„Ich war depressiv!“ vs. „Ich bin depressiv!“ – Warum wir den Mut finden sollten unseren Mund aufzumachen, wenn es uns schlecht geht

„Also vor 10 Jahren war ich in einer richtigen Krise! Ich hatte Depressionen, keine Freunde, keine Hoffnung und ohne meinen Therapeuten hätte ich diese Zeit nicht überstanden! Es ist ein Wunder, dass ich heute hier vor dir stehe!“

Was würdet ihr gegenüber einer Person empfinden, die euch das erzählt? Würdet ihr Bewunderung verspüren? Diesen Menschen als stark beschreiben? Würdet ihr es vielleicht arrogant finden?

Also ich wäre definitiv im Team Bewunderung! Wenn jemand durch eine harte Zeit gegangen ist und trotzdem nicht aufgegeben hat, finde ich das toll und sehr stark! Was wäre jedoch, wenn man dieses ganze Szenario in Präsens setzen würde? Wenn es der Person jetzt nicht gut gehen würde? Meine Gefühle gegenüber der Person würden sich wandeln – wahrscheinlich in Mitleid und ich hätte das Bedürfnis ihr helfen zu wollen!

Das was ich hier beschreibe ist ein Kern-Problem der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und durch eine kürzlich geführtes Gespräch ist mir erst klar geworden welch große Rolle das in meinem Leben spielt.

Es gibt viele Menschen, die versuchen durch ihre Erfahrungen anderen Menschen zu helfen, die gerade in ähnlichen Situationen sind. Auch ich möchte gerne eine solche Person sein. Das Problem? Ich kann nicht sagen, was ich gemacht habe, damit es mir besser geht, weil es mir noch nicht besser geht.

Für mich wäre es nicht so schlimm über meine Erfahrungen mit Therapie und Klinikaufenthalten zu erzählen, wenn ich wüsste das Ganze ist bereits vorbei – liegt im besten Fall Jahre zurück. „Jetzt bin ich ja wieder ´normal´. Jetzt kann ich darüber reden ohne, dass die Leute schlecht über mich denken.“ Das ist ein trauriger Gedankengang, aber so ist es nun mal. Ich wünschte es wäre einfacher über seine Probleme im Jetzt zu sprechen.

Ich möchte aber noch betonen, dass dieses Phänomen bestimmt nicht auf alle Erfahrungen, die man in der Vergangenheit gemacht hat, zutrifft. Ich denke hier z.B. an Traumata. Aber in meiner Situation ist es so, dass ich wesentlich einfacher über vergangene Probleme erzählen kann als dass ich sage „Mir geht es jetzt gerade nicht gut!“

Warum? Weil dann meist genau das eintritt, was ich oben beschrieben habe. Die Leute verhalten sich dann anders mir gegenüber. Meistens wollen sie mir helfen, was dann oft in einem Kreislauf endet, wo mir die Person Vorschläge macht, was ich denn ändern könnte und ich es immer ablehne, weil ich darin ein neues Problem sehe.

Ich will hier auch nicht sagen, dass es leicht ist über seine Vergangenheit zu sprechen. Ich mache es selber kaum, aber was ich mit diesen Worten sagen möchte ist, dass sich die Einstellung der anderen Menschen dir gegenüber verändert, wenn etwas im Moment oder bereits vergangen ist. Und ich kann es den Menschen nicht einmal verübeln. Ich würde selbst wahrscheinlich so reagieren, dass ich dem anderen helfen möchte und vielleicht wünscht sich das die Person ja auch. Dann ist es bestimmt das Beste zu fragen, was die Person jetzt gerade braucht.

Ich habe auch gerade gar keine Ahnung, ob dieser Text Sinn ergibt (inhaltlich und grammatikalisch), da mein Kopf gerade ziemlich leer ist. Zum Abschluss möchte ich aber noch sagen: Von überstandenen Krisen zu berichten ist genauso bewundernswert wie wenn man über seine momentanen Krisen erzählt! Und auch wenn man nicht darüber redet ist es mutig sich jeden Tag seinen Herausforderungen zu stellen!


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37 Gedanken zu “„Ich war depressiv!“ vs. „Ich bin depressiv!“ – Warum wir den Mut finden sollten unseren Mund aufzumachen, wenn es uns schlecht geht

  1. „Es gibt viele Menschen, die versuchen durch ihre Erfahrungen anderen Menschen zu helfen, die gerade in ähnlichen Situationen sind. Auch ich möchte gerne eine solche Person sein“.
    Deshalb lese ich regelmäßig deine Artikle und bin stets überrascht über immer neue Perspektiven deiner Lebensprobleme. An eine Stigmatisierung deiner Depression glaube ich nicht, weil jede(r) solche Phasen durchmacht und genau wegen deiner Begründungen nicht darüber redet. Und wenn du den Anfang machst zu reden, hilfst du meistens nicht nur dir selbst.
    Außerdem ist das ein weites Feld, weil keiner genau weiß, was Depressionen sind, bzw. wie sie funktionieren und was wirklich hilft.
    Ich sag mal, dein Weg ist das Ziel. Und es wird dich irgendwann erreichen!!
    Schönen Sonntag!
    Jürgen aus Loy (PJP)

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    1. Vielen Dank für deine lieben Worte, Jürgen! Ich spreche ja im Internet relativ offen über meine Probleme. Das in die „reale“ Welt zu übersetzen ist der nächste Schritt, den ich hoffentlich bald gehen werde.
      Ich wünsche dir einen guten Start in die Woche!

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  2. Ich weiß nicht, ob ich das so ungestraft sagen darf…
    Ich glaube, bei mir stellt sich bei einer solchen Aussage eine Art Genervtheit ein, von wegen „wieder jemand, der sich wichtig machen will“.
    Grund ist zum einen der Gedanke „Was, die kann man auch wieder los werden?!“, zum anderen verbinde ich diese Form des Überwindens mit der Rückkehr in eine pseudo-glückliche Realität, und da muss ich dankend ablehnen. Ich empfinde das nicht als etwas, was Freude bringt.
    Anderer Faktor ist auch noch, wenn man depressiv ist und das einen Grund hat.
    Viele sind nämlich auch depressiv, weil sie an einer ziemlich bekannten Zvilisationskrankheit leiden, die keiner gerne hören mag: Der Mensch hat ein viel zu großes Gehirn, welches aber in seiner sicheren Umgebung regelrecht unterbeansprucht ist. Darum gerät er irgendwann über Gott und die Welt ins Grübeln, auch ohne dass es einen sinnvollen Grund gibt, und aus dieser Gedankenspirale kommt er dann nur beschwerlich wieder heraus… (Könnte jedenfalls auf die zutreffen, die mit ständigen Grübeleien ihre Probleme haben.)
    Weiß nicht, ob das ignorant klingt… Wären jedenfalls meine Gedanken dazu.

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    1. Ich finde erstmal jeden Gedanken dazu in Ordnung. Somit vielen Dank für deine Meinung!

