Wenn plötzlich die Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ im Raum steht

Ich habe in einem meiner letzten Beiträge geschrieben, dass ich mich eventuell wieder auf die Suche nach professioneller Hilfe begebe. Und das habe ich gemacht! Erstaunlich schnell habe ich Termine für Erstgespräche bei einer tiefenpsychologisch orientierten (TP) und einer Verhaltenstherapeutin (VT) bekommen. Eigentlich wäre mir ja tiefenpsychologisch lieber gewesen, weil ich bisher immer Verhaltenstherapie gemacht habe und mir vielleicht ein anderer Therapieansatz neue Perspektiven zeigen kann. Aber ich wurde auf vielerlei Ebenen von dieser Therapeutin enttäuscht.

Ich studiere Psychologie und das ist in einer Psychotherapie Fluch und Segen zugleich. Einerseits gehen gerade die formalen Geschichten viel schneller über die Bühne, weil mir nicht erklärt werden muss, wie das Ganze funktioniert. Auch kann ich mit Fachbegriffen (gerade aus der VT) viel anfangen. Andererseits ist es seltsam, wenn man merkt, welchen Ansatz ein Therapeut gerade an einem anwendet und man merkt auch sehr schnell, wenn ein Therapeut nicht professionell (oder zumindest nicht nach den formalen Kriterien) vorgeht. Und genau das ist mir passiert.

Ich war zwei Mal bei dieser TP-Therapeutin und was mich gestört hat war, dass sie zu impulsiv reagiert. Sie selbst sagt von sich, sie sei direkt. Ich finde da gibt es einen Unterschied. Gerade, wenn Menschen das erste Mal in eine Psychotherapie kommen sind sie meist ängstlich, wissen gar nicht, was sie hier eigentlich tun und brauchen positive Verstärkung von den Therapeuten. Ich sage nicht, dass man diese vorsichtige Umgangsweise später in der Therapie beibehalten muss. Da sehe ich das sogar eher als Hindernis. Manche Patienten brauchen einen Tritt in den Hintern, um in die Gänge zu kommen. Und auch mir würde später eine direkte Art nicht schaden. Großes aber: Erst wenn man als Therapeut weiß, was das therapeutische Verhalten im Patienten auslöst, kann man „härter“ mit diesem umgehen.

Zwei Beispiele für dieses impulsive Handeln:

Bei mir ist die Abrechnung etwas komplexer als regulär, weil ich aus Österreich komme (ich möchte Therapie in Deutschland machen) und das auch mit der österreichischen Krankenkasse abgerechnet werden muss. Ich hab da auch schon Anträge gestellt und den ganzen Kram, aber Versicherungen reagieren nun mal nicht immer schnell. So hat mich die Therapeutin in der zweiten Stunde so begrüßt, als ich verneinte nun schon konkret zu wissen wie es funktioniert: „Na dann behandle ich sie aber nicht mehr!“ Da hab ich mir schon gedacht: „Ok, ich steh noch in der Tür, ich kann auch gleich wieder gehen.“ Ich glaub ich hab auch irgendwas in der Art gesagt. Am Ende hat sie dann einmal bei ihrer Bekannten bei einer deutschen Versicherung angerufen und innerhalb von 5 Minuten war alles geklärt. Kein Problem. Therapie wäre möglich.

Das zweite recht unüberlegte, eigentlich unprofessionelle, Verhalten ist mir bei ihrer „Diagnostik“ aufgefallen. Deshalb in Anführungszeichen, weil ich das Gefühl hatte, dass sie gar keine Diagnostik gemacht hat. Bei der anderen Therapeutin arbeiten wir mit Fragebögen und einem strukturierten Ablauf während der Sitzung, damit kein Aspekt meiner Problematik unter den Tisch fällt. So lerne ich das auch in der Uni. Ich habe mich auch kurz gefragt, ob das der Unterschied zwischen TP und VT ist, aber eine ordentliche Diagnostik ist ja wichtig für die Abrechnung mit der Krankenkasse, weshalb ich das immer für wichtig halte. Auf jeden Fall hat sie die Psychotherapeutische Sprechstunde nach der zweiten Sitzung beendet, weil sie keine Essstörungen behandelt. Das ist für mich ein vollkommen plausibler Grund einen Patienten nicht anzunehmen.

Dann hat sie aber innerhalb von fünf Minuten meine Diagnosen zusammengesucht und hat recht unüberlegt (nach der zweiten Sitzung!) „Verdacht auf eine F60-Diagnose (Persönlichkeitsstörungen) fallen gelassen“. Auf mein Nachfragen hin hat sie aber ihre Aussage sofort wieder relativiert und meinte, dass sie mir nur eine Akzentuierung geben würde – entweder im narzisstischen oder ängstlich-vermeidenden Bereich. Auch, wenn besonders ängstlich-vermeidend recht gut zu mir passt, war ich erstmal echt etwas schockiert. Es hat sich angefühlt als würde mir noch ein weiterer Stempel aufgedrückt werden und für mich war es egal, ob „nur“ Akzentuierung im Raum stand. In meinem Kopf kam Persönlichkeitsstörung an. Und bis jetzt lässt mich das nicht mehr los (weshalb ich auch darüber schreibe). Ich hab viel darüber nachgedacht und bin mittlerweile an dem Punkt, dass doch jeder Anteile von Persönlichkeitsstörungen in sich trägt und eine Akzentuierung ist ja eigentlich nicht viel mehr. Was mich jedoch an dem Verhalten der Therapeutin besonders gestört hat war, dass sie mir die Verdachtsdiagnose am Ende nicht gegeben hat. Es war für mich so ein bisschen wie laut gedacht. Nur, dass laut ausgesprochene Gedanken auch beim Gegenüber ankommen und da Reaktionen auslösen. Etwas recht Gravierendes zu sagen und im nächsten Moment wieder zurückzurudern, weil die Reaktion im Gegenüber doch mehr auslöst als gedacht, fand ich nicht ganz so professionell. Vielleicht bin ich auch einfach zu empfindlich.

Was meint ihr? Wie hättet ihr in meiner Situation reagiert? Ist euch schon mal etwas Ähnliches passiert? Lasst uns gerne mal ein bisschen darüber quatschen! 🙂


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72 Gedanken zu “Wenn plötzlich die Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ im Raum steht

  1. Hallo Julia,

    ich kann verstehen, dass dich so eine “Diagnose“ nach nur 2 Sitzungen ein wenig aus der Bahn wirft. Ich finde es, wie du es schilderst, sehr unprofessionell.

    Ich war vor einigen Jahren, als ich mich meinem damaligen Hausarzt anvertraute, bei einer Psychiaterin und musste ähnliche Erfahrungen machen. Wir hatten ein (!) Gespräch, ich füllte diverse Fragebögen aus und hatte anschließend die “Diagnose“ Borderline auf der Stirn stehen. Und leider auch in der Akte bei meinem HA-Praxis, was in letzter Zeit zu Problemen geführt hat, aber das ist eine andere Geschichte. Ich habe die Frau bloß dieses eine Mal gesehen, und sie attestiert mir gleich eine solche Persönlichkeitsstörung (die ich nicht habe, sondern rezidivierende Depressionen mit seltenem selbstverletzendem Verhalten). Selbst, wenn es erst einmal als Arbeitshypothese gelten soll, finde ich das sehr gewagt, zumal sie – zumindest beim HA – als gesichert ankam.

    Ich wünsche dir viel Glück bei deiner weiteren Therapeutensuche, und starke Nerven!

    lg Flügelwesen

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    1. Ich finde es unverantwortlich so schnell Diagnosen zu vergeben. Vor allem, weil es, wie du schreibst, ja auch Konsequenzen mit sich bringt. Es ist natürlich zum einen die persönliche Komponente, dass man erst mal mit einer solchen Diagnose umgehen muss, und zum anderen, dass sie natürlich schnell zu dem wird, was Ärzte und Co. als erstes sehen. Das ist das womit dann gearbeitet wird. Wie die Diagnose eigentlich zustande gekommen ist, wird dann nicht mehr hinterfragt. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch sehr fahrlässig.

      Vielen Dank, liebes Flügelwesen! Ich wünsche auch dir alles Gute!

      Liebe Grüße
      Julia

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  2. Über das Leben und Lieben

    Oha, das klingt wirklich.. befremdlich! Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr dich ihr Verhalten schockt, wenn du doch genau weißt, wie es eigentlich sein sollte. Das ist ja dann ein riesiger Clash zwischen theoretischem Soll- und praktischem Ist-Verhalten. Aber selbst für mich als Laien klingt ihr Verhalten nicht angemessen. Allein aus dem Grund, dass du dich dadurch schlecht fühlst, genauso wie es sicherlich so gut wie jedem anderen in dieser Situation gegangen wäre. Eigentlich sind Therapeuten doch da, dass es einem besser geht… Aber gerade das „laute Denken“ von ihr finde ich wirklich unangebracht! Auch wenn ich weiß, dass es schwierig ist: Ich würde dir raten, dass du ihre „Diagnose“ wieder ganz schnell vergisst. Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist, aber es klingt für mich nicht danach, als ob sie sich ausführlich mit deinem Krankheitsbild beschäftigt hätte. Ich hoffe, du hast mittlerweile eine/n andere/n Therapeutin/en gefunden! Oder falls noch nicht, dann hoffe ich, dass du bald jemand Gescheites, der zu dir passt, findest. 🙂

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    1. Vielen Dank für deine lieben Worte! Du hast vollkommen recht! Ich versuche das Ganze schnell wieder zu vergessen. Ich finde es so unglaublich Schade, dass solche „Fehler“ passieren, obwohl diese Therapeutin schon viel Erfahrung hatte. Ich bin froh, dass ich diese Therapeutin nicht mehr sehen muss und fokussiere mich jetzt darauf, dass es mit der anderen Therapeutin, die ich im Blick habe, etwas wird.

      Liebe Grüße
      Julia

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      1. Über das Leben und Lieben

        Vielleicht ist der Ansatz für andere total klasse und klappt bei anderen Leuten super gut! Nach dem Motto… Jeder Topf hat den passenden Deckel. Viel Erfolg noch einmal! 🙂

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      1. Das stimmt, damit war Dir gleich nach zwei Stunden klar, dass es nicht funktionieren kann. Manchmal dauert so etwas ja viel, viel länger und es ist schon viel kostbare Zeit verflossen …
        Herzliche Grüße
        Agnes

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  3. Soweit, wenn ich mal was über die inhaltliche Ausbildung von Therapeuten in D höre, sträubt es mir öfter die Haare. (Siehe z. B., dass „Trauma“ nur eine Zusatzausbildung ist.)
    Insofern verwundert es mich dann nicht, dass es entsprechend viele Nulpen unter Therapeuten gibt, die auch ganz komische Herangehensweisen an Patienten haben. Denn irgendwie scheint ja dort die vermittelte Methodik genau so einen festen Rahmen zu haben, dass später jeder Therapeut buchstäblich machen kann, was er will.
    Was dann für die Patienten in den entsprechenden Schocks und Retraumatisierungen durch „Hilfspersonal“ endet, die sich in vielen Biografien von ihnen häufen…

    Einen Teil, würde ich aber auch annehmen, dürfte der bürokratische Teil von Therapie auch ausmachen.
    Denn, wenn man ein komplexerer Fall ist, hat man häufig auch den Eindruck, die wollen einen nur los werden, weil es ihnen allgemein zu viel Arbeit und dann noch zu viel Stress mit der Krankenkasse machen würde. Inklusive, dass sie durch die niedrigen Beträge der Fallpauschalen nicht reich werden würden.
    Zu einem gewissen Teil verständlich in wirtschaftlicher Hinsicht, für den Probanden ist das aber alles andere als hilfreich. Und es hat auch nicht jeder 50 andere Therapeuten zur Auswahl, an die er sich wenden kann. (Und selbst wenn – von denen werden auch diverse die selbe Strategie fahren, oder auch inhaltlich nicht geeignet sein.)
    Jedenfalls es erscheint einem so, als wenn da auf Therapeutenseite öfter eine indirekte Abwimmellungsstrategie gefahren wird, die man auch aus anderen Lebensbereichen kennt. Und die besteht häufig aus einem Duktus, der in der westlichen Welt geradezu als Naturgesetz gepriesen wird: „Wenn du Fehler machst oder etwas nicht kannst, gibt es, um Gottes Willen, nur nicht offen zu! Tu so, als ob der andere Schuld ist! Nur nicht Schwäche zeigen und das Gesicht verlieren!“.
    Und unter denen, die einen nehmen, da gibt es dann auch wieder das andere Extrem: Die machen mit einem Sitzung über Sitzung, ohne auf irgendeinen Stopp zu verweisen, inhaltlich kriegt man aber mit, dass es einem so gar nichts bringt. Als wenn die einen halten wollen, weil die Geld brauchen… Patienten, bei denen man Therapie immer wieder verlängern kann, sind schließlich eine stetige Einkommensquelle.

