Ich habe die erste Uni-Woche in meiner neuen Umgebung so gut wie hinter mir und ich muss sagen, dass es noch immer sehr schwierig ist (ja, ich weiß schon: ich brauche etwas mehr Geduld, aber das war noch nie meine Stärke). 😉 Ich habe dazu in meinem letzten Beitrag „Warum mache ich das immer wieder? – Von Neuanfängen, Ängsten und Zweifeln“ mehr gejammert…ähm…ich meine natürlich…geschrieben.
Was zu all meinen Zweifeln noch dazu kommt ist, dass ich im Moment keinerlei professionelle Hilfe erhalte. In meinem Bachelor-Studium hatte ich mir (nach sehr langem Ringen mit mir selbst) therapeutische und medikamentöse Hilfe gesucht, da ich mit meiner depressiven Symptomatik absolut nicht mehr zurecht gekommen bin. Mit dem Ende meines Bachelor-Studiums kamen auch diese beiden Behandlungen zu einem Ende und ich habe seit ungefähr vier Monaten meine Medikamente abgesetzt und ungefähr seit dem gleichem Zeitraum meine Verhaltenstherapie abgeschlossen. Das war für mich übrigens die erste ambulante Therapie, die ich so richtig durchgezogen habe! Dafür darf ich mir schon mal auf die Schulter klopfen! 🙂
Nun sitze ich aber wieder da und bin unsicher, ob ich mir Unterstützung holen soll. Natürlich würden mich gerade Medikamente schnell aus diesem dunklen Loch rausholen oder zumindest stabiler machen. Aber da ich sehr gut weiß, dass Antidepressiva nicht immer und vor allem nicht langfristig die Lösung sein können, möchte ich das eigentlich nicht. Ich lehne Medikamente nicht ab und weiß, dass bei vielen psychischen Erkrankungen eine medikamentöse Behandlung unbedingt notwendig ist. Aber ich weiß auch, dass es in meinem Fall einfach die tatsächliche Problematik nicht trifft. Andererseits habe ich in meinem Psychologiestudium gelernt, dass dieses biologische Ungleichgewicht in meinem Kopf immer wieder zurückkommen kann und Medikamente notwendig sein können, um ein gesundes Gleichgewicht herzustellen. Ihr seht, ich bin sehr unentschlossen.
Ähnliche Zweifel habe ich bezüglich einer Psychotherapie. Ich bin davon überzeugt, dass mir eine Therapie helfen würde, wenn es darum geht mich einer vertraulichen Person anzuvertrauen. Andererseits rühren hier meine Zweifel daher, dass ich mir nicht sicher bin, ob mich eine Therapie tatsächlich weiter bringt. Es muss doch möglich sein, dass ich mein bereits vorhandenes Wissen auch ohne Therapie einsetze. Ich kenne viele Strategien, die mir helfen würden und für die Umsetzung bin ich allein verantwortlich. Und genau darum geht es: Verantwortung! Ich weiß nicht, ob ich eine Therapie brauche, um die Verantwortung auf jemand anderen schieben zu können. Denn das bringt mir langfristig genauso wenig wie die bisherige Therapie. Denn die letzte Therapie hat mir sehr geholfen – aber nur im aktuellen Moment. Es hat für mich keine grundlegende Veränderung gebracht. Wobei ich hier auch einwerfen muss, dass ich immer viel zu hohe Erwartungen habe.
Das ist zusammengefasst der Wirr-Warr, der mir gerade durch den Kopf geht. Dabei komme ich mir auch noch sehr heuchlerisch vor, denn ich predige immer wie wichtig es ist sich Hilfe zu holen und dass es dafür keine Diagnose braucht, sondern es ausreicht, wenn man Leid empfindet, das einem unüberwindbar erscheint. (Soweit zumindest meine Ansicht. Die Krankenkassen sind da leider etwas anderer Meinung.) Aber es gibt einen Unterschied zwischen „Ratschläge geben und Ratschläge bekommen“. Wir alle geben anderen viele Ratschläge und, ich denke, die Person, die all ihre Ratschläge tatsächlich selbst umsetzt, ist die große Ausnahme. Ich will mir nicht auch noch dafür Vorwürfe machen, dass ich vielleicht nicht das tue, was richtig erscheint. Was ich aber mit diesen Zeilen sagen will ist, dass die individuelle Geschichte meist viel komplexer ist, als jede rationale Ansicht.
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Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, klingt immer so grundlegend und einfach, ist aber meiner Meinung nach eines der schwersten Dinge in einer Gesundungsgeschichte. Ich habe auch in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, dass es mir viel zu oft passiert, dass ich es mir in meiner Störung „gemütlich mache“. Die Störung kennt man ja, das gibt Sicherheit. Aber ich denke auch, ein guter Therapeut hilft einem dabei, so etwas zu reflektieren und unterstützt beim Wachrütteln anstatt nur Methoden zu lehren. Ich bin ganz dankbar, dass mein Therapeut mir vor allem dabei hilft, Gedanken zu hinterfragen, die ich allein schon als selbstverständlich sehe. Zum Beispiel, dass es vielleicht gar nicht hilfreich ist, wenn ich mich ständig von meinem Freund unterstützen und auffangen lasse, anstatt unangenehme Gefühle auszuhalten und mich selbst etwas zutrauen… Deshalb denke ich, der richtige Therapeut lässt nicht zu, dass man Verantwortung an ihn abschiebt, sondern macht dich auch regelmäßig darauf aufmerksam, dass du die Verantwortung selbst tragen musst (und auch *kannst*!) und das kann sehr hilfreich sein.