      Ich kann nachvollziehen, dass solche Aussagen eine gewisse Genervheit hervorrufen. Auch bei mir schwingt hier, je nach Kontext, auch noch etwas anderes als positive Reaktionen mit. Deshalb hab ich ja auch die Frage gestellt, ob es arrogant klingen könnte.

      Und du hast schon recht, dass wir mit unserem komplexen Gehirn viele Probleme haben, an die Tiere nicht mal denken. Allerdings glaube ich nicht, dass es daran liegt, dass wir unterbeansprucht sind. Ich wüsste nämlich nicht wie wir unser Gehirn belasten sollten, um einer vermeintlichen Unterbeanspruchung zu entkommen. Wir sind nun mal so weit entwickelt, dass wir über alles nachdenken können und das bringt Probleme mit sich. Da kann ich mich belasten wie ich möchte. Wir müssten, meiner Meinung nach, zurück zu einer primitiveren Lebensform mit einem primitiveren Gehinrn, um dem Ganzen zu entkommen, wenn man in diese Richtung denkt.

      Und vielleicht ist es ja gar nicht schlecht in einer „pseudo-glücklichen Realität“ zu leben. Wenn es einem damit gut geht, dann ist das ok. Glück und Zufriedenheit sind ohnehin subjektive theoretische Konzepte und DIE Realität gibt es nicht.

      Ich hoffe ich habe nichts von deinen Worten falsch ausgelegt (falls doch, korrigiere mich bitte).

      Liebe Grüße

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      1. Ich denke mal, die Genervtheit kommt daher, weil es teilweise, bei manchen Personen, wie eine Modeerscheinung wirkt, über psychische Probleme zu reden. Vorher war es halt gemeinsamer Konsens, darüber zu schweigen, jetzt ist es Konsenz, darüber zu sprechen… Und wenn es übermorgen gesellschaftliche Sitte wäre, sich zuzudröhnen, dann würden da einige auch mitmachen, nur um halt „dabei“ zu sein, um Aufmerksamkeit von der Gruppe zu kriegen.

        Primitivere Lebensweise – soweit wie mein Eindruck geht, kann es sein, dass es in etwa das wäre, was dem Menschen gut täte (ohne das jetzt verherrlichen zu wollen!).
        Es wäre eine Lebensweise, die mehr zu den naturgegebenen Instinkten, die dem Menschen von der Natur noch mitgegeben wurden, passen würde.
        Mit einer zu sicheren Lebensumgebung richten sich diese Instinkte nämlich auf andere Dinge – sie verschwinden ja schließlich nicht. Das wären aber solche, zu denen diese Instinkte gar nicht passen würden.
        Ich denke jedenfalls, dass das bei einer ebenfalls großen modernen Seuche mit Namen „Ängste“ so ist. Es hat halt nicht jeder die überforderte jähzornige Mutter im Kopf, die einem eine klebt, wenn man sich in ihren Augen bei etwas „zu dumm anstellt“, bei der die gefühlte Angst einen sinnvollen Grund hat.
        Es gibt da, mitunter, auch viele gar nichts im Kopf und sie haben Angst vor irrationalen Dingen, die sie nie berührt haben, die noch nicht einmal in ihrer näheren Umgebung existieren oder Wahrscheinlichkeiten haben, einzutreffen. Oder sie haben vor solch primitiven Dingen eine ausgeprägte Angst (z. B. Dunkelheit), wo man sich als Außenstehender fragt „Worum geht’s hier? Was soll das bezwecken?“.
        Das ist so das, wo ich meine, dass die moderne Lebensweise mit hinein spielt – der Mensch lebt in einer für ihn zu sicheren Umgebung.

        Völlig schlecht reden will ich die pseudo-glückliche Realität nicht! Nicht zu jedem passt der Lebensstil, sich stetig mit unangenehmen oder anstrengenden Dingen herumzuplagen – mental, als auch intellektuell.
        Keine Ahnung, ob man sich da vielleicht als komplex-PTBSler outet, indem, dass man das „doof“ findet oder für nicht erstrebenswert erachtet – jedenfalls, für mich wäre das nichts, wegen dem schönen Schein und sich dümmer machen als man ist. Ich verbinde das eher mit Flucht als mit „nach vorne sehen“.

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      2. Du hast recht, zum Teil und vor allem online werden psychische Erkrankungen immer häufiger zu „Modeerscheinungen“. Allerdings gibt es bestimmt noch genug Menschen, die in ihrem Alltag über ihre psychische Erkrankung schweigen. Ich bin da das beste Beispiel.

        Wahrscheinlich wäre ein zurück zu einfacheren ursprünglichen Lebensweisen ideal. Leider ist das meiner Meinung nach nicht möglich. Dafür ist der Mensch schon zu weit in seiner Entwicklung vorangeschritten, was eben nicht nur gut ist.

        Ich stimme zu, dass Ängste sich in unserer modernen Welt andere Wege suchen. Und wahrscheinlich liegt es, wie du schreibst, an einer zu sicheren Umgebung im objektiven Sinn. Mir ist aber auch noch wichtig zu sagen, dass solche irrationalen Ängste nicht weniger ernst zu nehmen sind als „tatsächliche“ Ängste.

        Mmh ich verstehe schon, was du meinst. Ich glaube aber, dass sich jeder seine eigene Realität aufbaut und somit leben wir doch alle in einer Art Scheinwelt, oder? Wir wissen alle nicht, was Realität bedeutet, vielleicht gibt es sie gar nicht. Ok, jetzt wird es sehr philosophisch. Aber, was ich damit sagen will, ist, dass es nichts damit zu tun hat dumm zu sein oder sich nicht mit Unangenehmen auseinander setzen zu wollen, es ist einfach eine Art der Weltanschauung von so vielen in einer, um den Begriff noch mal zu zitieren, „pseudo-glücklichen Realität“ zu leben. Zumindest empfinde ich das so.

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      3. Kann sein, dass ich gerade das vor Augen habe… Online solidarisiert sich heutzutage jeder Idiot mit dem noch so absurdesten Mist, aber wenn es dann darauf ankäme, das in der Realität auch so gleich zu tun, dann machen es viel weniger, weil es u. a. dafür nicht gleich die gewünschte Aufmerksamkeit gibt wie im Netz.