    Also, um es auf deine Situation bezogen zu beantworten: Wundern tut mich diese Vorgehensweise von der Therapeutin mit dem tiefenpsychologischen Ansatz nicht.
    Im Bereich Psychotherapie passiert hier in D so einiges komisches, was medizinisch eigentlich auf keine Kuhhaut geht.
    Wäre jedenfalls meine Meinung.

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    1. Du hast Recht! Es gibt wirklich in Deutschland zu wenige Therapeuten, die auf bestimmte Störungsbilder spezialisiert sind. Wenn ich als Therapeut schon mit Depression und Angststörungen genügend Patienten habe, warum sollte ich dann noch eine Zusatzausbildung machen? Da muss sich das System ändern.

      Und ich stimme dir auch zu, dass hier das wirtschaftliche Interesse leider mitreinspielt. Genauso wie der bürokratische Aspekt, der ja ohnehin für Therapeuten schon enorm hoch ist. Wenn es dann noch ein „komplexer“ Patient ist, macht das noch mehr Arbeit. Und ich glaube, dass es hier nicht nur ums Geld geht, sondern einfach auch der Arbeitsaufwand zu hoch wird und es den Therapeutin schadet, indem er überfordert ist und es dann auch wiederum den Patienten schadet, die einen überforderten Therapeuten vor sich sitzen haben.

      Man kann es natürlich nie allen recht machen und es wird immer unzufriedene Patienten geben, aber man sollte doch immer im Auge behalten, wie man die Rahmenbedingungen möglichst einheitlich, professionell und zugänglich macht.

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      1. Mein Eindruck ist so, dass z. B. das Traumathema eine wesentlich größere Rolle spielt, als es ihm vom System eingeräumt wird.
        Ich brauche mich schließlich nicht darauf spezialisieren, Angst- oder Sucht-Störungen zu behandeln, wenn im Schnitt mehr als 50% der Leute, die bei mir aufschlagen, eigentlich verschleppte Traumata haben und genau die eigentlich ursächlich sind für die Problematik, mit der sie dann zu mir kommen.
        Irgendwo bleibt da das System dabei, gern nur an der Oberfläche kratzen zu wollen – nach dem Motto: „Ein Patient, den man nicht richtig kuriert, der kommt ja schließlich wieder.“…
        Und das finde ich dann schon eine Schweinerei. Dann kann man auch dabei bleiben, sich selbst zu behandeln, wenn da nicht mehr bei herauskommt.
        Mit dem wirtschaftlichen Teil hätte ich nicht so das Problem, wenn man mir, im Falle dessen, wenigstens eine konkrete Ansage machen würde und nicht immer dieses Herumgedruckse. Ambivalent muss man so schon genug bei Menschen denken, da muss da nicht auch noch bei der Therapie oder der -suche sein. Da wächst mir persönlich der größere Hals, wenn ich wahrnehme, dass mich jemand aktiv verarscht oder nicht die Wahrheit sagt, nur damit er sein Gesicht nicht verliert.
        Schließlich sitzt man vor dem idioten ja nicht so zum Spaß!
        Wenn der also der falsche Ansprechpartner ist, dann soll er einem das gleich sagen und eventuell mit dem Hinweis, von wem er meinen würde, dass er das ist.
        Bei dem ganzen Abgewimmele wird das nämlich immer gern vergessen, dass du gerade Hilfe suchst, dass du jemand mit einem Problem bist, was du nicht allein bewältigt bekommst.
        Könntest du’s allein, wärst du nicht dort…
        Man muss das auch immer so sehen: Du wimmelst da ganz dreist jemanden ab, der ein aktives Problem hat – wenn du Pech hast, verzweifelt der morgen daran und springt von der Brücke…
        …Ich spreche jetzt wirklich nur von denjenigen, die so herumdruckserisch abwimmeln und so agieren, als ob’s dir völlig gut gehen würde. Nicht diejenigen, die dich offen abweisen und mit nachvollziehbarer Begründung.
        Gerade dieser Aspekt, den ich auch nicht immer abschätzen könnte (Patienten erzählen einem ja auch nicht immer gleich alles), wäre da für mich ein viel zu hoher Risikofaktor, als dass ich so eine Masche abziehen würde. Da würde ich denen lieber eine konkrete Ansage machen, sie vielleicht woanders hinschicken, wo ich meinen würde, dass sie besser aufgehoben sind, und gut ist. So mache ich mich wenigstens nützlich darin, auch wenn ich selbst nicht der passende Ansprechpartner bin.
        Schließlich arbeite ich immer noch mit Lebewesen und nicht mit toten Gegenständen!
        Da kann so vieles schiefgehen, wenn ich mich wie ein dreister Kaufmann verhalte…

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      2. Ich stimme dir zu, dass es mehr Therapeuten braucht, die auf Trauma spezialisiert sind. Ich kann aber auch verstehen, dass auch Traumapatienten von Therapeuten genommen werden, die nicht unbedingt darauf spezialisiert sind. Einfach aus dem Grund, dass sie den Patienten nicht einfach immer wegschicken wollen. Schließlich ist eine Therapie meist besser als gar keine, selbst wenn nicht die höchste Spezialisierung vorliegt.

        Ich glaube aber nicht, dass für Therapeuten nur der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle spielt wie man aus deiner Schilderung annehmen könnte. Du sprichst wahrscheinlich aus deinen Erfahrungen. Ich kann aber auch viele gute Erfahrungen berichten, die nicht auf „Profit-denken“ beruhen. Die meisten Therapeuten üben ihren Beruf nicht aus um viel Geld zu verdienen. Da gibt es wesentlich bessere Berufe.

        Dieses „Herumgedruckse“ kommt vielleicht daher, dass sie eben mit schon instabileren Patienten nicht so hart sein wollen, indem sie sie einfach abweisen mit Begründungen, die zwar rational logisch klingen, aber von instabilen Personen anders interpretiert werden können.

        Der Großteil der Therapeuten versucht, meiner Ansicht nach, schon die Menschen, die zu ihnen kommen gut zu behandeln. Mir wurde zb bisher nach einer Abweisung immer gesagt wie ich weiter vorgehen kann.

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      3. Der Verdacht mit dem Geld-verdienen, den ziehe ich nicht nur aus der Psycho-Branche, sondern auch aus anderen fachärztlichen Richtungen. (Mal nebenbei angemerkt: Arzt und kein Geld verdienen? Na dann, frag mal die Amerikaner, warum sie sich jeden Arztbesuch gut überlegen… Gäb’s keine staatliche Krankenversicherung hier, säh’s aber ganz anders aus. Das gäbe regelmäßig tellergroße Augen von den Preisen.)
        Was meinst du, warum z. B. bei Knie-OPs heutzutage die Krankenhaustage so sehr zusammengestrichen sind, dass man so wenig Zeit danach noch im Krankenhaus verbleibt?
        Hat nichts mit der Schlüssellochchirurgie zu tun. Haben die Krankenkassen mal so festgelegt, begründet mit den heutigen Methoden, bei denen nicht mehr so viel gehobelt wird und Späne fallen, und die Krankenhäuser versuchen einem jetzt schon regelrecht OPs aufzuschwatzen, damit sie auch mal in den Betten ausgelastet sind, damit die Einrichtungen rentabel laufen, weil die Patienten nur noch so kurze Zeit da sind.
        Aus medizinischer Sicht ist beides häufig eine Katastrophe… Die einen kriegen OPs, die sie nicht brauchen (und war man einmal dran, muss man immer wieder – dieses Eis bricht dann), und die anderen werden schon entlassen, da müssten sie sich eigentlich noch von der OP erholen und anständig auskurieren, damit sie sich nicht ’ne Woche mit Schmerzen oder Nichtbelastbarkeit zuhause herumquälen oder noch ganz andere Dinge draus werden.
        Also, Profit steckt in dem System schon lange drin, wenn man nur ein bisschen was unter der Oberfläche mitkriegt…

        In Ordnung ist es generell auch, wenn Therapeuten Leute mit Störungen bei sich behandeln, wofür sie sonst nicht unbedingt Experte in dem Fachgebiet sind. Manchmal erfordert es die Situation, dass es schnell gehen muss – anderes mal sind auch so viele Resourcen beim Patienten selbst zu holen, dass derjenige keine große allumfasende Krisenintervention braucht, sondern mehr so etwas wie „ärztlichen Rat“ oder „eine Meinung“ zu etwas.
        Es gibt auch Therapeuten, die von sich selbst aus so gestrickt sind „ich bin ja noch nicht am Ende meiner Karriere; mal was dazulernen!“ oder auf dem Schild zwar eines stehen haben, selbst aber in der Praxis einen ganzheitlicheren Ansatz verfolgen. Sodass es mehr darauf ankommt, was das komplexe Störungsbild ist, und ob sie damit bei einem Patienten zurechtkommen.
        Wo ich nur meine Magenschmerzen immer habe – und das aus Berechtigung, wegen ausreichend Erfahrungen (meine ich, jedenfalls): Es gibt eher wenige Therapeuten, die auf so einem guten Weg sind. Das liegt auch mit daran, wenn man sich selbstständig durch Psychologie und Fachliteratur durchstudiert und es selbst versteht. Man merkt dann nämlich, ob man es mit einem sturen auswendig-lern Idioten zu tun hat oder ob man’s mit jemandem zu tun hat, der da ähnlich gestrickt ist. Der sich mehr darauf konzentriert, ob er sich ein Bild von dir machen kann und meint, was für dich tun zu können.
        Auswendig-lern Idioten erkennt man nämlich recht schnell daran, dass sie inkompetenten und fachlich völlig unzutreffenden Kram über einen labern, selbst wenn du ihnen einen guten Satz Informationen über dich gibst, wodurch sie sich ein komplexes Bild von dir machen könnten. Bei anderen Fachärzten sieht das ziemlich ähnlich aus.
        Leute, die verstehen, was sie vor sich haben, agieren nämlich nicht wie die Trampeltiere und werfen dir sonstwas an den Kopf oder setzen dich vor vollendete Tatsachen in absolut ungünstige Konditionen. Die wissen wie unangebracht das in ihrer Profession ist, respektive haben sogar ein grobes Gespür dafür, was man einem Patienten sagen kann und in welcher Art man es besser vermiteln sollte, um keinen ernsthaften Schaden anzurichten.

        Deswegen sehe ich das Herumgedruckse auch in sehr negativem Licht. Es ist immer um die Wahrheit herumtanzen, obwohl es wichtig für dich ist, damit du weißt, worin du dein Energie verpulvern kannst, um daraus einen Gewinn und eine Verbesserung für dich zu ziehen.
        Kompetente Therapeuten sollten das erfassen können und auch in der Lage sein, einen Weg zu finden, dir das auf adäquater Weise beizubringen, sodass du nicht danach am Rad drehst.
        Herumdruckser – ich halte das nicht nur für eine falsch verstandene Art von Schonung, sondern auch für einen Weg, sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.
        Subtil gibt das nämlich die Schuld wieder an den Probanden zurück, weil man dem nämlich nicht offen sagt, was los ist. Und als Proband macht man sich dann nämlich schnell den Kopf, was man falsch gemacht haben könnte, ob man sich nicht genug angestrengt hat, sein Problem verständlich rüberzubringen und das alles.
        …Das halte ich kaum für etwas Wünschenswertes. Es vertieft den Schaden nur noch weiter, den derjenige eh schon mit sich herumträgt.
        Zudem: Psychisch angeschlagene Menschen sind immer noch vollwertige Erwachsene, sie sind nicht kognitiv minderbemittelt. Also kann man auch gefälligst mit ihnen reden wie mit solchen und nicht sie dauernd unter eine Käseglocke packen.
        Das normale Leben außerhalb der Therapieräume tut das auch nicht… Da nimmt kein Idiot auf der Straße Rücksicht drauf.
        (Versuche mir das gerade vorzustellen wie wenn jemand das mit einem Afghanistan-Veteranen machen wollte… Es würde mich wundern, wenn der nicht irgendwann wütend aus dem Korsett springt und geht, weil er sich verarscht vorkommt. Du hast Krieg und Tod hautnah gesehen und musst damit deinen Lebtag mit klarkommen – und dann kommt da einer an, der meint, dich in Watte packen zu müssen. Ja, von der Welt wie ein Schneeflocke behandelt zu werden hat dich auch gerade bisher deine beschissenen Erlebnisse überleben lassen, was?)