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Es sich in seiner Störung gemütlich machen – das bringt es genau auf den Punkt! Und du hast schon recht: Eigentlich sollte ein Therapeut ja erkennen, wann man versucht Verantwortung abzugeben und einem genau das aufzeigen. Wahrscheinlich sind meine Zweifel von Ängsten genährt, die Veränderung fürchten. Ok, der Satz klingt jetzt schon sehr Yogi-mäßig, aber ich hoffe du verstehst, was ich meine. 😉
Liebe Grüße
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Ich kann Josi oben nur zustimmen. Und ich denke auch nicht, das ein Therapeutenbesuch ein Abschieben von Verantwortung wär.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, wie man so schön sagt. Die Methoden, die du erlernt hast, auch anzuwenden ist gar nicht so einfach wie man denkt. Es braucht Zeit und Übung und auch immer wieder jemanden der einen warnt, wenn man doch wieder in alte Verhaltensmuster abrutscht. Ausserdem sehe ich immer noch den Patienten selber, als denjenigen der die Arbeit in einer Therapie leistet. Du bekommst nur feste geregelte Termine dafür und Beistand und Hilfe. Da ist keine Schande dabei.
Ich persönlich denk immer wieder: ach brauch ich das eigentlich noch?! Was soll ich meiner Therapeutin denn heute schon wieder erzählen? Ist doch alles gut! Aber dann merk ich, wie ich wieder eine Stunde vor mir her sprudele und bin dankbar für den „Lebenscoach“ wenns schon keine Anleitung zu diesem Abenteuer Leben gibt.
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Ich kenne das, was du beschreibst recht gut. Es gibt immer irgendwas, auch wenn man glaubt schon alles gesagt zu haben. Und eigentlich weiß ich auch, dass ein Therapeut nie die Arbeit macht. Man muss es schon selber tun. Es ist wahrscheinlich mehr Angst, die mich zweifeln lässt. Obwohl ich rational weiß, dass ich keine Angst zu haben brauche. Aber, wann ist das Gehirn schon rational. 😉
Alles Liebe, Julia
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Hahaha ja in der Tat! Das Gehirn vielleicht schon noch am ehesten im Vergleich zu Herz und Bauch 😉
Ich hoff, du findest den Weg der für dich passt. Und Angst haben kenn ich. Glaub wir alle. Die meisten gebens nur nicht so offen zu 🙂 aber meist kommts eh ganz anders als gedacht bzw befürchtet
Ebenso alles Liebe!
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Ich denke, es ist schon verantwortungsvoll Deinerseits, daß Du diese Dinge so rational wie möglich abwägst. Und wünsche Dir eine gute Entscheidung.
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Da hast du recht! Vielen Dank! Liebe Grüße
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Hallo Julia,
wie schon so oft reduziert sich das ganze Problem wieder mal auf die Angst.
Dadurch eben dieses häufige `Vermeidungsverhalten´ beim Umsetzen von Entscheidungen. Und wenn sich das alles `aufstaut´ erzeugt das `Stress´ ohne Ende und führt zu diesem `Gedankenkarrusell´, aus dem du nicht herauskommst.
Ich weiß nicht, ob du meine Begriffe nachvollziehen kannst…
LG
Jürgen aus Loy (PJP)
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Du beschreibst es recht gut, lieber Jürgen. Viele Grüße
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Leider richten sich die Erkenntnisse der Psychologie soz. nur auf die Symptomatik bzw. die Erscheinungsformen der Psyche. Und was den STRESS betrift, von dem ich rede, der ist mit psychologischen Begriffen nicht zu erklären und es reicht hier nicht aus, die neurophysiologischen Zusammenhänge zu erklären.
Jedenfalls ist WISSEN immer noch die beste Medizin, wie Dr. Wimmer immer sagt. Ich weiß nicht, ob du den kennst, aber der ist wirklich gut und erklärt alles.
So, jetzt hab ich meinen Senf nochmal dazu gegeben 🙂
Wünsch dir `ne gute Woche!!
Jürgen aus Loy
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Das klingt interessant! Aber welche Aber, was für eine besondere Form von Stress meinst du dann? Dass es nicht hilft nur die Zusammenhänge oder das Konstrukt Stress zu verstehen ist mir klar. Trotzdem fände ich es spannend, wenn du mir nochmal konkret erklärst, welche Art von Stress du meinst. Liebe Grüße, Julia
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Ich habe Probleme, mich schriftlich auszudrücken und will noch kurz erklären, was ich meine:
Es geht eigentlich nur darum, zu verstehen, wie Stress in deinem Körper funktioniert (Stichwort Stressachse), weil man mit diesem Wissen eine andere Sicht darauf bekommt bzw. auch therapeutisch einwirken kann. Und das betrifft soz. alle Formen psychischer Erkrankungen, weil sie alle damit einhergehen. Du hast vielleicht in deinem Studium mehr erfahren über Neuroendokrinologie bzw. auch Psychoneuroendokrinologie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Psychoneuroendokrinologie
Ich melde mich später noch per mail, weil heute ein besonderer Tag ist 🙂 :
https://4alle.wordpress.com/2018/10/20/my-5th-the-day-after-2/
Schönes W`ende!!
Jürgen aus Loy (PJP)
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Vielen Dank für deine Antwort! Ok, jetzt verstehe ich etwas Genauer, was du meinst. Und nachträglich alles Gute an Baxxter! 🙂
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