        Naja, ich würde den begriff „primitivere Lebensweise“ dabei sehr relativ sehen. Man muss nicht gleich wieder zu den Höhlen und auf die Bäume zurückkehren… Manchmal reicht ja allein schon, die tägliche Informationsflut zu reduzieren und den Menschen weniger Pflichten und Zwänge von außen aufzuerlegen (es klingt wahrscheinlich etwas dumm, aber vieles davon ist wirklich kulturell gemacht – andere Kulturen haben andere Pflichten und Zwänge, und wenn man sich dem mal allen entzieht, fällt einem auf, der gefühlte Weltuntergang, so wie eingeredet, findet doch nicht statt; wofür hetzt man sich also für diese ganzen Erwartungen ab?).
        Auch davon werden Menschen auf Dauer krank, wenn die Maschen im Netz einfach zu eng werden…

        „Scheinwelt“ ist noch etwas anderes als „eigene Realität“. „Eigene Realität“ bedeutet den Ausschnitt der Realität, den man aus seiner Position im Gefüge heraus wahrnimmt. „Scheinwelt“ hingegen ist, dass man etwas so malt wie es sachlich gar nicht ist. Und das kann soweit gehen, dass es eine völlige Fantasiewelt ist, zu der die Realität noch nicht einmal irgendwas an Inhalt für her gibt – das ist z. B. wenn man in einer Welt aus Regenbögen und Einhörnern lebt, wo die totale Harmonie herrscht, unter Einschluss dessen, dass man darüber hinaus den Kopf gar nicht mehr in die Realität hinausstreckt.
        Sozusagen – ich glaube, „Verklärung“ ist ein gutes Stichwort dazu. Man blendet irgendwas aus, was man nicht sehen oder hören will.
        Bei der eigenen Perspektive der Realität ist das zwar auch etwas enthalten, aber in der Regel nie so stark, dass sich derjenige darüber hinaus nicht trotzdem mit dem objektiven Teil der Realität oder den Perspektiven von anderen beschäftigt.
        Und sollt’s doch dazu kommen, zu verklärerischen Tendenzen, dann wird’s einem auf die Dauer nicht gut tun, weil man mit diesem Tunnelblick und dieser Entstirnigkeit schnell in Konflikte geraten wird…

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      4. Ich finde es klingt gar nicht dumm, wenn du sagst, dass viele unserer Probleme durch unsere Kultut entstehen. Das sehe ich genauso. Und wahrscheinlich wäre es der richtige Weg hier einen Schritt zurückzutreten. Das ist auf individueller Basis auch möglich, wenn man das wirklich möchte. Aber das für die gesamte Menscheit umzusetzen, kann ich mir nicht vorstellen. Das wird nicht funktionieren, weil viele Menschen in unserer westlichen Welt nach Fortschritt streben und sich nicht so einfach zu einem „Rückrschritt“ bewegen lassen. Vielleicht sehe ich das Ganze auch zu pessimistisch, aber ich denke es hilft schon, wenn man für sich selbst erkennt, dass man andere Dinge im Leben braucht, um besser leben zu können. Um die ganze Menschheit dazu zu bewegen, braucht es einen externen Faktor, den wir nicht kontrollieren können.

        Aber erkennt man den Unterschied zwischen „Scheinwelt“ und „eigener Realität“ so einfach? Ist man sich seiner Scheinwelt immer bewusst? Eigentlich ist doch das Gegenteil von Scheinwelt das wie es tatsächlich ist – also die objektive Realität. Und diese kennen wir Menschen nicht, weil wir nur das glauben, was wir subjektiv für wahr halten – ohne Beweise zu haben, dass es tatsächlich so ist. Verstehst du, was ich meine? Eigentlich ist die eigene Realität eine Scheinwelt, die sich jeder aufgebaut hat, nach dem was er weiß. Wenn ich mir allerdings bewusst etwas vorspiele, dann wird es, meiner Meinung nach, besonders schwierig. In seiner eigens gestalteten Realität zu leben kann einem natürlich auch nicht guttun. Genauso, wenn ich mich nicht auch mit der Realtität anderer beschäftigen möchte, auch wenn sie noch so absurd sind. Für mich geht es hier etwas mehr um den Unterschied, ob ich mir bewusst bin, dass ich mir Dinge vorspiele, die ich eigentlich nicht für wahr halte (dann wird es für die einzelne Person problematisch) oder ob ich mit dem, was ich mir „vorspiele“ konform bin (dann macht es eventuell für andere Probleme).

        Ich muss hier auch mal kurz sagen, dass ich es toll finde mit dir zu diskutieren! Ich liebe ja solche Diskussionen! 😉

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      5. „Rückschritt“ auf umfassenderen Level würde ja immerhin auch bedeuten, dass es eine Abkehr von der jetzigen Wirtschaftsweise, so wie man sie jetzt kennt, geben müsste… Und daran hätten einige ziemlich einflussreiche Leute kein Interesse.
        Sei man mal ehrlich, Bedürfnisse von Natur aus sind eines, aber in der modernen Welt wird auch vieles von außen befeuert, weil es Leute gibt, die damit Geld verdienen (und gar nicht mal so wenig).
        Ich denke, mit dem Hintergrund „Essstörung“ dürftest du ein wenig davon selbst kennen, was ich meine.
        Es wird einem eingeredet wie man „zu sein“ hat, und komischerweise kriegen ziemlich viele Leute das Gleiche zu hören. Ist’s nicht nur eine persönliche Geschichte, die aus individuellen unglücklichen Verkettungen besteht.
        Diese ganze Maschinerie müsste in so ziemlich fast allem von ihrer Ausdehnung verschwinden (Mode ist nicht pauschal böse, das will ich damit nicht sagen, zu einem gewissen Teil wird’s sie auch immer geben, weil Menschen auch einfach was zum Anziehen brauchen – den Vorteil wie ein Bär, einen dicken Pelz zu haben, der ihnen selbst wächst, haben sie nun mal nicht), das wird aber keiner zulassen, selbst wenn es sogar ein größerer Teil der Menschheit schaffen würde, sich dagegen zu stellen. Es ist einfach so, dass diejenigen, denen diese Industrie gehört (oder das darin geparkte Geld), daran kein Interesse hätten, weil es ihre Ernährungsgrundlage und die Basis für ihren Reichtum sind. Auch die Aasgeier an der Menschheit wollen nicht arbeitslos werden… Dann müssten sie ja anfangen, der Gesellschaft wirklich ein paar (im praktischen Sinne) nützliche Dienste zu erweisen.

        Den meisten hilft Resonanz von außen, um festzustellen, ob sie nicht allmählich in einer selbstkreierten Scheinwelt leben. Das liegt aber daran, weil die meisten nicht allein dazu fähig sind, mal einen Schritt zurückzunehmen von der eigenen Position, und sich das Gesamtbild von außen anzuschauen, so als wenn es eine fremde Person wäre. Die emotionalen Vestrickungen darin sind u. a. auch zu tief.
        Ich spreche dabei bewusst von „helfen“, weil das Urteilsvermögen von anderen ja auch fehlgeleitet sein kann (z. B. Vorurteile, Skepsis gegenüber Fremdem, dogmatische Glaubenssysteme, schlechte Erfahrungen, Klischees, Angst, Mangel an Bildung usw.); es dient also vielmehr der Meinungsfindung. Zudem die „Meinung“, zu der jemand kommt, ja auch nicht mit irgendetwas aus den gängigen Gepflogenheiten und Bräuchen, die der örtliche Teil der Menschheit, von dem man umgeben ist, als „gut“ erachtet, übereinstimmen muss… (Man denke da an alle, die in irgendeiner Form von sozialen Standard abweichen.)
        Und einer, der völlig an seiner unrealistischen Scheinwelt festhält, dem kann man es ja schlecht mit dem Hammer ausreden… Da könnte sonstwas passieren, derjenige hält dann immer noch daran fest. Der Wille dazu, etwas nicht mehr als „das ist einfach so“ anzusehen, muss also schon in demjenigen vorhanden sein. Das Erkennen und den Ausbruch daraus muss er schon allein schaffen.