        Sorry für die Länge des Kommentars…

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      4. Ich habe nie gesagt, dass Psychotherapeuten kein Geld verdienen, aber sie sind keine Ärzte und verdienen auch erheblich weniger als (Fach)Ärzte. Und warum ist es denn so schwer eine Psychotherapie zu bekommen (im Vergleich zu einer Knie-OP)? Die Krankenkassen sehen in Psychotherapie nicht das große Geld, sonst würde es ja z.B. viel mehr Plätze geben. Ich finde hier muss man Arzt und Psychotherapeut differenzieren. Und ich kann nur was zum System der Psychotherapeuten sagen, bei Ärzten habe ich zu wenig Einblick. Denn das was man auf der Oberfläche oft sieht ist leider nur die halbe Wahrheit (wie du ja selbst sagst) und sich daraus eine endgültige Meinung zu bilden, finde ich schwierig. Und Profit spielt natürlich eine Rolle, aber das ist ja klar. So funktioniert unsere Welt. Ohne Geldsystem würde heutzutage alles zusammenbrechen. Demnach finde ich es auch hier wichtig nicht nur zu betonen wie geldgierig alle seien, sondern auch beide Seiten zu betrachten.

        Wenn du natürlich großteils negative Erfahrungen gemacht hast, dann ist für mich sehr gut nachvollziehbar, warum du Therapeuten so skeptisch gegenüberstehst. Wie gesagt, wir sind alle Produkte unserer Erfahrungen. Und ich bin mir auch sicher, dass es Therapeuten gibt, die nur auswendig Gelerntes wiedergeben (die Erfahrung hab ich noch nicht gemacht). Aber es ist immer wichtig zu verstehen, dass jeder Patient etwas anderes möchte und nicht jeder Therapeut zu jedem Patienten passt. Für andere ist es vielleicht hilfreich, wenn sie konkrete Angaben zu ihrer Störung bekommen. Das gibt ihnen Struktur. Es ist wichtig am Anfang mit dem Therapeuten zu kommunizieren, was man möchte. Dann kann sich der Therapeut darauf einstellen oder eben nicht. Und wenn es dann noch nicht klappt, dann ist es wahrscheinlich nicht der richtige Therapeut. Es wirkt jetzt hier so als würde ich alle Therapeuten verteidigen und in gewisser Weise tue ich das auch. Aber der Punkt ist, dass ich sagen möchte, dass es wichtig ist, nicht nur schlecht von ihnen zu denken, weil das deine Erfahrungen sind. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass es auch andere Erfahrungen gibt (meine zum Beispiel), die doch meist positiv waren und das dein (sowie auch mein) Bild die Dinge nicht ganzheitlich erfasst.

        Und kurz noch zu der Schonung: Anfängliche Schonung in einer Therapie hat rein gar nichts damit zu tun, dass ich einen Menschen nicht als vollwertig nehme. Klar, nimmt „da draußen“ keiner Rücksicht (obwohl das auch eine sehr starke Verallgemeinerung ist), aber genau das ist der Sinn einer Psychotherapie. Es soll ein geschützter Raum sein, indem ich mich öffnen kann. Und viele Menschen sind da wesentlich empfindlicher als du (nicht wertend gemeint). Und es ist auch wichtig zu differenzieren in welchen Bereichen man „hart“ ist und in welchen nicht. Mag sein, dass jemand z.B. mit Krieg und Tod zu tun hatte und in dem Bereich recht gefestigt ist, aber wenn es zu einem selbst kommt, er sich dann schnell verunsichert fühlt.

        Nicht böse gemeint, aber du verallgemeinerst mir zu viel. Es gibt so viele Facetten zwischen diesem Schwarz-Weiß-Denken, die durch die individuelle Wahrnehmung jedes einzelnen geprägt ist. Jeder möchte anders behandelt werden und in einer Therapie kann man das nur durch Kommunikation lösen. Sonst ist es klar, dass man, früher oder später, enttäuscht wird. Und wenn es dann noch immer nicht klappt (durchaus möglich), dann ist ein Therapeuten-Wechsel oder die Beendigung der Therapie angesagt.

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      5. Gut, ich gebe zu, was Therepeuten an Geld von der Krankenkasse gezahlt bekommen, wenn eine Therepie bewilligt ist, das weiß ich nicht.
        Konzeptuell der Sache aber angenähert, würde ich für mich eine Erklärung finden, warum das mit der Bewilligung so schwierig ist: Für Knie-OPs (bleibe man bei dem Beispiel mal) gibt es eindeutige medizinische Befunde, die man nicht einfach so ignorieren kann. Da müssen die dir bei den entsprechenden Befunden was genehmigen.
        Bei Psychotherapie sieht es insofern anders aus, dass es bei den meisten Fällen ein „Gefühlsding“ ist, also etwas, was sich nicht von außen mit Befunden bemessen lässt, sondern an die Befindlichkeit des Betroffenen gebunden ist. Ausnahme sind solche Situationen, in denen jemand was angestellt hat – wenn er für sich eine Gefahr darstellt oder für andere. Da gibt es dann kein Streiten, allein schon aus gesetzlichen Gründen.
        Organisch bedingte psychische Auffälligkeiten, diese sind ja wieder bis zu einem gewissen Grad objektiv nachweisbar – aber da ist nicht der Psychotherapeut der Ansprechpartner, sondern die Psychiater/Neurologen, weil diese die Fachkunde für Medikamente fürs Hirn haben.
        Also, rundum: Bei Psychotherapie kann man sich viel darum streiten, ob Behandlungen notwendig sind oder nicht. Das Potential ist hier einfach gegeben durch die Subjektivität.
        Und da man es mit einem System mittlerweile zu tun hat, das heruntergewirtschaftet wurde und profitorientiert wie der Konsumgütermarkt funktionieren soll, welches in Folge dessen dazu angehalten ist, sich um alle unnötigen medizinischen Behandlungen und Leistungen zu streiten, wird Psychotherapie – zwangsläufig – einer der Sektoren sein, in dem das öfter auch getan werden wird.
        Einfach, weil man in der Disziplin die Notwendigkeit generell leichter anzweifeln kann.
        (Und ja, in Geld rechne ich. Bei „Geld abschaffen“-Diskussion in der Polit-Sparte habe ich ’ne sehr eindeutige Meinung dazu. Ich bin nur der Ansicht, ein Gesundheitssystem sollte nicht nach Profiten funktionieren wie der Konsumgütermarkt. Das wurde mal dafür erfunden, nicht um reich damit zu werden, sondern um Menschen medizinische Leistungen zukommen lassen zu können, bei denen sie privat finanziell ruiniert wären, wenn sie diese aus eigener Tasche zahlen müssten. Das hat mal eine Menge soziales Elend geschaffen, das auch hätte leicht zu Umstürzen und Staatsstreichen führen können…)

        Das ist nicht einfach nur ein „schlechte Erfahrungen“-Ding, das kommt noch durch was anderes: Wie soll dir einer die Hilfe zukommen lassen, die du brauchst, wenn du selbst nicht mal genau sagen kannst, wo der Schuh drückt?
        In diesem System, generell, wirst du als Spielball durch die Gegend gekickt, wenn du dich selbst kümmerst und weißt, was du willst. Das nenne ich einfach eine Maßnahme im Rahmen dessen damit einem das nicht passiert. Damit man frühstmöglich an der richtigen Adresse landet.
        Was ich daran halt nur wieder unmöglich finde, ist, wenn du von denjenigen, denen du gegenübersitzt, keine Verortung ihrerseits vermittelt bekommst, dass sie eben nicht der Ansprechpartner sind, die du suchst. Dass der Spielball „Schuld“ auf dich zurückgeworfen wird, von wegen „du bist zu anspruchsvoll“ und solches. „Pass dich an die Bedingungen an, die wir dir zu bieten haben.“. Diesen Punkt finde ich kompletten Bullshit.
        Wenn ich freiwillig Hilfe suche, dann muss ich auch die Hilfe bekommen, die ich brauche, und nicht irgendwas abgespecktes Halbgares, was für mich gar nicht zurtreffend ist oder was sich mit meiner Art zu Denken überhaupt nicht verträgt.
        Ich will da nicht zu weit persönlich ausholen, aber eine Situation in der beschriebenen Art habe ich in anderer Hinsicht durch. Ärztin war zu doof etwas zu diagnostizieren, hat den Ball immer auf mich zurückgespielt, obwohl da nach wie vor Symptome und Probleme waren, die man nicht mit psychischer Belastung mehr erklären konnte. Befunde, dass da was ist, was da nicht hingehört, waren auch da – also Beweise dafür, dass es nicht daran liegt. Diese Abnormalität wäre trotzdem da, selbst beim ruhigsten und gelassensten Lebensstil der Welt.
        Jahre später, wo dies richtig ernsthafte Probleme bereitet hat, andere Ärzte einem gegenüberstanden haben und man sonst nichts finden konnte, was nicht stimmt, da hat man dann mal aus dem Nähkästchen geplaudert, was man so sonst noch für Beschwerden über die Jahre hatte und was für einen Verdacht man als Ursache hege.
        Mit dem Endprodukt: Diagnose bestätigt. Es ist das, was ich von Anfang an da als Bild selbst (!) erkannt habe.
        Hätte ich dieses Wissen nicht gehabt, diese Erkenntnis, was dem als Muster zu Grunde liegen könnte, wäre es wohl noch ein weitaus längere Tortur von Pontius zu Pilatus gewesen nach der Nadel im Heuhaufen.
        So war das ein Besuch im MRT – Schlamassel (scheinbar) gefunden. (Gesagt hat das einem keiner konkret oder ich weiß es nicht mehr, aber wie man danach mit mir umging, hieß sehr deutlich „ja, da ist was“. Wie ich eben gesagt hatte, dass da was zu holen sein könnte.)
        Auf Basis dessen gibt es heute Medikamente und alles dafür, was man bei dem Mist, der es ist, tun kann…
        …Und dieses Schema zieht sich durch alle medizinischen Leistungen durch, die man hier haben will. Es ist ein sich wiederholendes Schema.
        Willst du etwas konkretes abgeklärt haben oder eine konkrete Behandlung, musst du immer selbst mitdenken und am besten schon wissen, worauf die stoßen musst.
        Es gibt wenige Ärzte als auch Psychotherapeuten, die sich ein Bild davon selbst konstruieren können, was dein zugrunde liegendes Problem ist, wenn du nur ankommst und sagst „ich bin unglücklich – hier tut’s weh und da tut’s weh“.
        Da ich selbst sehr systematisch denke, merke ich das, weil mein Gehirn das in diversen Bereichen einfach kann und sich so verschiedenstes Wissen und Fähigkeiten aneignet.
        Ich merke das also irgendwann, wenn jemand in der Basis nicht so funktioniert, es aber für die vorliegende Sache notwendig ist, ganzheitlich zu denken und komplexe Informationsverarbeitung zu betreiben.
        Verstehste wie ich das meine?
        Und ich möchte ungern meine Zeit solchen Leuten verschwenden, wenn es um meine Gesundheit geht, die einfach nicht fähig sind, das Muster in der Mitte zu erkennen oder die für ein Thema einfach nicht der korrekte Ansprechpartner sind. Ich will nicht unnötig von jemandem gehalten werden, nur weil der was nicht versteht, aber meine Auswahl begrenzt ist, oder der mich für ganz andere Zwecke braucht. Es ist ja schließlich meine Lebenszeit, die da flöten geht.

        Bei der Schonung meinte ich nicht, dass man sich jemandem vorsichtig nähert, um erst einmal abzustecken inwiefern ich einen Patienten belasten kann.
        Es geht genau darum, dass man auch selbst weiterführend in der Therapie behandelt wird, als wäre man im IQ-Bereich für Schwachsinn oder als wenn man mit Samthandschuhen angefasst werden muss. Zumindest kenne ich das zu einem gewissen Maß schon selbst und Geschichten von anderen, wo solche Schemata auch wieder auftauchen, machen es nicht besser.
        Auch ist diese übermäßige Vorsicht ein Schema, was sich in Selbsthilfegruppen und -foren so wiederholt. Es gibt keine Sektion für solche, die diese Behandlung nicht haben oder die sich davon künstlich gebremst fühlen. Und deren Trigger-Bereiche, wenn sie welche haben, ganz woanders liegen. Keiner will die Verantwortung dafür übernehmen, aus Angst, da geht irgendwas schief, oder weil man damit komplett überfordert ist – allein schon mit der Idee, dass jemand mit einer ganzen Menge starken Tobak in seinem Kopf klarkommen muss und damit eher furchtlos als furchtvoll umgeht. Überall, wo du mit dieser Attitüde aufschlägst, wirst du rausgeschmissen, gebeten zu gehen oder über was anderes reden. Geistig unter den Teppich kehren.
        Ich vergleiche das häufig damit, wenn ich ernsthaft die Lust darüber verspüren sollte, aus dem Nähkästchen zu plaudern, von 10 Leuten würden da bestimmt 8-9 Leute Reißaus nehmen. Vielleicht würde eine Person noch sitzen bleiben.
        Und ich sitze da und frage mich „Leute, ich sollte doch anfangen, meine Geschichte zu erzählen! Was seid ihr denn für Luschen?“. Für mich ist das alles so normal und das Intensitätslevel so ein Standard, ich verstehe es einfach nicht, wovor da andere so sehr Angst haben. Außerdem, ich sitze ruhig da und erzähle das selbst alles ohne eine Panikattacke zu kriegen… Also, was meint man wohl, ob ich geistig „stabil“ bin oder nicht? Und wenn ich mich beruhigen muss, dann fange ich an, selbst Maßnahmen zu treffen, die das tun – dann ziehe ich mich schon von selbst zurück oder hör‘ auf zu reden… Ich bin doch schließlich nicht blöd und verbringe mit einer ganzen Menge Mist doch nicht erst seit gestern mein Dasein!
        Ach ja, und diese Reaktionen kamen eben auch nicht nur von selbst psychisch angeschlagenen Menschen, sondern auch von solchen, die sich eben mit diesen beschäftigen sollen. Die also so stabil sein sollen, dass sie sich den Kram anhören oder damit umgehen können sollen.
        Was soll ich also, im Großen und Ganzen, davon halten? „vertrauenserweckend“ sieht anders aus. Genauso wie, wenn du danach fragst, ob jemand für einen bestimmten Bereich eine Kompetenz hat oder damit umgehen könnte und dir in etwa die Antwort gegeben wird „muss man erst sehen“… Ja schön, hat se nun oder nicht? Ich wollte den Ort wissen, nicht wie das Wetter wird. Man kann ja wenigstens abschätzen, welche Art von Probanden zu jemandem geschickt werden, wenn man selber als Mediziner die Empfehlung für jemanden gibt.

