeptieren wie man aussieht. Eine Therapeutin hat mal zu mir gesagt: „Ich muss meinen Körper nicht lieben, aber einfach akzeptieren, dass es die Hülle ist, die mich am Leben hält und deshalb muss ich mich gut um ihn kümmern.“
Das Grimassen ziehen macht das Ganze zum einen witziger und zweitens bekommt man dann auch Feedback. Ich habe das auch etwas gelernt durch das Filmen von den Videos für YouTube. Da sehe im mich auch in Bewegung und nicht nur in Momentaufnahmen wie auf Fotos. Denn ein Foto zeigt mir leider nicht meinen Körper wie er durchs Leben geht. Vielleicht ein Spiegel auch nicht, aber er ist deutlich näher dran.
Übrigens finde ich es richtig toll von dir, dass du immer so fleißig kommentierst! Das bedeutet mir wirklich sehr sehr viel! ❤
Liebe Grüße
Julia
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danke für deinen Beitrag. Davon hatte ich tatsächlich noch nichts gelesen. Hört sich sehr interessant an. Lieben Gruß. E.
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Sehr gerne! Freut mich, dass ich dir das Thema etwas näher bringen konnte! Alles Liebe, Julia
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Liebe Julia,
ich habe dieses Verfahren auch durch, in der Therapie wie im alltäglichen Leben. Geholfen hat es mir in meiner schlimmsten Zeit nicht. Ich wurde immer unzufriedener, aber sagte meiner Therapeutin das gewünschte Gegenteil.
Abgelöst von einer Therapie stellte ich mich diesem Verfahren im Alltag, eher unbewusst. Kein Druck, keine zwanghafte Meinung. Nur mein Gefühl und ich. Das wirkte im Laufe der Zeit sehr positiv. Auch wenn ich etliche Jahre inaktiv bin, stelle ich mich meinem Spiegelbild jeden Tag aufs Neue skeptisch.
Es beginnt schon beim Schminken. Ich konnte mich ohne Farbe in Gesicht und Haaren nicht ertragen. Ich fand mich häßlich wie die Nacht. Systematisch ließ ich das Färben der Haare und vor gut 3 Wochen das Schminken generell sein. Das Gefühl, mich wirklich im Spiegel zu sehen, war seltsam. Aber das bin ich nun mal. Mittlerweile genieße ich die Vorteile dieser Natürlichkeit.
Ein toller Beitrag von dir, den ich später gern auf meinem Facebook-Profil teilen werde.
Recht hast du mit all deinen Worten.
Alles Liebe 😘
Michaela
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Vielen Dank für deine lieben Worte, Michaela! Das ist ein interessanter Punkt, den du ansprichst, weil selbst ein Therapeut nicht sicher gehen kann, dass es funktioniert. Denn gerade bei Essstörungen wollen es die Patienten den Behandlern oft recht machen. Das kenne ich von mir auch!
Ich finde es toll, dass du dich der Herausforderung gestellt hast dein Spiegelbild so zu sehen wie es ist und es zu akzeptieren. Das ist, wie du schon schreibst, eine Lebensaufgabe, die wahrscheinlich für die wenigsten jemals komplett abgeschlossen ist!
Ich bin dir für deine Unterstützung immer sehr dankbar! Alles Liebe, Julia ❤
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Hallo Julia,
in der psychosomatischen Klinik,i
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* in der ich dieses Frühjahr war, haben sie u.a einen Behandlungsschwerpunkt auf Essstörungen. Dort habe ich mitbekommen, wie einige Mitpatientinnen von der Essstörungsstation von ihrer Spiegel-Exposition berichtet haben. Sie beschrieben es als sehr intensives, aber auch hilfreiches Verfahren. Dort lief es wohl so ab, dass die Betroffenen in Begleitung ihrer Therapeutin bis auf die Unterwäsche nackt vor dem Spiegel standen und dann gemeinsam über auftretende Gedanken und Gefühle gesprochen wurde.
Ich stelle mir das als wirklich intensive Therapieerfahrung vor, aber das ist ja auch der Sinn einer Expo bzw. so kenne ich es von meinen Expositionen gegen die Zwänge.
Gut, dass du darüber geschrieben hast.
Viele liebe Grüße
Nelia
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Vielen Dank, dass du das mit uns teilst! Ich kann mir vorstellen, dass die Spiegel-Exposition sehr intensiv ist. Ich war ja wegen meiner Essstörung auch in stationärer Behandlung, habe das aber leider nie gemacht. Expo ist inteniv und deshalb ist es bestimmt wichtig, dass ein Therapeut dabei ist. Ich habe ja selbst gesehen, dass beim alleinigen Durchführen der Übung die Gefühle bei mir überhand genommen haben. Alles Liebe, Julia
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