        Diskutieren kann man eigentlich mit mir.
        Mal kann’s nur sein, dass ich darin selbst nicht sehr gut bin, und (viele) andere Male gehen mir die Dogmen und die emotionale Voreingenommenheit der anderen ziemlich auf die Nerven…

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      6. „Bedürfnisse von außen“…finde ich sehr schön und trifft es sehr gut. Natürlich spielt hier die Industrie eine große Rolle, was wir Menschen tun und wollen. Und wie du sagst, werden einflussreiche Menschen nicht so einfach zurücktreten. Ich will sie hier nicht unbedingt zu den Bösen machen, weil auch manche von denen so im System gefangen sehen, dass sie nicht mehr sehen, was sie sehen sollten (wo wir wieder bei der Scheinwelt wären). Letztlich ist es so, dass eine Machtgier in den meisten Menschen steckt und wenn das befeuert wird, dann ist es schwer zum Wohle anderer, die praktisch für einen fremd sind, auszusteigen. Ich kann mir nur schwer vorstellen wie man in einer solchen Machtposition agiert und welche Prozesse da in einem ablaufen. Das soll natürlich kein Freifahrtschein sein, dass man seine Macht ausnutzt.

        Ich stimme dir absolut zu, dass die Rückmeldung von außen das ist, was Meinungen bildet und verändet. Deshalb ist es so wichtig, das man anderen Meinungen Beachtung schenkt. Leider ist das bei vielen Menschen nicht der Fall. Man ist überzeugt von dem, was man denkt und andere Meinungen werden als dumm abgestempelt.

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      7. Ich halte es immer so für Leute, die sich mit der größern Politik und Wirtschaft nicht beschäftigen: Es ist eine recht komplexe Sache mit dem „etwas abstellen, was durch diese unhinderlich befeuert wird“. Hoffnungsvoll gehe ich da nicht heran, dafür sind da zu viele beteiligt, denen ich es unterstelle, sie wollen gerne „Weltherrschaft“ spielen (weil sie aus ihrem Hintergrund heraus meinen, das ist die natürliche Ordnung, ihr von Gott gegebenes Recht).
        Einzig kann dabei ein externer Faktor werden, der nicht in dieses Spiel mit einkalkuliert ist, wenn einem die Rohstoffe und die Naturkonditionen dafür ausgehen, um diese Masche weiter zu betreiben. (Aber der kommt nun mal nicht auf Bestellung…)
        Dann gibt es nämlich kein Hinauszögern oder „in eine Richtung verschieben wie es mir immer noch in den Kram passt“. Muss man sich mal mit dem auseinandersetzen, was einem der Zufall vor die Füße wirft, und kann nicht mehr Gott auf der Welt spielen, nur weil man zu viele Dollars hat…
        Wie gesagt, zuversichtlich gehe ich da nicht heran. Und auf die Menschen, die sich von diesem Mist einvernehmen lassen, würde ich nicht unbedingt hoffen, denn, schlichtweg, ist es vielen auch egal, wenn sie irgendwelche Bedürfnisse eingeredet bekommen. Sie merken es ganz einfach nicht wie sie wie Bauern auf dem Schachbrett hin und her geschoben werden. Wollen sie auch nicht, denn, was würde es für einen selbst heißen, wenn man so einfach manipuliert werden kann? Kommt man sich ja richtig dumm vor…
        Das fällt nur dem Teil der Menschheit auf, der alles von diesen externen Bedürfnisbefriedigungen hat, aber bemerkt, er ist trotzdem nicht glücklicher, und denen, die bemerken, dass sie dort nicht mithalten können – nicht die nötige Menge an Geld dafür haben…

        Gerade deswegen hänge ich der Position an wie wichtig Feedback (Reaktionen) von anderen Leuten in vielen sozialen Dingen ist. Das fängt schon bei kindlicher Entwicklung an…
        Feedback gibt dir eine ungefähre Richtungsangabe, wohin du dich mit etwas bewegst (für dich, aber auch für andere). Ohne die, weißt du eigentlich gar nicht, in welchem Fahrwasser du dich bewegst, ob es förderlich oder nicht förderlich ist.
        Das ist dann zwar nicht die Variante „sag mir, was ich tun soll!“, wo man dann nicht mehr selbst denken muss, lässt die Aufgabe also weiterhin in deinen Händen, es ist aber die beste Methode, wenn jeder seinen eigenen Lebensweg haben will ohne Doktrin, die einen in ein Korsett quetschen will. Wenn nicht andere dir vorschreiben sollen, was gut und was schlecht ist.
        Feedback nimmt an dieser Stelle den Platz ein von „Material, aus dem man sich seine eigene Meinung basteln soll“. Ohne das, ja, wie soll man das denn machen? Man hat doch gar keinen Eindruck wie was ankommt, wo man sich überschätzt, wo man zu dick aufträgt oder wo man sich selbst als viel zu wertlos einschätzt.
        Genau darum halte ich es mittlerweile für ziemlich wichtig.
        Es ist zwar nicht absolut, ist nicht immer richtig, manche Menschen können auch ganz schön toxisch sein und einem sachlich sehr falsche Signale senden (Stichwort: „Gaslighting“), aber ein Computer kann auch keine Daten verarbeiten, wenn man ihm keine einspeist.

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      8. Ich stimme mit vielen deiner Punkte überein. Was ich allerdings noch sagen möchte ist, dass es oft auch nicht hilft, wenn man erkennt, dass man von außen manipuliert wird. Erkenntnis und dann tatsächlich danach handeln sind zwei Paar Schuhe.

        Feeback halte ich auch für extrem wichtig. Leider wollen viele Menschen keines, weil sie nicht gelernt haben damit umzugehen (schließe mich da selbst nicht aus). Außerdem ist es anstrengend immer wieder über seine Einstellungen und Handlungen nachzudenken. Ich komme dann schnell in die Spirale, dass ich zu viel Nachdenke, was andere meinen. Ich glaube man braucht hier ein gesundes Mittelmaß. Klar, man sollte nicht durch die Welt gehen ohne nach links und rechts zu schauen, aber wenn man sich immer von anderen Meinungen einnehmen lässt (egal woher die eigene kommt), dann dreht man sich auch nur im Kreis und man bewegt sich von Zufriedenheit immer mehr weg.