        Da, schon wieder ein Roman geworden… Aber sei es darum. (Und nein, ich bin nicht wütend.)

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      6. Ich stimme dir vollkommen zu! Medizinische und psychotherapeutische Leistungen unterscheiden sich durch die objektive Nachweisbarkeit. Und wenn etwas offensichtlich nachweisbar ist, kann man als Krankenkasse schlecht wegschauen. Bei der Psychotherapie ist es auch deshalb schwierig, weil Patienten oft nicht von ihrem Leid berichten können. Auch bei mir denkt man auf den ersten Blick nicht, dass ich mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen habe. Das wurde mir auch in den Erstgesprächen schon gesagt. Es ist oft ein Leiden im Stillen, auch wenn man sich Hilfe holt (was meist eigentlich schon Grund genug sein sollte, das oft unsichtbare Leiden ernst zu nehmen, denn die wenigsten gehen gerne zu einem Psychotherapeuten).

        Und ich stimme dir auch zu, dass es im Gesundheitssystem ein Umdenken braucht, wo der Profit darin bestehen sollte, dass Menschen gesund werden oder noch besser gesund bleiben. Ich habe hier zu wenig Einsicht, aber nach meinem Empfinden müsste hier wirklich alles neu aufgerollt werden. Denn, wenn man den Fokus auf gesund anstatt krank setzt, wäre allein die Pharmaindustrie in vielerlei Hinsicht überflüssig. Es wäre schön, wenn sich was verändern würde, aber das ist wahrscheinlich utopisch. Vielleicht sollten wir aber nicht immer nur das Negative sehen, sondern auch schätzen, dass wir überhaupt ein solches Gesundheitssystem haben.

        Ich denke ich verstehe, was du meinst und im Ansatz habe ich das auch schon erlebt, dass ich konkreteres Wissen hatte als Ärzte oder Therapeuten. Da habe ich mich dann auch geärgert und ihnen Inkompetenz vorgeworfen. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob das (gerade im psychischen Kontext) fair ist. In der Psychotherapie sagt man, dass der Patient sein eigener Experte ist und der Therapeut der Experte des Störungsbildes. Man arbeitet sozusagen auf einer Ebene, was im medizinischen Rahmen eher weniger so ist. Aber das ist natürlich auch alles nur Theorie.

        Wie gesagt, zum medizinischen kann ich wenig sagen, aber aus therapeutischer Sicht ist es klar, dass ein Therapeut von einem „Mir geht´s nicht gut!“ nicht sofort sagen kann, worum es geht. Psychotherapie ist Zusammenarbeit und wenn ein Patient einen Verdacht einbringt, der sich dann bestätigt, dann ist der Psychotherapeut nicht automatisch inkompetent. Es ist unglaublich schwierig (wenn nicht sogar unmöglich) seinen Patienten ganzheitlich wahrzunehmen. Das kann man nur selbst. Es ist natürlich nicht richtig dir, für was auch immer die Schuld zu geben, wenn man nicht weiß, was los ist. Allerdings ist es ja auch oft tatsächlich so, dass sich Menschen etwas „einbilden“. Und hier zu differenzieren ist fast unmöglich. Dass man „nervige“ Patienten gerne loswerden möchte ist natürlich inakzeptabel. Wie oft das tatsächlich vorkommt, kann ich nicht sagen.

        Hast du denn angesprochen, dass du dich zu „sanft“ behandelt fühlst? Bzw. haben die Leute das gemacht, von denen du das gehört hast? Ich frage deswegen, weil auch ich mich gerne über Verhalten anderer beschwere ohne sie darauf angesprochen zu haben. Über andere schimpfen ist einfach. Ihnen das direkt zu sagen, schwierig.

        Ich stimme dir zu, dass übermäßige Vorsicht, wenn es um psychische Themen geht, ein Problem ist. Ich habe mal einen Beitrag zu Triggerwarnungen geschrieben, wo ich genau das anspreche. Und die Kommentare dazu haben mir gezeigt, dass das ein extrem schwieriges Thema ist, wie viel man wem zutrauen kann und sollte. Da ist das Empfinden sehr unterschiedlich und da jemanden als „Luschen“ zu bezeichnen, halte ich (um in deinem Vokabular zu bleiben) einfach für dumm. Genau solche Aussagen führen dazu, dass sich Leute nicht trauen über ihre Erfahrungen zu sprechen. Dadurch steigt Stigmatisierung. Du hast eine andere Ansicht davon, was „schlimm“ ist und was nicht, als andere. Und beide Seiten sind ok und man muss einen Weg finden, wie man miteinander sprechen kann, dass beide zufrieden sind. Da sind Kompromisse notwendig.

        Und ich glaube, dass du dir tatsächlich die Seite des Therapeuten bzw. Arztes auch manchmal zu einfach vorstellst. Klar, sagen sie dir manchmal, dass sie nicht konkret sagen könne, ob sie die Kompetenz haben. Sie wollen dir natürlich auch keine falschen Hoffnungen machen. Es würde dich doch bestimmt auch sehr ärgern, wenn sie gleich sagen würden „Ja, ich kann Sie behandeln“ und dann funktioniert es doch nicht. Da kann es tausend Gründe geben, warum das gerade in deinem Fall nicht funktioniert, obwohl deine Problematik im Grunde schon in den Kompetenz-Bereich fällt. Psychotherapie ist eben komplex, weil jeder Mensch anders und unglaublich vielschichtig ist.

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      7. Ich hätte mir diesen Punkt denken können, denn mentale Probleme sind eine Angelegenheit, die sehr, sehr subjektiv sind. Da gibt es keine Messwertskala, um das Leiden von unterschiedlichen Menschen gleichmäßig beurteilen zu können.
        Und bei allem, was nicht mit äußeren Mitteln zu vergleichen geht, da macht natürlich ein System, welches nicht mehr nur allein für die Bedürfnisse der Menschen da sein soll, dicht…
        Subjektiv, würde ich sagen, der Punkt, ab wann einem zugestanden wird, dass das eigene Leid einen Grad erreicht hat, das man Hilfe braucht, der liegt erst irgendwo in dem Bereich, wenn irgendwas passiert ist. Wenn man mit dem sprichwörtlichen „Kopf unterm Arm“ ankommt – man versucht hat, sich selbst was anzutun, anderen Gewalt antan hat (eventuell auch strafrechtlich verurteilt wurde) oder unter Substanzeinfluss versucht hat, irgendwas verrücktes zu tun, und von der Polizei eingesammelt werden musste.
        Dadrunter ist es irgendwie als wenn man „nicht genug leidet“, dass es – auch Therapeuten! – wert erscheint, dass man eine Psychotherapie braucht. Sozusagen, als wenn man „ein minderschwerer Fall“ ist.
        Ich sage bewusst „subjektiv“ hier, weil das mein eigener Eindruck ist, weil ich nichts davon schriftlich auf dem Kerbholz habe, und auf Grund dessen kam es mir, wenn ich in Berührung mit dem System „Psychotherapie“ kam, vor, als wenn ich auch nicht ganz ernst genommen wurde.
        Wenn du über bestimmte Formen von Gewalt sprichst oder offen sagst, dass du darüber eine Menge weißt, da sind manche Leute schnell, dir eine Drohung gegen sie hineinzureden oder eine potentielle Gefährlichkeit deinerseits für andere, auf der anderen Seite ist es aber so bizarr, da du bisher nie etwas getan hast, ist es als wenn „naja, du scheinst dich ja unter Kontrolle gehalten zu kriegen, also kann’s so schlimm nicht sein, was du hinter dir hast…“.
        Genauso eben auch in Verbindung mit anderen Dingen, wo solche Details, klar erkennbar, nicht als Hauptstrang deiner Probleme zu erkennen sind, sie aber doch eine merkliche Fußnote in deiner Entwicklung sind, wenn man das mal objektiv betrachtet, um was es da sonst geht.
        Also… wenn du z. B. über gewalttätige Impulse oder solche Gedanken berichtest, aber noch nie für so etwas offiziell verurteilt wurdest, weil es eben noch nie zu einer Auslebung dessen kam, dann wird das praktisch so in etwa behandelt wie „ist ja erst mal nur ’ne Aussage… woher weiß ich, dass das wirklich stimmt und mir mein Patient nicht nur auf Drama macht?“. (Komischerweise heulen aber hinterher alle, wenn dann doch eines Tages irgendwas passiert.)
        Oder, wenn du sagst, du leidest unter einem bestimmten Umstand, und das sogar ziemlich – so lang du nur vor dich hin leidest und kompensierst, ohne aber eine Sucht anzufangen oder selbstzerstörerische Tendenzen zu entwickeln, weil du das eben bewusst nicht willst, weil du weißt, es beseitigt deine Probleme nicht, so lang wird da ein bisschen lax herangegangen nach dem Motto, als hätte man alle Zeit der Welt, sich mit dem Problem zu beschäftigen.
        Und, ich finde, das ist nicht nur allein eine Herangehensweise, wenn es um die Vergabe von Therapieplätzen geht und wer wann dran kommt. Auch in der Therapie selbst wirst du wie „minder schwer“ behandelt, als „nicht so drastisch“ und „muss nicht sofort angegangen werden“ – das sagt man zwar nicht laut, aber unter der Oberfläche kommt das ein bisschen durch. So lang du keine Tendenz zum Blödsinn machen zeigst oder das schon getan hast, wirst du anders behandelt, als hättest du das schon getan. Dieses unterschweillige Schema meine ich.
        An ein kleines bisschen Dankbarkeit für ein allgemeines Gesundheitswesen mangelt es mir so nicht, das will ich an der Stelle mal nur gesagt haben.
        Dieses Thema regt mich an allen neunmalklugen Polit-Sprücheklopfern unter den Bloggern auch öfter mal auf, wenn diese wieder dazu übergehen, aus Machtlosigkeit auf dem Weltuntergang warten zu wollen, anstatt sich selbst etwas einfallen zu lassen.
        Spätestens wenn du irgendwie dazu kommst, auf ein Medikament angewiesen zu sein, bei dem du, wenn du auf den Abholzettel der Apotheke siehst, und den normalen Preis ohne Versicherung dadrauf entdeckst, dir die Augen rausfallen wollen, weil du weißt, das Zeug kostet mehr als dein monatliches Budget, was du zum Leben hast – dann kommt da doch ein wenig Demut dafür auf, für das, was es noch gibt als Gesundheitswesen. Ohne das, weißt du, würde es dir wesentlich schlechter gehen als jetzt, aber aus eigener Kraft bezahlen könntest du es nicht…
        Darum bin ich ein Freund davon, nicht erst bis zum Weltuntergang zu warten und sich erst dann eine Alternative einfallen zu lassen wie alles laufen kann.
        Da sind die klugen Sprücheklopfer bis heute nicht so richtig zu irgendwas gekommen… Jedenfalls nicht, dass ich es bisher gehört hätte.
        Mit dem Vorwurf „Inkompetenz“ halte ich es so, dass ich mich da strikt auf die Sachebene und die Fachebene beschränke. Ich weiß da durchaus verschiedene mentale Einstellungen und Ansichten durchaus von der Ebene „Fähigkeiten“ zu trennen.
        Und bisher, wenn dieser Eindruck bei mir entstand oder ich, für mich, den Leuten das vorgeworfen habe, dann ist das aus der Wahrnehmung entstanden, dass ich merke, jemand ist nicht richtig in der Lage, zu kombinieren – eins und eins zusammenzuzählen. Verschiedene Faktoren, die sich auftun, zu einem Bild zu formen. Generell ist er das nicht, oder nicht zu einem Bild, was der Realität entspricht, die vorhanden ist und von der ich auch berichte.
        (*seufz*) Wie soll man das treffend vergleichen? Das ist vielleicht wie als wenn zwei sagen, sie hätten Subjekt X als Hobby, aber sind beide auf sehr unterschiedlichem Level an Wissen und Skills unterwegs. Und einer von beiden merkt das über den anderen.
        Ist das irgendwie klar, dass der Erfahrenere, der eigentlich jemand noch erfahreneres als sich selbst gesucht hat wegen irgendeiner speziellen Problematik, dann von dannen ziehen will, weil er nicht das gefunden hat, wonach er sucht?
        Problematisch halt aber nur, wenn das, auf großer Flur, weit und breit die einzige Person ist, mit der er sich über dieses Hobby austauschen kann…
        Ich bin da auf der Sachebene auch sehr kritisch, weil ich selbst ein großes Potential in dem Fachbereich mitbringe und mein Gehirn da ähnliche Erscheinungen aufweist wie sich das in den Berichten von Hochbegabten auftaucht. Das ist nicht nur „äußere Gefahren abwehren“, das ist auch schon ein bisschen Wettbewerbsverhalten, wer hat die besseren Skills… Und die besseren Skills hat man objektiv nicht durch Gerede und narzisstisches Abwerten, sondern dadurch, indem man seine Fähigkeiten feilt und perfektioniert.
        Gegenüber bisherigen Therapeuten kann es sein, dass ich das nicht offen heraus angesprochen habe, das weiß ich nicht mehr.
        Es gab aber Situationen, in denen subtil, aber erkennbar, das Signal herüberkam „Bitte belästige mich nie wieder mit diesem Thema, das macht mir Angst!“. Das z. B. sein, wenn man über das Thema „Selbstverteidigung“ geredet hat und was man zu dem Zwecke – zu der Zeit – bei sich getragen hat, um sich wehren zu können, wenn einer von einem ernsthaft was wollte (nichts illegales in meinem Fall, darauf war ich immer sehr strikt bedacht).
        Wenn du dann mal ein Teil davon gezeigt hast (bloß wegen des Zeigens willen) und dann eine solche Reaktion kam wie „Bitte bringen sie dieses Ding nie wieder mit hierher in die Therapiestunde!“, dann weißt du eigentlich unmissverständlich, wie derjenige auf so etwas zu sprechen ist… (Auch, dass er dir nicht vertraut, dass Ding nie gegen ihn zu erheben.)
        Und solche Reaktionen – braucht man nicht zu erläutern, wieso -, wenn das Thema bei dir eine größere Rolle spielt, dann wirst du nicht gerade weiter in Richtung Öffnung gegenüber dem Therapeuten gehen, sondern vielmehr das Gegenteil davon.
        Bei Selbsthilfeforen kann ich hingegen klarer sagen, ist es für mich die bessere Vorgehensweise, wenn ich von vielem im Vornherein erst einmal gar nichts erzähle, sondern erst im Verlaufe hier und da ein oder anderen Krümel fallen lasse. Warum das Ganze?
        Gehst du gleich in die Vollen, so wie du es bräuchtest, wirst du schnell zurückgepfiffen werden, weil man das als „zu stark triggernd“, „gewaltverherrlichend“ oder irgendwas anderes übles einstuft.
        Einzige Ausnahme, die mir bisher unterkam, das war, weil das ein Forum war, indem es generell etwas härter zuging (da war die Selbsthilfe-Sektion aber auch nur ein aus der Not heraus geborenes Seiten-Ding). Da wäre es eher als deine eigene Verantwortung angesehen worden, wenn du manches nicht lesen willst, da man eigentlich klar erkennbar auf dem Schild außen lesen kann, um was für ein Grundthema es geht. Wer sich also registriert und mitmachen will, muss also mit einem gewissen Sprech als „Standard“ eben klarkommen. Vor allen Dingen nicht alles einzeln auf die Goldwaage legen. Es sei denn, einer wird da doch zu ausladend.
        Das ist es dann auch, was ich innerlich als „Luschen“ empfinde. Mir wird zuerst erzählt, man sei für vieles offen – alles, was sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen machen lässt -, und dann kommt man mir, wenn ich anfange, mich auszubreiten und mitzuteilen, wieder so an, dass ich mich doch wieder bremsen solle, weil viele anderen in der Runde anfangen – oder nur potentiell anfangen würden! – deswegen am Rad zu drehen. Nur weil ich eben nicht der Typus „reines Gewaltopfer“ bin, sondern auch die Einstellung hege, mir nicht alles gefallen zu lassen.
        Da frage ich mich natürlich berechtigterweise: Ja, was denn nun?!
        Entweder gibt’s da dann die Freiheit, dass jeder erzählen darf, was ihn umtreibt und was ihm behagt, oder eben nicht.
        Finde es in dem Fall dann auch immer als etwas hinterfotzig oder bescheuert, dass du dich am besten erst vorstellen sollst, damit du das Forum voll nutzen kannst, aber wenn du dich dann wirklich vorstellst und was deine Baustellen sind, dann fliegst du schon raus oder bekommst gesagt „du passt hier nicht“, weil du eben nicht dem gängigen Schema von „nur Opfer, die sich nicht wehren, benötigen Hilfe“-Kultur entsprichst.
        Thema hatten wir schon an anderer Stelle – dass es nichts für Täterpesönlichkeiten gibt, es sei denn, wenn die mal tatsächlich straffällig geworden sind…
        Diese „reine Opfer“-Zelebrierung ist da wirklich zum Kotzen! Muss ich mal so los werden…
        Als wenn Täterpersönlichkeiten keine traumatischen oder andere schlechte Erfahrungen haben könnten!
        Für meine Begriffe ist das eine gewisse Heuchelei und eigentlich sucht man da dann doch wieder bloß nach einem bestimmten Typus „Hilfesuchender“, anstelle sich an das zu richten, was es da draußen alles gibt.
        Und nein, ich denke nicht, dass ich mir das alles zu einfach vorstelle.
        Eher umgekehrt: Das Komplexe ist für mich leichter zu begreifen als für andere und ich begreife nicht, was daran so schwer sein soll, jemandem auf eine konkrete, sogar sehr spezifische, Frage auch eine konkrete Antwort zu geben.
        Ist nicht besser als eine Frage an einen Politiker bei Illner, die sich mit „ja“ oder „nein“ beantworten ließe, und der Klotz druckst mit Phrasen aus dem PR-Handbuch um die Antwort 5 Minuten lang herum bis man nicht mehr weiß, was man ihn noch mal gefragt hat.

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      8. Ich stimme dir zu. Wenn schon etwas passiert ist, wird die Notwendigkeit natürlich schneller erkannt. Bei mir wird auch eher jetzt angezweifelt, ob ich Hilfe brauche als damals als ich aufgrund der Magersucht im starken Untergewicht war. Wenn man es nicht sieht, dann wird oft (zumindest in der Verhaltenstherapie) mit Fragebögen gearbeitet. Und da lässt sich auch nicht alles aufdecken. Und man kann in der Regel nicht allen Hilfe anbieten, weil es nicht genug Plätze gibt. Und durch diesen Plätzemangel ist es leider notwendig, dass Therapeuten einschätzen müssen, wer (nach ihrer Einschätzung) eine Therapie braucht. Das ist schwierig und da passieren leider aber logischerweise Fehler. Dass dann der Aufschrei groß ist, wenn was passiert finde ich auch nicht wirklich angebracht – meistens zumindest.

        Leider ist es auch so, dass Therapeuten Patienten nicht behandeln dürfen, wenn sie „nur“ leiden und sich keiner offiziellen Diagnose zuordnen lassen. Es gibt hier ein paar „Tricks“ wie man trotzdem Anträge stellen kann, die bewilligt werden, aber manchmal funktioniert das nicht.

        Ich bin auch an vielen Ecken nicht zufrieden wie das Gesubdheitssystem läuft, aber ich glaube gerade in der Politik werden Menschen, die was verändern wollen so viele Riegel vorgeschoben, dass man oft nichts ändern kann. Und meiner Meinung kann man da nicht immer einzelne Personen dafür verantwortlich machen. Das ist ein System, das so viele verschiedene Interessen vertritt, sodass Veränderung wenn, dann nur schleppend oder in kleinen Anteilen umgesetzt werden können, ohne dass Menschen aufschreien. Aus deiner Sicht scheint vielleicht klar zu sein, was man ändern sollte. Aus Sicht eines anderen ist das wieder etwas vollkommen anderes.

        Ich finde deinen Vergleich mit der Kompetenz gut verständlich, aber wenn du ja praktisch schon auf einem höheren Level bist (in allen Bereichen), dann brauchst du ja eigentlich gar keine Therapie, wie du ja auch sagst. Das kann natürlich gut sein. Und es gibt immer Menschen, die kompetenter sind als die Menschen, die in dem Beruf arbeiten. Wo ich jedoch wieder etwas die Seite der Therapeuten vertrete ist, dass sie natürlich eine Gewisse Vorsicht gegenüber ihren Patienten wahren müssen. Die Patienten sind fremde Menschen, die sich stark verletzlich zeigen und dem Therapeuten Dinge erzählen, die sie noch nie jemand anderem erzählt haben. Da weiß man nie wie Leute reagieren. Diese Angst vor den Patienten sollte natürlich nicht im Vordergrund stehen und eigentlich sollte man es lieber Vorsicht nennen als Angst. Man kann seinen Patienten nie 100% vertrauen. Themen an sich aber dadurch abzuwürgen geht natürlich gar nicht.

        Ich kann natürlich nicht beurteilen wie ich auf Inhalte, auf die du dich beziehst, reagieren würde und ob ich es zu hart finden würde – besonders im therapeutischen Setting mit anderen. Dass man alles erzählen kann ist natürlich nicht richtig, wenn andere Menschen dabei sind außer der Therapeut (da sollte man schon alles ansprechen können). Aber ich stimme dir schon zu: Vieles ist ausgelegt auf eine Opferhaltung.

        Selbst, wenn die Antwort sehr konkret wäre (was glaube ich durchaus mehr Menschen erkennen als du denkst), ist es nicht immer so einfach für alle das zu sagen. Dir mag egal sein, was andere von dir denken (meist ein Vorteil) Um bei dem Beispiel mit dem Politiker zu bleiben: Wenn er konkret antworten würde, würde er vielleicht aus der Partei fliegen. Dadurch würde er seinen Job verlieren und er verliert seine Identität und seine Existenzgrundlage. Vielleicht will er ja auch Politiker sein und um das zu bleiben muss man sich manchmal an das (unehrliche) System anpassen, um dort hinzukommen, wo man hinmöchte. Ich sage nicht, dass dieses Verhalten gut ist. Ich würde aus diesem Grund auch kein Politiker sein wollen. Aber wie immer liegt es mir viel daran zu zeigen, dass mehr Prinzipien als Logik dahinter stehen, wenn es zu menschlichem Verhalten kommt.

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      9. Es kommt immer darauf an, wofür man Theapie sucht. Es existieren auch Dinge, wo daran kein Weg vorbei fühlt, weil du z. B. irgendwas vom Gesetz oder den Behörden willst – ich bleibe an der Stelle bewusst allgemein gehalten, denn ich müsste dafür zu persönlich werden. Und zu persönliches gehört für mich nicht in den offen für alle einsehbaren Raum. Unter vier Augen wäre das was anderes – aber eben nicht eine Kommentarspalte unter einem für alle sichtbaren Blog-Post.
        Darüber hinaus kann es auch Dinge geben, bezüglich derer man auch einfach mal mit jemandem darüber reden können muss, weil einen das plötzlich nach X Jahren umtreibt – selbst wenn da das Feld eigentlich schon abgeklärt ist und es nichts mehr neues zu sagen gibt.
        Ich entdecke das jedenfalls, dass das Gehirn so funktioniert – es kramt irgendwann immer wieder alten Kram aus, egal wie sehr es auch abgehakt ist.
        Oder – es gibt Problematiken, bei denen man merkt, man kommt dort selbst nicht weiter, beißt auf Granit. Und da kann es nicht schaden, wenn man mal die Meinung eines Außenseiters hat – am besten ist es dann, jedenfalls für mich, das von jemandem zu haben, der sich auch mit etwas mehr als bauernschlauen Sprüchen und „positive Gedanken“-Gelaber aus dem Alltag auskennt.
        Gewöhnliche Leute haben, jedenfalls in meiner Umgebung, dafür zu viel davon drauf – oder eben von dem alltagstümenden Denken „mein Haus, mein Job, meine Familie“, was zu meiner Situation gar nicht passt.