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      9. Nein, das ist richtig…
        Wissen um Manipulation von außen allein bedingt nicht, dass man sich auch aktiv dagegen wehrt und sich nicht vereinnahmen lässt.
        Explizit bedeutet letzteres öfter auch einen Verzicht – und je nach dem, um welche Sache es sich handelt, kann es einem das Leben schwerer machen, andere Leute vergraulen, oder man sitzt öfter da und wird davon depressiv, weil man keinen zum Reden hat, weil alle anderen diesen Quatsch unhinterfragt mitmachen.
        Oder man kann bloß bei ganz Radikalen landen, die wieder so extrem mit ihrem Verzicht sind, dass sie nicht alle Tassen im Schrank haben… Was dann auch wieder keine Gesprächspartner sind, sondern nur das andere Extrem – das Gegenstück zur Sorglosigkeit.

        Würde da zustimmen, dass viele mit Feedback nicht umgehen können.
        Es sind viele in diesen Zeiten auch so verflucht „ich nehme gleich alles persönlich“ geworden…
        Feedback ist etwas, dafür muss man Sach- und Beziehungsebene in der Kommunikation trennen können. Es soll einem nur dabei helfen, sich mit etwas zu verorten; es appelliert pauschal aber nicht an den Nerv, dass man jemanden beleidigen oder persönlich schädigen will. Dass man jemanden auch persönlich Scheiße findet…
        Sowas gehört daher kognitiv schon zu den etwas anspruchsvolleren Aufgaben, wozu aber scheinbar viele nicht mehr in der Lage sind oder es eventuell auch nicht sein wollen. Ist ja auch schön einfach, immer etwas als persönliche Beleidigung abzutun und für sich alles immer unter „der ist halt blöd – ich bin immer noch der Größte!“ geistig abzuheften… Muss man nicht zu viel über sich selbst und die eigene vielleicht beschissene oder falsche Meinung nachdenken.
        Emotionen und Trieben zu folgen ist ja auch so herrlich primitiv, dafür muss man nichts können. Das geht so automatisch wie Fortpflanzung…

        Anstrengend ist es zu einem gewissen Teil, das will ich auch nicht verneinen, nebenbei tun einen manche Leute gern schon auf das Niveau von einem Verschwörungstheoretiker herabstufen, wenn man automatisch auch zu viele ihrer Selbstverständlichkeiten hinterfragt (weil sie das nicht mögen – deckt so herrlich viele Ungereimtheiten und dunkle Geheimnisse in ihrer selbst auf). Frage für mich wäre da nur: Was wäre die Alternative? Das wäre „sich dumm stellen und alles ignorieren“. Und das ist irgendwo auch ziemlich blöd…
        Wer einmal damit angefangen hat, kann sowieso so schnell nicht wieder damit aufhören. Da fängt derjenige glatt an, selbst darunter zu leiden, weil er dieses Nicht-Nachdenken schon gar nicht mehr kennt…

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      10. Das stimmt. Hinterfragen und danach handeln kann auch zu Verzicht führen und auch dazu, dass es schwierig wird, mit wem ich mich letztendlich abgebe.

        Ich denke auch, dass Feedback wenn richtig ausgeführt, eine fortgeschrittene Form der Kommunikation auf beiden Seiten ist. Unser Gehirn denkt dann meist doch einfach und stempelt, wie du sagst, den „Kritiker“ dann lieber als „böse“ ab als kognitiv zu trennen.

        Ich kenne das auch. Wenn man Leuten vor Augen führt, dass viele ihrer Annahmen auf Denkfehlern und Co. beruhen und sie dann darauf hinweist, wird man schnell als wenig angenehmer Gesprächspartner wahrgenommen.

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      11. Ich kenne es so, je mehr man über Selbstverständlichkeiten im Denken und die allgemeine Funktionsweise von menschlichem Denken weiß, desto mehr kommt einem, von eigener Seite, die Mehrheit der Leute unglaublich dumm vor. Richtig dumm, und um sich selbst kreisend…
        Was dann auch irgendwann dazu führt, dass man keine richtigen Berührungspunkte mit ihnen hat, auf welcher Basis man dann doch mit ihnen zusammenfinden könnte. (Deswegen funktioniert „einfach den Kopf mal ausschalten“ nicht, nur um soziale Kontakte zu kriegen. Es sind einfach keine Punkte mehr da, auf Grund derer man irgendeine Verbindung zu anderen finden könnte. Und man merkt wie viel Arbeit es machen würde, wie vielen Stuss man aushalten müsste, wenn man sich mit ihnen abgibt.)

        Ich denke nicht, dass das ein automatischer Schluss ist, den menschliches Gehirn macht, wenn es Dinge lieber auf sich bezieht anstatt zwischen Sach- und Beziehungsebene zu unterscheiden.
        Das beides trennen zu können hängt viel mit kognitivem Denkvermögen und „Bildung“ zusammen. Damit, ob jemand auf primitive und schnelle Trieberfüllung konditioniert ist, oder ob er auch etwas weiter als das denken kann.
        Wenn es nämlich eine Automatik wäre, damit das Gehirn sich einige Denkprozesse sparen kann, dann wär’s ja nicht so, dass man sich selbst eine andere Denkweise mal angewöhnen konnte, oder?
        Ich finde jedenfalls, aus der Ego-Perspektive, wenn man einmal gelernt hat, diese emotional gesteuerte Denkweise nicht mehr an den Tag zu legen, dann ist das was, was auch dauerhaft bleibt. Und eben dauerhaft, weil man selbst merkt wie primitiv und sachlich falsch sie ist – außerdem einem auch noch andauernd einen Haufen Probleme verursacht, weil man sich dann dauernd mit wem um irgendwas zoffen will. (Das meiste Gezoffe hat man dann ausschließlich noch, weil man auf andere Menschen trifft, die diese primitive emotional gesteuerte Denkweise noch haben und einem alles mögliche an Intentionen aus ihrer eigenen Fantasie in den Mund legen.)

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      12. Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, dass Menschen, die sich ihres Denkens nicht bewusst sind dumm sind. Ich würde eher sagen unreflektiert. Aber grundsätzlich hast du schon recht. Wenn man Vieles hinterfragt, wird es oft schwierig mit anderen diesen „einfachen“ Kontakt aufzubauen.

        Es ist schon richtig, dass man nicht automatisch seinen Emotionen folgen muss. Aber selbst sich der Irrationalität von Emotionen bewusst zu sein, hilft nicht unbedingt (sofort) sich von diesen freizumachen. Und ist das denn überhaupt das Ziel? Emotionen sind doch genauso wichtig wie Kognition. Emotionen sind triebgesteuert, ok. Aber das bedeutet nicht, dass Emotionen primitiv sind. Emotionen zuzulassen ist, meiner Meinung nach, sehr intelligent, auch wenn sie nicht immer rational sind. Wenn wir nur mit unserer Kognition arbeiten, werden wir Roboter. Und als jemand, der fast sein ganzes Leben lang daran arbeitet endlich Emotionen wie Wut, Trauer oder Freude zuzulassen, finde ich es schade, dass Kognition „besser“ zu sein scheint als Emotion.