        Ich habe da wahrscheinlich eine sehr abgesteckte Denkweise: Die ganzen Zwänge von irgendwelchen Gruppen und Fraktionen oder aus dem persönlichen in allen Ehren, was bringt mir aber dieses ganze „bloß nicht das Gesicht verlieren!“, wenn praktisch dadurch kein wirklich ernsthafter Mehrgewinn entsteht? Wenn ich dadurch sogar den Mehrgewinn blockiere? Es hat keiner davon was, wenn mir andere die immer länger werdende Pinocchio-Nase ansehen und sich denken „der Arsch lügt wie gedruckt, der soll endlich die Wahrheit sagen!“. Image bäckt keine Brötchen und baut auch keine Brücken. Es ist alles eine Portion heiße Luft.
        Darum verstehe ich die Nummer nicht. – Und das, obwohl „Stolz“ für mich selbst ein sehr begleitendes Thema ist.

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      10. In manchen Fällen wird einem Therapie „aufgezwungen“ und dass das dann oft keinen Sinn macht, ist logisch. Und wie ich schon gesagt habe, finde ich, dass man alleine mit einem Therapeuten schon alles ansprechen können sollte. Da bin ich voll bei dir. In einer Gruppe ist das was anderes.

        Ich verstehe schon, was du meinst, aber der Mensch denkt nun mal nicht an das Allgemeinwohl bzw. den Mehrgewinn – zumindest nicht immer. So selbstlose Menschen gibt es kaum und in anderen Bereichen ist das auch gut. Auch mir ist es wichtig nicht das Gesicht zu verlieren und ich könnte dir nicht sagen, ob ich in solchen Situationen nach meinen Werten handeln würde (die ich rational betrachtet wesentlich wichtiger finde als Image) oder, ob ich, wie man so schön sagt, um den heißen Brei herumreden würde. Man will ja auch möglichst niemandem auf die Füße treten. Klar, rational betrachtet ist das Quatsch, aber der Mensch ist leider nicht rational, besonders nicht in schwierigen/Druck ausübenden Situationen.

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      11. Nicht unbedingt „aufzwingen“. Es gibt Dinge, wo das vielmehr offiziell als „Vorraussetzung“ für etwas, was du anstrebst, gesetzt ist – und genau da kommst du nicht darum herum, in Therapie zu gehen, ob du willst oder nicht. Da nützt es dir dann nicht mehr so viel, selbst über dein Problem gut im Bilde zu sein und es managen zu können – du musst, schlichtweg, auch jemand anderen davon überzeugen können, von dem Standpunkt, an dem du bist. Zum Beispiel Gutachten, die du brauchst für deinen weiteren Weg – die kannst du dir schlecht selbst schreiben… Musst du jemand anderes breitschlagen für, der offiziell auch die Kompetenz hat, sich dieses Urteil erlauben zu dürfen.

        Allgemeinwohl vs. Egoismus im Denken – das ist eine sehr große Frage der Konditionierung.
        Der Mensch wird da lediglich mit einer basischen Komponente (für Egoismus) geliefert, die aber auch vielmehr nur im Bestreben um das eigene Überleben und der eigenen Integrität fungiert.
        Egoismus, so wie es unter gesellschaftlichen Maßstäben verstanden wird – das hat vielmehr damit zu tun, wie man in seiner Entwicklungsphase als Kind behandelt wurde und in welchen Strukturen man aktuell steckt, was diese einem abverlangen, um den Tugenden der Gruppe zu genügen und keinen Ärger mit ihr zu bekommen.
        Von einer von vorn herein festgelegten Komponente da zu sprechen, das halte ich wissenschaftlich für Unsinn – und das dürfte die Psychologie auch bei ihrem derzeitigen Forschungsstand schon wissen.

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      12. Stimmt schon. Ich habe mich auch schon solchen Gutachten unterziehen müssen. Da muss man dann schon recht aufpassen wie man was sagt.

        Ich denke schon, dass Egoismus (und wie du schon schreibst, kann man ihn unterschiedlich definieren) eine „festgelegte Komponente“ ist, denn das Bestreben um das eigene Überleben ist Egoismus – ohne es hier als positiv oder negativ zu sehen. Und, wenn man sich, meiner Meinung nach gegenüber anderen sozial verhält, hat man selbst auch immer was davon. Ich bin der Meinung, dass es reinen Altruismus unter Menschen nicht gibt. Klar, verändert es sich – je nach gesellschaftlicher Lage – wie Egoismus ausgelebt wird und natürlich spielt auch die Lernkomponente mitrein wie stark er sich entwickelt (oder auch, ob er unterdrüclt wird), aber eine egoistische Veranlagung hat, meiner Meiung nach, jeder.

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      13. Ging mir noch gar nicht mal um den Umstand, solchen Gutachtern dann ein bisschen zu Munde reden zu müssen (ärgerlich, dass man diese Lügerei überhaupt machen muss – so viel zur „offenen“ und „toleranten Gesellschaft hier; haben Menschen die falschen Ansichten oder den falschen gefühlten inneren Status zu etwas, meint man schon, ihnen was vorenthalten oder eins ‚reinwürgen zu müsse – geile Form der „Akzeptanz“. „Niemand hat die Absicht, jemanden auf Linie zu trimmen“…).
        Auf jeden Fall musst du bei bestimmten Problematiken oder in bestimmten Situationen zu jemand externes, wenn du da was willst. Mit allem anderen kann man sich beibringen, selbst klarzukommen… Aber in den Punkten hilft es dir dann nichts, um ans Ziel zu kommen.

        Den basischen Egoismus, mit dem Menschen schon auf die Welt kommt, der sich im Überlebenstrieb am meisten äußert, da sähe ich kein Problem mit. Selbsterhaltung ist was „normales“, was logisches. Es wäre seltsam, wenn Kreaturen von vorn herein auf „Selbstaufopferung“ instinktiv „programmiert“ wären. Würden wahrscheinlich viele Tiere aussterben, noch bevor sie eigenen Nachwuchs hervorgebracht haben…
        Damit hat jedoch vieles, was heutzutage als „Egoismus“ unter gesellschaften Maßstäben bewertet wird und zu bewerten ist, nicht viel zu tun. Oftmals geht’s da gar nicht ums eigene Überleben, sondern eher „den Hals nicht voll kriegen“ oder „am besten bei wegkommen“, und letzteres teilweise auch noch ohne Sinn und Verstand.
        Da geht’s dann mehr um was, was man im Fachjargon „narzisstische Kränkungen“ nennt. Und dabei ist das menschliche Hirn sogar noch so seltsam – es ist für es egal, ob es dabei um eine lediglich subjektiv empfundene Kränkung geht oder um etwas, was man im entwicklungspsychologischen Sinne aus sachlichen Gründen so nennen müsste, weil es in den Bereich „Deprivation“ fällt.
        Es kann beide Varianten mit den selben Maßnahmen versuchen zu kompensieren.
        Erste Variante geht häufiger auch noch einher mit einer mangelnden vermittelten Form von Empathie – also, dass jemandem in seinem Denken angewöhnt wurde, er sei das Zentrum der Welt und er müsse mit nichts und niemandem teilen und auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen.
        Das ist dann also kein angeborener Egoismus mehr, sondern ein anerzogener.
        Der Betreffende würde nicht unbedingt so denken und handeln, hätte er einen ganz anderen Lebenslauf in frühester Kindheit gehabt.
        Befeuern oder abfangen können das in begrenztem Maße dann auch noch die Lebensumstände in der Gegenwart. Kommt ein auf sich fixierter Egoist nichts zum Zuge in seiner Umgebung, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu fügen und diese Impulse zu drosseln.
        Ist das Gegenteil der Fall braucht man sich nicht wundern, dass derjenige zum reinsten Gierschlund mutiert. Die äußere Ordnung setzt ihm in der Hinsicht keine Schranken, animiert sogar noch das eingeprägte egoistische Weltbild und es bietet gleichzeitig Möglichkeiten an, das problemlos auszuleben.
        Ein gutes Beispiel für den Vorgang sehe ich darin, wenn sich Leute wundern, wie „komisch“ manche nach der Wende „wurden“. Für mich ist die Sache ziemlich klar – die sind nicht erst „so geworden“, die waren schon vorher so geprägt. Vielleicht konnten sie’s auch zu einem gewissen Teil schon vorher leben, nur fiel das nicht jedem unbedingt ins Auge.
        Nach dem Wegbruch der alten (äußeren) Systeme, war dieser Prägung nicht mehr die übliche Grenze gesetzt, vielmehr gab’s dann ein System, was diese Denkweise unterstützt hat. Und genau darum sind manche Leute dann „auf einmal“ so komisch worden – materialistisch, vielleicht auch gierig, manchmal so Marke „wildes Leben“ (diverse unglückliche Beziehungen, gescheiterte Karrieren in West-Germany, vorher den Mund aber kräftig voll nehmen), andere Male auch depressive Alkoholiker oder Menschen, die sich abgeschrieben haben.
        Die Menschen hatten diese Prägung schon vorher in sich, die dann zum Tragen kam – vorher hat nur das äußere gesellschaftliche System und die vorherige Hierarchie bei den Meisten verhindert, dass diese offen zum Tragen kam.
        Letztendlich bleibt es aber immer noch ein „es war vorher da, es hätte sich darum gekümmert werden müssen – muss es auch jetzt noch!“ und es wird auch auf ewig so stehen bleiben, wenn nicht jemand selbst meint, da müsste sich was ändern. (Bitte jetzt nicht sonstwie propagandistisch interpretieren, einfach so stehen lassen wie ich das sachlich schildere.)

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      14. Ich finde es sehr spannend, was du schreibst! Ich muss auch zugeben, dass ich dazu relativ wenig sagen kann, weil ich mich in diesem Gebiet zu wenig auskenne. Es ist auch durchaus plausibel. Aber ich denke auch, dass es was Natürliches ist, dass wir versuchen „am besten bei wegzukommen“ und ich denke noch immer, dass hier biologischer Egoismus und anerzogener Egoismus miteinander einhergehen, denn gäbe es den biologischen Egoismus nicht hätten wir ja die Veranlagung gar nicht einer solchen „Anerziehung“ zu folgen. Und vielleicht verschiebt sich der Egoismus in andere Felder? Was absolut nicht implizieren soll, dass ich das gut fände. Das ist wirklich nur eine Überlegung von mir. Ich hab dazu keine theoretischen Hintergründe.

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      15. Wenn man zum Thema „Narzissmus“, oder gleich „narzisstische Persönlichkeitsstörung“, hinfindet, dann geht es da viel darum. Erfährt man eine Menge über diese ursprüngliche angeborene Komponente von Egoismus und dem, zu was für einer Perversion sie verkommen kann. (Man muss es so nennen, denn mit dem ursprünglichen „ich will überleben“ hat das dann in der Regel nicht mehr viel zu tun.)
        Wohlgemerkt, aber auch wie wichtig es teilweise ist, dass diese egoistischen Bedürfnisse als Kind von den Bezugspersonen auch wahrgenommen und bedient werden.
        Ist ein sehr gutes Thema um es zu veranschaulichen, dass zu viel nicht gut ist, zu wenig aber genauso nicht…
        Wenn du immer noch Psychologie studierst, müsstest du früher oder später mal was davon zu hören kriegen.

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      16. Ich denke, dass ich mich da eher selbst, damit beschäftigen muss, da im Studium fast ausschließlich Verhaltenstherapie behandelt wird (was schade ist) und dieser Ansatz scheint mir aus der psychodynamischen Richtung zu kommen.

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      17. Hm… Das ist jetzt auch mal interessant für mich als Information. (Ich glaube, dass ich mich über die Ausbildung im Fachbereich Psychologie beschwert habe, hatten wir schon, nicht?)

        Narzissmus, wenn ich es selbst grob einschätzen soll, dürfte als Themenbereich definitiv eher in die Tiefe gehen.

        Wie du das äußerst… Es fällt mir selbst auf, dass ich, glaube ich, sehr viel aus diesen eher tieferen Bereichen weiß. Dinge, die strukturell vergleichsweise komplex sind. (Obwohl sie mir als das auf, kognitiver Ebene, schon wieder nicht vorkommen, weil Psychologie generell etwas ist, wofür man sehr strukturell denken können sollte, um es zu erfassen. Also, es ist generell eine eher komplexe Disziplin. Ich wüsste nicht, wo sie einmal sehr simpel funktionieren sollte.)

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      18. Es geht zwischen verhaltenstherapeutischen vs psychodynamischen Verfahren nicht unbedingt (vor allem nicht in der Praxis) um Komplexitätsunterschiede, sondern mehr um eine unterschiedliche Herangehensweise. Also, wie du schon schreibst, ist alles komplex. 😉

        Dass gerade psychodynamische Aspekte (die beim Narzissmus oder grundsätzlich bei Persönlichkeitsstörungen eine große Rolle spielen) nicht so stark im Studium vertreten sind, liegt zum einen daran, dass Psychologie im Studium als Wissenschaft vermittelt wird und hier spielen Evidenzbelege eine extrem große Rolle. Und zur Verhaltenstherapie gibt es viel mehr Studien, somit mehr Evidenz, weshalb hauptsächlich dieser Ansatz an der Uni gelehrt wird. Wenn man sich nach dem Studium dazu entscheidet Psychotherapeut werden zu wollen, dann kann man sich auch in Richtung der psychodynamischen Ansätze ausbilden lassen. Da kommen dann die Themen dran, die du beschreibst. Deshalb beschäftigt man sich im Studium auch nicht sooo stark mit Störungsbildern, weil noch viel Platz für anderes bleiben muss (für andere Felder der Psychologie). Das ganze kann man jetzt gut oder schlecht finden, aber so verläuft nun mal im Moment (noch) die Ausbildung.

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      19. Aha – soweit wusste ich das nicht.
        Wenn es erst einmal als Wissenschaft gelehrt wird und nicht als etwas, was man praktisch am Menschen anwendet, dann macht das Sinn, dass solche Ausbildungszweige erst im Anschluss daran gesetzt werden und dort das alles erst auftaucht, was man dafür benötigt.

        Dennoch – aber das ist jetzt wohl nur meine Meinung -, ich sehe nicht so ganz, warum dort die psychodynamischen Konzepte nicht auch drin vorkommen sollte. Nur weil sie weitaus dynamischer, unsicherer, sind als Dinge, die man Stein und Bein fest „beweisen“ kann?
        Selbst psychologische Studien, die angeblich empirische Beweise liefern, sind in der Disziplin ein heißes Eisen, weil es so abhängig davon ist, mit welchem Filter derjenige, der die Studie in Auftrag gibt, der, der sie durchführt, und der, der die Ergebnisse dann interpretieren soll, an die Sache jeweils heran geht. Also ist da faktisch auch so die Gefahr von Fehlinterpretationen und Trugschlüssen gegeben… Das leuchtet mir da doch nicht so ganz ein.
        Ein anderer Punkt ist dann auch der: Sind Menschen nicht sowieso immer dynamische, sich verändernde Kreaturen? Also wie an einen starren Holzklotz, von dem immer die selbe Antwort kommen würde, kann man da doch nicht rangehen…

        …Na ja, wohl der große Unterschied, wenn man nicht vom Studium, als vielmehr von den großen Vorvätern der Disziplin zur Psychologie gekommen ist. Die konnten auch nichts weiter tun als menschliches Verhalten beschreiben und ihre Interpretation darauf abzugeben; welche Vorlagen hatten sie denn schließlich damals? Die größte Erklärung für menschliches Verhalten war lange Zeit „Gott“ und böse Geister, und damit war alles der weiteren Deutung entzogen, weil dann der Deckel von „können wir nicht verstehen – sollen wir auch nicht verstehen“ drauf lag.
        Die mussten also damit anfangen, überhaupt erst einmal die einfachsten Ansätze und Konzepte zu entwerfen wie der Mensch so funktioniert und warum er sich bei Fehlverhalten so benimmt wie er’s tut. Auf etwas schon bekanntes zurückgreifen konnten sie nicht.
        Und selbst darunter dürfte es eine Menge Fehlinterpretationen gegeben haben – oder Dinge und Konzepte, die zum Teil wahr, zum Teil aber auch falsch waren…
        Wenn die irgendwann damit mal anfangen mussten, was ist dann daran so schwer, das selbst auch zu tun? Man hat gegenüber ihnen sogar einen großen Vorteil: Man selbst hat heute das Wissen der Vergangenheit verfügbar und gewisse Kenntnis darüber, welche Interpretationen verworfen werden können, weil sie sachlich nicht stimmen. Einem selbst steht da also eine wesentlich größere Orientierungshilfe zur Verfügung, worin Zusammenhänge bestehen (auch nur können) und worin nicht… Das Irren oder Richtig-liegen grenzt sich also schon viel weiter ein als noch zu Beginn.

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      20. Das ist nicht nur deine Meinung. Ich finde es schon auch regelmäßig schade, dass das Psychologiestudium nur Inhalte als gut befindet, wenn sie wissenschaftlich gestützt sind. Denn, wie du ja auch schreibst, Studien sind so verfälschbar – egal ob beabsichtigt oder nicht. Ganz ehrlich, ich habe das Vertrauen in Studienergebnisse großteils verloren, weil, wenn man auch etwas die methodischen Hintergründe kennt und selbst schon Studien durchgeführt hat, dann gibt es kaum Studien, die reine Ergebnisse liefern. Das ist natürlich eine recht negative Einstellung von mir. So dramatisch ist es natürlich nicht und es hat auch schon viel Fortschritt durch Forschung gegeben, aber es gibt eben auch viele Mängel.

        Es gehen eigentlich alle therapeutischen Ansätze, die ich kenne, von Veränderungen aus. Psychodynamische Ansätze beschäftigen sich nur eher damit im Hinblick auf die Vergangenheitsaufarbeitung, während Verhaltenstherapie versucht das Problem eher im Hier und Jetzt zu lösen. Natürlich ergänzen sich beide Ansätze und ich finde beide haben ihre Berechtigung – es kommt auf das Störungsbild an und den Menschen, was besser passt.

        Und ich finde, dass letztendlich jeder seine eigenen Schlüsse zieht. Wenn man dazu noch Fachwissen einholt und das kritisch reflektiert, kann man sich natürlich auch selbst eine gute Meinung bilden. Eigentlich sollte das ja auch jeder genauso tun.

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      21. Soll ich mal was böses sagen?
        Irgendwie ergeben sich mehr und mehr Gründe, warum es ganz gut ist, sich nicht über die Uni durch den Themenbereich durchstudiert zu haben. Mit dem inhaltlichen Input hätte ich, denke ich, nicht das Wissen aus der Disziplin, dass ich habe, geschweigedenn die Analysefähigkeit.
        Vielleicht hätte man das eine oder andere Wissen mehr, aber ich nehme an, es wäre im Gesamtumfang und von der Vorstellungskraft der Dynamiken her spürbar weniger.
        Für meine Begriffe jedenfalls klingt das nicht wie etwas, womit man lernt, Menschen hinter die Stirn zu sehen. Irgendwie geht’s darum aber in der Psychologie… Um das grundlegende „Betriebssystem“, was im Menschen so abläuft und welche Entwicklungspfade/Eventualitäten sich daraus ergeben können.
        Und dabei haben – mir jedenfalls – die Modelle von anderen stets weitergeholfen, wenn diese bis heute in der Fachwelt grundlegend als erwiesen gelten.
        Gut, ich denke dabei wahrscheinlich auch oft interdisziplinär – also, für mich ist jedenfalls Soziologie z. B. nicht so haarscharf getrennt davon. Da weiß ich nicht, inwieweit das auch offiziell in der psychologischen Fachwelt so gehandhabt wird.
        In der westlichen Welt wird in der Psychologie die Außenwelt nämlich gern etwas vernachlässigt und viel konzentriert sich auf das Individuum, obwohl Gruppendynamiken bei Menschen als sehr soziale Tiere durchaus vorhanden sind. Teilweise wird dazu auch Forschung angestellt und wurden Modelle über die Funktionsweisen der Dynamiken aufgestellt, aber in der Praxis findet es dann doch recht wenig Anwendung – es sei denn, wenn es im Dienste der Werbeindustrie und politischer Propaganda ist. Oder wenn es um Minderjährige geht, weil da die Eltern nicht einfach übergangen werden können.

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      22. Dann hast du ja für dich den richtigen Weg gewählt. Das ist doch schön! Jedem liegt was anderes und für mich ergibt das Studium durchaus Sinn, nicht zuletzt allein schon deswegen, weil ich in dem Bereich später arbeiten möchte.

        Es gibt ganz unterschiedliche Disziplinen und im klinischen Bereich, also dann auch in der Therapie, geht es großteils um das Individuum. In der Sozial- , Arbeits- und Persönlichkeitspsychologie steht schon die Umwelt stark im Fokus. Ich gebe dir recht, dass in der Gesellschaft Wissen über z.B. Gruppendynamiken nicht so stark verbreitet ist (auch wenn es extrem viel Forschung dazu gibt). Da müsste man wahrscheinlich in der Schule anfangen solche Dinge zu vermitteln, denn man kann nicht von jeder Person verlangen, dass sie sich damit beschäftigt (wobei aufgezwungenes Wissen ja auch meist nicht gut wirkt). Außerdem reißt das eine ganz neue Diskussion an, wenn man darüber entscheiden möchte, was in Schulen gelehrt werden soll. Wahrscheinlich eine Diskussion ohne richtiger Antwort…

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      23. Ich meinte das eher anders: Wenn jemand persönlich Therapie macht, wird sehr auf die Ressource „der Patient, der vor mir sitzt“ abgestellt.
        Wenn du dysfunktionale Verhaltensmuster aufweist, die durch äußere Bedingungen erst entstehen oder sehr verstärkt werden, wird nicht versucht, dieses Umfeld mit einzubeziehen, um die Quelle des dysfunktionalen Verhaltens in diesem Fall auszutrocknen, sondern es bleibt vieles dabei „lernen sie selbst damit umgehen und sich zu entfernen, wenn es ihnen nicht gut tut“.
        Ja, wie oft diese Vorgehensweise nicht so einfach durchführbar?
        Wie oft haben die Probanden für das „sich selbstständig entfernen aus diesem Umfeld“ schon nicht die nötige Kraft? Oder – wie oft kommt es vor, dass man durch materielle Abhängigkeiten nicht einfach so mir nichts dir nichts aus dieser Bindung aussteigen kann?
        Die einzige Situation, wo daran mit externen Mittel immer fest gearbeitet wird, das ist bei Minderjährigen. Weil diese vom Gesetzgeber ganz anders gelagerte zugestandene Ansprüche haben.
        Sobald du aber erwachsen bist, steht alles erst einmal auf „ist deine Sache!“. Kümmerst du dich nicht, kümmert sich gar keiner… Ist allen alles faktisch egal.
        Und wo es mal anders ist, ist es auch nur aus Gründen um „Brandbekämpfung“ zu üben. Bewährungshilfe, gesetzliche Betreuer, Zwangseinweisung, wenn du für andere oder dich selbst eine Gefahr darstellst, oder wenn du besoffen im Rinnstein liegst (hilflose Person)…
        Es gibt kein wirkliches Konzept, mit dem auch mal Familie oder Freunde mit herangezogen werden, weil sie als Support-System den Probanden stabilisieren oder noch weiter kirre machen können.
        Bei Demenzkrankheiten macht man das heutzutage schon etwas, weil es auf Grund des Verlustes der geistigen Funktionen nötig ist, Angehörige zu informieren wie sie damit umzugehen haben. Bei Drogensucht auch noch wegen der Rückfallgefahr.
        Mir wäre das lieb, wenn das bei anderen psychischen Krankheiten oder Handicaps auch so getan werden könnte – und das nicht nur im Falle von eventuellem Verlust der eigenen Zurechungsfähigkeit (wie das bei einer Psychose oder Schizophrenie auch der Fall sein kann, weil die Gehirnchemie verrückt spielt).
        Weißte – damit das Spiel nicht so weiter geht, ebenso dysfunktional funktionierende Leute, mit denen man unter einem Dach wohnt, wundern sich und machen Drama jeden Tag, weil der eine von ihnen, der nicht so weiter leben will, sich plötzlich nicht mehr bedingungslos ihren eigenen dysfunktionalen Mustern anpasst. Welcher Mensch mit mentalen Problemen soll dabei gesunden, wenn ständig Druck auf einen ausgeübt wird, sich doch wieder so zu verhalten wie es für einen nicht gesund ist?
        Bei vielen läuft das nämlich so weiter, weil sie überhaupt nicht im Klaren darüber sind, dass auch sie eine Quelle dessen sind, warum jemand aus ihrer Mitte einen Psychotherapeuten aufsucht.
        Die Forschung weiß aus dieser Richtung eigentlich relativ viel schon, aber es kommt in den wenigsten Behandlungsmethoden aktiv zum Einsatz, weil man in der westlichen Welt irgendwie immer noch meint, es ist rein jeder für sich selbst verantwortlich und es sind alle jederzeit bewusst denkende Lebewesen, die sich auch einfach umentscheiden können, wenn sie Lust dazu haben, und wer das nicht kann, der hat einen schwachen undisziplinierten Charakter.
        Das ist ziemlicher Unsinn.