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      13. „Unreflektiert“ – ja.
        Für meine Begriffe aber auch eben „dumm“.
        Das bezieht sich nicht allein auf die „ignorance is bliss“-Einstellung, sondern viele andere systematische Merkmale und Eigenschaften, die einem – vielleicht auch gerade durch die Unreflektiertheit? – an denen auffallen, bei dem es einem vorkommt „die sind doch relativ einfach gestrickt; weiter wie von Mund bis Nase denken oder was extravaganteres ist für die halsbrecherische Akrobatik und verursacht denen ’nen Knoten im Hirn“.
        In der Praxis kann man es vielleicht auch so beschreiben: Mehr wie Smalltalk und Stammtisch mit Halbwissen und zeitgenössischen populistischen Phrasen ist nicht drin. Nachplappern und Kaffeesatzlesen.
        Alles eben solch langweiliges Zeug, bei dem man sich fragt „Wen interessiert das? – Habt ihr sonst nichts anderes im Leben zu bieten? – Jeden Tag beklagt ihr den gleichen trivialen Kram und behauptet wie schwierig es ist…“

        „primitiv“ in Kombination mit Emotionen hat bei mir nicht unbedingt was mit den normalen Emotionen zu tun.
        Es hat eher was mit sowas wie „niederen Instinkten“ zu tun. Triebgesteuerheit. So ein bisschen was Zombie-ähnliches…
        Bei denen geht’s den anderen Tag nur ums Fressen, mehr kennen die nicht. Und die wollen auch nicht warten, sie wollen es sofort. Ihr Existenz besteht aus nichts anderem.
        Triebbefriedigung schnell, unverbindlich und sofort.
        Und es hat für mich auch was mit „in der emotionalen Entwicklung in einem Kinderstadium stehen geblieben“ zu tun. Wenn Menschen als Erwachsene sich bei etwas immer noch nicht anders benehmen als ein Kind im Süßigkeitenladen. Da gibt’s nur den Gedanken „ich möchte möglichst viel von allem haben!“, nicht auch die „hab‘ ich denn überhaupt Geld dabei?“ oder „wenn ich das alles esse, dann wird mir schlecht!“.
        Oder, sehr speziell: Wenn Menschen immer noch unterschwellig in der Symbiosephase mit der Mutter feststecken und als Erwachsene weder Geduld (wollen gleich bedient werden) haben, noch aushalten können, wenn sie nicht der Mittelpunkt des Geschehens sind, oder ständig die unterschwellige Erwartung an jeden Menschen haben, der ihnen begegnet, dass dieser sie wie die Mutter – wie eine Glucke – behandeln muss, ihnen alles machen und liefern sollen.
        Als wären sie eben der Nabel der ganzen Welt.
        Menschen, die in solchen kindlichen Entwicklungsphasen irgendwo stecken geblieben sind, sind auch in der Regel nicht in der Lage, Emotionen zu empfinden wie ein Erwachsener und auch nicht von solchen getrieben zu sein, die ein Erwachsener empfinden würde. Da ist immer noch das kleine Kind, was entweder denkt, es kommt zu kurz, oder welches tatsächlich zu kurz gekommen ist (bei beidem macht das Gehirn scheinbar keinen großen Unterschied in der Ausprägung und wie das zum Tragen kommen)…

        Ich seh’s deswegen als etwas primitives an. Bei den meisten Menschen haben diese Quellen für Motivationen keinen ernsten Tiefgang.
        Ich weiß nicht, ob man verstehen kann, was ich meine…

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      14. Ich verstehe schon was du meinst. Ich tue mir mit solchen Menschen, die über nichts nachzudenken scheinen, auch schwer. Und wahrscheinlich ist hier der Begriff „dumm“ auch einfach angebracht. Aber ich finde das insofern problematisch, weil du dich dann für was Besseres und die Art wie du denkst für richtig hältst. Wo wir wieder dort wären, dass du nicht wissen kannst, ob deine Einstellung richtig ist. Es ist für mich zu einfach dargestellt: Unreflektiere Leute sind dumm und reflektierte Leute sind nicht dumm.

        Ich würde das, was du als „primitive Emotionsregulation“ beschreibst in zwei Kategorien einteilen. Das eine ist eine tatsächliche emotionale Störung (wenn du das beschreibst mit dem Steckenbleiben in kindlichen Entwicklungsphasen). Das ist behanldungsbedürftig und entspricht nicht der Norm. Das zweite sind die triebgesteuerten Emotionen. Die sind auch primitv, aber nicht unbedingt abnormal oder negativ. Ich denke, dass jeder von uns in unterschiedlicher Ausprägungn von seinen Trieben gesteuert wird. Dass das natürlich in unserer Gesellschaft nicht funktioniert, wenn jeder ungehemmt seine Triebe auslebt, ist auch klar. Da wären wir auch wieder dabei, dass der Mensch in einer Umwelt lebt, die nicht für ihn geschaffen ist – zumindest in dieser Hinsicht.

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      15. Keine Ahnung, ob das pauschal Abwertung ist…
        Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, Abwertung, bei gleichzeitiger Erhöhung des eigenen Wertes, kann noch ganz anders aussehen… Viel, viel hässlicher.
        Ich bin da schon regelrecht bemüht um sachliche Kritik und was mich genau stört.
        Eben aus dem Grunde, weil es auch in meinem Bewusstsein präsent ist „kann ja sein, dass die auch hingegen wieder was können, zu was ich zu dumm bin“. (Und weil es mir auch schlicht zu blöd ist, einfach nur das Attribut „dumm“ irgendwo draufzukleben und die Sache dann geistig als „abgeschlossen“ abzuheften.)
        Es kann mir glatt schon etwas egal sein, ob emotionale Defizite eine Abweichung vom Kurs sind oder ob sie „Standard“ in der menschlichen Entwicklung sind, wenn davon genügend Leute auf der Straße herumlaufen, die innerlich so gestrickt sind (bzw. ihr Typus sogar von bestimmten übergeordneten Einheiten in der Gesellschaft sogar gefördert wird).
        Fakt daran bleibt nach wie vor, dass ich mich mit derem Sein auseinandersetzen muss, wenn sich der eigene Weg mit einem von denen kreuzt, wenn man nicht gerade einen Energievampir an sich kleben haben will oder jemand, der einem auf Dauer das Nervenkostüm zerfetzt.
        Es gibt beinahe nichts schlimmeres als Leute, die noch irgendwas aus der Kindheit hinterherjagen/-trauern, sich dem aber nicht bewusst sind, und auf Grund dessen überzogene Forderungen und Erwartungen (auch falsche) als Erwachsene an andere Erwachsene richten…
        Schlimmer sind dann nur noch diejenigen, die dasselbe wie ein gottgegebenes Recht einfordern.
        Triebsteuerung liegt mein Problem insofern damit als dass es mir zu viele Leute gibt, die davon dominiert sind. Ich denke, so kann man es ausdrücken.
        Wenn Menschen eigentlich nicht mehr anstreben als „Fressen, Schlafen, Kacken, Ficken“ und man ihnen eigentlich die ketzerische Frage stellen muss „Worin unterscheidet sich dein Dasein noch von dem der meisten Tiere?“. Dafür haben sich dann die Vorfahren die Mühe gemacht, von den Bäumen herunterzuklettern und auf zwei Beinen laufen zu lernen… Damit ein paar wieder zurückklettern und es eigentlich ganz toll da oben finden (währenddessen sie aber nicht aufhören, auf die Überlegenheit ihrer Spezies über alle anderen hinzuweisen).

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      16. Ich finde das klingt dann schon recht respektvoll, wenn du auch selbst einsiehtst, dass du in anderer Hinsicht dann vielleicht auch wo „dumm“ bist oder in deren Augen vielleicht zu sein scheinst. Wahrscheinlich stört mich einfach die krasse negative Bewertung, die das Wort mit sich bringt.

        Stimmt schon. Wenn man sich mit einer Person beschäftigen muss, die starke emotionale Defizite hat, kann das sehr anstrengend sein. Andererseits finde ich widersprichst du dir doch selbst ein bisschen, wenn du dieses Triebgesteuert-Sein verurteilst, aber dir gleichzeitig wünscht, dass die Menschheit auf eine primitivere Lebensweise zurückgreift, oder? Weil primitiver bedeute für mich automatisch, dass man mehr nach seinen Grundbedürfnissen lebt, also mehr wie Tiere.

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      17. Ich glaube, ein gutes Gebiet, um diese Art von Differenzierung zu lernen ist Musik.
        Wenn man sich mit Struktur, mit Aufbau, wie was gemacht wird, beschäftigt, lernt man nämlich etwas mehr, als etwas nur als „Scheiße!“ zu bewerten. Also, nicht mehr nur im Schwarz-Weiß-Schema dabei zu urteilen.
        Man kommt dazu, auch die Arbeitsleistung von anderen anzuerkennen, auch wenn das Endprodukt nicht dem eigenen Geschmack entspricht – und wenn es nicht gefällt, etwas differenzierter sagen zu können, was einem daran nicht gefällt. Zum Beispiel nämlich „Grundidee ist gut, aber die Umsetzung könnte anders/qualitativ besser sein“. Oder „Grundidee ist bescheuert und albern, die Umsetzung auch, aber irgendwie passt es doch zusammen, oder für diesen Inhalt geht es so gut durch“. Oder „Grundkonzept ist uninspiriert, hat man schon besser gehört, und ach, was soll die Stimme als Gesang dazwischen?“.
        Kommt es an, was ich meine? Dass es mehr gibt als nur „meine Position ist die einzig wahrhaftige, allgemeingültige“ – dass man auch dazu kommt, zuzugeben „okay, nicht mein Fall, vielleicht kann damit aber jemand anderes etwas anfangen?“.
        Mit anderen Fähigkeiten und Eigenschaften ist es sehr ähnlich. Kann sein, dass ich etwas zu gering schätze, aus meiner Position, muss aber nicht bedeuten, dass sie pauschal unnütz für das größere Geflecht sind
        Im Uhrwerk greift ja auch ein Rad ins andere und ohne alle Zahnräder läuft es nicht.

        Hm… Ich denke, an dem Punkt ist es, dass „primitiv“ hier zwei verschiedene Dinge meint. Kann sein, dass ich es nicht besser auszudrücken weiß oder das Sprache hier seine Grenzen hat…
        Die „einfachere Lebensweise“, die ich meine, zu der die Menschen zurückkehren sollten, hat hier nicht unbedingt etwas mit einer Rückkehr zum Triebhaften zu tun.
        Menschen haben, jedenfalls in dem Teil der Zvilisation, zu der die industrialisierte Welt gehört, eher zu viele Dinge um die Ohren, von denen ihnen suggeriert wird, dass sie sich darum Sorgen machen sollen, und da sind viele Angelegenheiten darunter, die faktisch Schwachsinn sind. Die defacto eigentlich keinen Einfluss darauf haben, ob ihr Leben gut oder schlecht verlaufen wird.
        Großes Beispiel sind dabei z. B. viele Konsumzwänge. Dem Mensch wird quasi eingeredet „ohne das neue Item X stirbst du, also geh und kauf es!“, obwohl das sachlich Schwachsinn ist.
        Speziell in Deutschland kann man auch dazu rechnen, dass einem viele etwas von der Spirale „du musst arbeiten um Geld zu verdienen um alles bezahlen/dir was leisten zu können“ predigen wie ein Mantra.
        Sicher, der Teil mit „in der Zvilisation brauchst du Geld, um etwas auf der Hand zu haben“ ist faktisch richtig.
        Der Zwangsteil daran aber, das mentale Hamsterrad, dass nur durch Arbeit mit den Händen Geld einkommt (und was machen beispielsweise die ganzen Aktieninhaber und stillen Teilhaber von Firmen, die jahrzehnte nur Geld vom einen Projekt ins nächste schaufeln und immer stur in Richtung „eigenr Profit“ arbeiten?“) und man deswegen gefälligst seinen „faulen Arsch“ bewegen soll, das ist wieder faktisch gar nicht mal so richtig. Jedenfalls nicht wie das Naturgesetz, was dieses Gerede versucht vorzugeben.
        Einerseits gibt es hier (noch!) ein Sozialsystem, zum anderen bekommt man durch die Mehrarbeit und Überstunden nicht zwangsläufig mehr Geld als ohne. Zudem, was will man sich kaufen, wenn man eigentlich ein bisschen mehr Freizeit haben will? Immaterielle Güter kann man nicht kaufen, Gesundheit kann man sich auch nicht kaufen. Man kann auch allein in seinem verdammten Haus sitzen, weil vor lauter Arbeiten die eigene Familie getürmt ist oder man es versäumt hat, sich eine zuzulegen. Oder weil auch die Freunde keine Zeit haben, weil die genauso bloß im Hamsterrad eingespannt sind…
        Also, was ich damit sagen will, ist: Das Falsche an dieser Kette ist die Art von Lebenssinn, die es einem versuchen will, einzureden. Dass dieser Zwang alles ist, was es im Leben zu tun gibt.
        Es gibt genügend Menschen, die sich einen anderen Lebenssinn als diesen Zwang gesucht haben, und sie wurden bis heute nicht vom Blitz dafür getroffen. Also, wo soll da der Anlass sein, sich darüber so sehr einen Kopf zu machen, dass man davon krank wird – nur allein, weil man dieser Kette nicht bis aufs Haar folgt?
        Da kann also ruhig dieser moralische Unterton ‚raus. Es hat praktische Gründe, warum man das tun muss/sollte, aber es sollte kein Lebensinhalt werden – und wenn dieser wegfällt, dann hast du plötzlich einen verzweifelten Zombie, der seine Leere nicht aushalten kann. Oder jemanden, der bis 50 seine Gesundheit damit ruiniert hat (in einer Art und Weise, die sonst eigentlich erst mit 65 typisch wäre – also körperlich „schneller gealtert“ als normalerweise)…
        Das sind alles keine ernsthaft ruhmreichen Zustände, nur dafür, dass man irgendeiner vorgeblichen „Moral“ sein Leben lang gefolgt ist und sich hat Schuldgefühle dafür einreden lassen, wenn man es nicht tut.

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  3. Lost hope

    Ich selbst stehe momentan vor der großen Herausforderung, meiner Klasse von meinem momentanigen Klinikaufenthalt zu erzählen und denke schon seit über einer Woche nach, wie ich das bewerkstelligen soll. Allerdings habe ich das Glück, dass eine gute Freundin und eine weitere Klassenkameradin davon bescheid wissen, mir beide Rückhalt geben und für mich da sind, außerdem hat mir meine Klassenlehrerin auch Unterstützung angeboten . Trotz dessen habe ich große Angst wieder in die Schule zu gehen, da ich extrem sensibel geworden bin (ich kann sehr viele Geräusche nicht ab, ich gerate schnell in Grübeleien und beziehe alles sehr stark auf mich), meine Angst vor Männern sich gesteigert hat und da ich in der Einrichtung nur auf wenige Jungs und Männer treffe, wird es sehr schwierig mit meinen Mitschülern und Lehrern umzugehen. Bis dahin habe ich aber noch 3 Wochen Zeit…

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    1. Erstmal vielen Dank, dass du deine Situation mit uns teilst! Ich kann so gut nachvollziehen wie es dir geht. Ich war in meiner Schulzeit auch in einer Klinik und musste das irgendwie meinen Mitschülern beibringen bzw. hat das in meinem Fall die Lehrerin übernommen. Aber danach musste ich damit klarkommen und mich häufiger erklären. Das ist echt nicht so lustig.

      Aber es ist toll, dass du Rückhalt bekommst. Das ist so wichtig und du wirst sehen, dass es dadurch viel einfacher wird. Mir hat damals auch meine Lehrerin sehr geholfen.

      Vielleicht kannst du ja auch mit deiner Lehrerin über deine Sensibilität sprechen, um einen Weg zu finden, der dir den Schulalltag, besonders zu Beginn, erleichtert. Und da du ja noch in der Klinik bist, können dir die Therapeuten bestimmt auch einige hilfreiche Ratschläge mitgeben wie du den Einstieg in den Schulalltag am besten meisterst.

      Ich bin mir sicher du schaffst das! Ich hatte auch eine Riesenangst davor wieder in die Schule zu gehen, aber ich habe auch gemerkt, dass es den anderen eigentlich viel egaler ist, wo man war und auch, wenn man sich zurücknimmt ist das für die anderen meist kein so großes Ding wie man denkt. Die haben mit ihren eigenen Problemen zu tun.

      Ich wünsche dir alles Gute und du bist stärker als du denkst! Glaub mir, wer so stark ist einen Klinikaufenthalt zu meistern, der kann es mit den Problemen im Alltag erst recht aufnehmen!

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      1. Lost hope

        Danke Julia! Ich muss ja auch glücklicherweise nicht gleich den vollen Schulalltag durchstehen, sonder erst 2, 4 und dann 6 Stunden.

        Meine Stiefmutti schreibt diese Woche auch eine Mail an meine Lehrerin, da ich in der Nacht immer sehr viel träume (3-4), einen Albtraum habe oder einfach nicht einschlafen kann und deshalb am Tag auch recht müde sein kann. Außerdem wollte sie auch noch mein Männer Problem mit ansprechen. Allerdings ist meine Klasse sehr intolerant, da sie sich über jedes bisschen lustig machen, ich selbst habe schon das ein oder andere abbekommen und hoffe einfach, dass es so läuft wie bei dir…

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      2. Sehr gerne! Das ist doch schon mal gut, dass du nicht gleich dem kompletten Schulalltag ausgesetzt bist und dass deine Stiefmutter mit deiner Lehrerin spricht.

        Das ist natürlich doof, wenn in deiner Klasse so wenig Toleranz herrscht. Aber ich denke, dass es schon mal gut ist zu wissen, dass du Menschen hast, die hinter dir stehen und dir helfen, falls wirklich was schief laufen sollte. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass alles gut klappt! ❤

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  4. Ich denke vor allem gilt es zu realisieren, daß es beim Drüber- Reden und dem Konfrontiert- Werden keinen Königsweg im Umgang gibt. Vielleicht führt genau das auch zu Schwierigkeiten im Umgang auf beiden Seiten?

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    1. Lost hope

      Wir hatten früher einen Autisten in der Klasse, welcher nicht dumm war, aber für seine Eigenarten extrem blöd gemacht wurde, obwohl alle wussten, dass er geistig behindert ist und das ein oder andere anders läuft, als bei uns. Obwohl er seit Anfang des Jahres weg ist, wird immer noch gerufen: „Autismus oder was? “ Keiner, außer mir, hat scheinbar Zeit gehabt, um sich mal ausreichend zu informieren und obwohl ich meinte, dass mal ein Experte erklären soll, wie sich das auf ihn und seinen Alltag auswirkt, hatte es bis zum Schluss nie jemand getan… Es gibt viele Arten zu reagieren, aber von neuntklässlern eines Gymnasiums kann man doch weit aus mehr erwarten, als so ein unwürdiges Verhalten ihm gegenüber!

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      1. Ich muss erstmal sagen, dass ich es toll finde wie du dich in der Situation verhalten hast und trotz diesem unangebrachten Verhalten deiner Mitschüler, versucht hast etwas zu verändern. Es gehört Mut dazu nicht einfach mit dem Strom zu schwimmen!

        Und ich finde du sprichst hier schon einen wichtigen Punkt an. Es fehlen Informationen. Allerdings ist es schwierig Leute über etwas aufzuklären, worüber sie vielleicht gar nicht aufgeklärt werden wollen. Trotzdem ist es wichtig es zumindest zu versuchen und ich finde gerade Schulen bieten hier eine gute Möglichkeit Wissen über viel zu selten im Unterricht behandelte Themen, wie Akzeptanz, Verständnis und gegenseitige Unterstützung, zu sprechen.

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      2. Lost hope

        Es ist nun schon eine ganze Weile her, dass ich meiner Klasse gesagt habe, dass ich in der Psychiatrie bin und sie haben es gut aufgenommen, eine hat mir(sofern man das so sagen kann) sogar gute Besserung gewünscht. Da ich in die Realschule wechsel, darf ich das nochmal auf den Tisch legen, aber Angst vor der Reaktion habe ich nicht mehr viel. Ich freue mich auch schon auf die Entlassung, auch wenn es heißt, wieder vollkommen in den Alltag zurück zu müssen, aber ich fühle mich gut vorbereitet.

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      3. Wie schön! Erstmal vielen Dank, dass du mir schreibst! Und zweitens: Wie toll ist das denn! Richtig richtig gut! Du kannst sehr stolz auf dich sein! Ich wünsche dir für deine Entlassung und natürlich auch danach alles Gute! Auch, wenn es schwierig werden kann, vertraue auf dich und lass dich nicht unterkriegen!

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