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      24. Ich stimme dir vollkommen zu. Es ist oft nicht leicht, sich einfach selbst rauszunehmen. Manchmal geht es auch einfach schlichtweg nicht. Warum das in der Therapie meist Schwerpunkt ist, liegt bestimmt daran, dass man ja das Umfeld nicht unbedingt überzeugen kann etwas zu ändern, wenn es kein Problem sieht. Solange es dem Umfeld gut geht verändert es nichts. Und deswegen ist es die einzige Möglichkeit, dass die Person selbst was ändert. Ist natürlich nicht ideal und ich finde auch, dass das Umfeld immer ein großer Bestandteil ist und sich meist eigentlich mitverändern müsste, um nachhaltige Effekte zu erzielen. Das sollte definitiv mehr Bestandteil von Therapie werden, aber leider geht es schon deswegen nicht, weil sich viele Angehörigen sträuben nur einen Fuß in eine Psychotherapie-Praxis zu setzen.

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      25. Ich glaube, es ist gar nicht mal nur das Stigma, was abschreckt.
        Wenn Angehörige mit in eine Psychotherapie gehen müssten, hieße das ja für sie selbst, dass sie in irgendeiner Art und Weise verquer ticken, sodass sie jemand anderen von ihnen damit krank machen. – Und das ist ja was, was viele schon gar nicht mal zugeben wollen; bei denen ist immer nur das schwarze Schaf der Schuldige, welches nicht zu vollster Zufriedenheit ihrer dysfunktionalen Muster tickt. Das Ding soll gefälligst keine Therapie machen, wo es Flausen in den Kopf gesetzt kriegt, was anders zu machen, sondern soll nur wieder zurück in die vorgesehene Bahn…
        Trotzdem muss man wiederum sagen: Bei Jugendlichen macht man es doch auch so. Und selbst da gibt es auch keine Garantie darauf, dass die Angehörigen so mitmachen wie es die Situation erfordern würde. Was ist also so schwer daran, ein ähnliches Konzept auch bei Erwachsenen zu erarbeiten?
        Ich denke, da mangelt es ein bisschen an Wille zur Innovation.

        Bezogen auf die Arbeit, wenn man da auch jemanden ins Boot holen wollte (weil der Job ja auch eine entscheidende Rolle bei so was spielen kann), dann müsste sich nicht nur im einzelnen, sondern an der Arbeitsweise der Wirtschaft allgemein was ändern.
        So wie es jetzt ist, wäre ein Einbezug der Arbeitsstelle nur wie ein sicheres Ticket zum Rauswurf.
        Mit Leuten, die Probleme haben und kürzer treten müssen, will man sich nicht lange plagen, das ist nicht im Sinne von Profitmaximierung und Gier.
        Ganz besonders bei Arbeitsplätzen, wo die Mutterfirmen weit weg vom eigenen Standort oder im Ausland sitzen und wo man allerhöchstens lediglich eine Nummer in ihrem System ist. Da wird auf den Einzelnen nicht wirklich Rücksicht genommen, wenn man jederzeit Produktionsstätten in ein anderes Land verlagern kann (und damit jederzeit die Möglichkeit hat, sich aufkommender Probleme jeglicher Art zu entledigen).

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      26. Sorry, dass ich erst so spät antworte.
        Ich stimme dir zu. Es ist echt schwer das Umfeld miteinzubeziehen und wie du schon schreibst liegt es auch in großen Teilen daran, dass Leute dann selbst glauben sie seien das Problem, nicht der eigentliche „Patient“. Und ist es denn nicht schon genug, wenn man Kind/Partner/etc. zum Therapeuten geht? Dann sollen sie ihn oder sie wieder geradebiegen und gut ist es. Das ist leider schon noch ein weit verbreiteter Gedankengang.
        Es stimmt, dass man bei Kindern und Jugendlichen versucht die Eltern miteinzubeziehen – mit Betonung auf versucht. Das klappt leider auch oft mehr schlecht als Recht. Und wenn man es irgendjemanden aufzwingt „mitzuarbeiten“ wird es sowieso nichts. Ja, hier muss sich etwas ändern.
        Und leider ist das Leute mit ins Boot holen im Arbeitskontext noch schwieriger, denn auch hier muss ich dir zustimmen. Alles, was Probleme macht ist schwierig und wenn ich keinen persönlichen Bezug zu der Person habe, entscheide ich mich im Sinne des Systems und nicht im Sinne der Person. Das ist traurig, aber ich glaube auch, dass es hier schwierig ist ein Umdenken zu erreichen. Wahrscheinlich muss man sich mit kleinen Schritten zufrieden geben. Natürlich keine befriedigende Lösung, aber ein System, dass für alle funktioniert und wo sich die Menschen um der Menschen Willen umeinander sorgen wird es nie geben

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      27. Das „glauben“ selbst wäre, aus meiner Sicht, nicht das Thema daran.
        Allzu oft ist es faktisch sogar so, dass das Umfeld seinen Beitrag dazu leistet, dass jemand so kaputt ist wie er ist.
        Nur, vielleicht wirst du es aus der Praxis selbst kennen; Wie gern sehen Menschen gerne in den Spiegel? Wie gerne sehen sie sich selbstkritisch ihr eigenes Verhalten an?
        So was setzt vor allen Dingen eigene geistige Reife voraus.
        Leute, die aber mit dysfunktionalen Mustern schon kommen, finden genau das in ihrer Umgebung am wenigsten vor. Da sieht es dann in der Praxis so aus „wir alle machen alles richtig, nur das schwarze Schaf der Familie, das muss von allem immer aus Prinzip das Gegenteil machen…“. Einflüstern von Schuldgefühlen ohne Ende…
        Bei denen ist die Einsicht gleich null – bei ihnen stimmt alles, selbst sogar wenn sich sogar täglich geprügelt wird… Gehört halt zum Leben dazu.
        Bloß nicht von anderen annehmen, dass man sich ändern muss und doch nicht die perfekte Familie ist, die man sich selbst vorgaukelt, zu sein… Es könnte ja das eigene Weltbild zerstören und einen aus seiner Komfortzone herausholen.

        Also, was man jedenfalls in der Beziehung versuchen könnte, wäre, sich dafür ein Konzept auszudenken wie man eine solche Art „Gruppen-“ oder „Familien-Therapie“ gestalten und umsetzen könnte. Ich denke jedenfalls, auch bei kooperationsunwilligen Angehörigen, sollte man es nicht versäumen, denen auch mal klipp und klar zu veranschaulichen „Leute, an diesem Zustand seid ihr mit Schuld! Wenn ihr eure heile Welt wieder haben wollt, seht zu, dass ihr was an eurem Konzept ändert! Oder ihr könnt sie gleich für immer in die Tonne treten!“.
        Gerade weil auch das Klischee „dummes Psychogelaber“ sich nach wie vor munter hält, wäre es nicht verkehrt, das mal auch anschaulich zu machen, damit auch bei unwilligen Angehörigen oben im Kopf ankommt „Wenn ich meine Komfortzone wieder haben will, muss ich was tun – oder ich muss mich von einer Person trennen.“ Und gerade, weil doch öfter die Nummer „Familie darf sich nicht trennen“ gilt, wäre es gut das als willentliche Entscheidung den Betreffenden deutlich zu machen. Zurückkehren zu alten Zeiten geht nicht – Person haben wollen ohne die Veränderungen im System gibt’s auch nicht. Entweder Person weg, dann kann man in seiner Komfortzone bleiben und nichts ändern (dann soll man aber auch nicht jammern, man hat sich selbst dazu schließlich entschieden, es zwang einen ja keiner dazu), oder Konzept und Denkweisen ändern, dafür kann man die Person in seinem Dunstkreis behalten.
        Manche Leute, würde ich jedenfalls meinen, brauchen diese Härte, damit ihnen das klar wird. Damit sie begreifen „wünsch dir was“ ist nicht. Sie wollen gern „wünsch dir was“ und ticken wie die kleinen Kinder. Nicht entscheiden, sondern sich gierig ohne Impulskontrolle überall vollfressen… Obwohl es lang erwachsene Leute sind.
        Erwachsenes Verhalten von ihnen abzufordern, würde ich meinen, wäre in dem Punkt daher gar nicht so verkehrt, damit es irgendwo registriert wird, dieses instinktiv kindliche Denken gilt hier nicht. Sozusagen, dass man es als Therapeut auch von denen abfordert: Nachreifen. Egal in welcher Ausprägung. Entscheidet ihr euch, ihr wollt nichts ändern, hat das Konsequenzen, mit denen ihr leben müsst – wollt ihr was ändern, dann hat das ebenso Konsequenzen, mit ihnen ihr leben müsst. Egal wie – Konsequenzen hat beides… Nicht nachreifen und lernen mit etwas umzugehen ist nicht.
        Verstehst du, wie ich das meine?

        Wäre jedenfalls eine Herausforderung, für die man sich etwas einfallen lassen könnte.
        Die Auswahl von Therapieansätzen nimmt immer noch zu, warum also nicht in solcher Richtung was machen (wenn es nicht dafür schon was gibt)?

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      28. Viele Menschen hinterfragen ihr (falsches) Verhalten sehr wenig. Schon gar nicht, wenn sie keinen Grund dafür sehen. Und oft gibt es kein Verständnis, dass man selbst nun Teil einer Therapie werden soll, obwohl derjenige in Therapie ja eigentlich das Problem sein/haben soll. Es tut weh, vielleicht auch nur indirekt, vorgeführt zu bekommen, dass man selbst Teil vom Problem ist und diesen Schmerz bzw. diesen „Angriff“ auf den Selbstwert, gilt es abzuwehren – am einfachsten mit Ignoranz und ohne Einsicht.

        Ich verstehe sehr gut was du meinst und finde den Ansatz auch sehr gut, den du schreibst. Ich bin auch klar dafür zu sagen, was Sache ist. Dabei muss man ja nicht unfreundlich oder unsensibel werden. Allerdings ist es natürlich dann leider wieder so, dass die Beteiligung von Angehörigen ja weitgehend freiwillig ist und ich bezweifle, dass man mit dem klaren Aufzeigen der Lage Angehörige davon überzeugen kann mitzuarbeiten. Ich denke dann greift schnell die Problematik, die ich anfangs beschrieben habe. Konfrontation (auch gutgemeinte) wird von vielen Menschen (fälschlicherweise) als Angriff auf ihren Selbstwert verstanden und dann flüchten z.B. die Partner schneller aus der Therapiepraxis als man schauen kann. Andererseits bleibt vielleicht doch etwas hängen und früher oder später werden sie sowieso sehen, was sie davon haben, weil ja genau die Situation eintritt, die du beschrieben hast.

        Aber wenn man wirklich mit dem Ansatz kommt, dass man an den „Erwachsenen“ appelliert, dann hat man vielleicht eine Chance, weil niemand gerne als Kind abgestempelt wird. Was du beschreibst, hat auf jeden Fall Potential und ich denke auch, dass es Wirkung zeigen würde. Allerdings sehe ich, wie gesagt, das Grundproblem immer noch darin, dass man in den wenigsten Fällen Menschen aus dem Umfeld zwingen kann bei einer Therapie mitzumachen.

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      29. Kann sein, dass das generell erst mal hart auf diejenigen wirkt.
        Und selbst wenn die Angehörigen erst mal aus der Therapiestunde laufen – irgendwas arbeitet bei den meisten doch im Nachhinein… Es bleiben tendenziell doch eher weniger Personen dabei, ihre vorherige Weltsicht zu behalten und sie Stein und Bein zu verteidigen.
        Bei denjenigen, bei denen das der Fall ist, bei denen ist natürlich nichts zu holen und bei denen braucht man es auch nicht weiter zu versuchen.
        Eben hat es dann aber auch die genannten Konsequenzen – Betroffener, der in Therapie geht, ist dann aus dem Familien-/Bekanntenkreis weg. Allein schon zum Selbstschutz.

        Ich würde auch sagen, so ist das nun mal, wenn man sein Spiegelbild vorgehalten bekommt. Da wird vieles hässliches mit dabei sein… Wer nicht bereit ist, das zu ertragen, der braucht von keinem Angehörigen, der freiwillig in Therapie geht, erwarten, dass er noch regelmäßig sonntags zum Kaffee vorbeikommt und so tut als ob nichts wäre.
        Eine Rückkehr in die Konfortzone ist eben einfach nicht mehr möglich.
        Und das muss vor Augen gehalten werden, das muss zu spüren sein.

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      30. Ich bin auch der Meinung, dass bei den meisten Menschen zumindest irgendwas hängenbleibt. Und somit ist es ja schon besser als nichts. Außerdem spüren sie letztendlich die Konsequenzen ohnehin früher oder später, wenn der Betroffene in Therapie entsprechende Konsequenzen zieht.

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      31. Jeca (Psychologik)

        @matrixmann: Fallpauschalen haben wir in der ambulanten Psychotherapie nicht – es wird schlicht nach Stunden abgerechnet, die die Kasse im Vorfeld bewilligt. 🙂
        Aber klar, der bürokratische Aufwand spielt manchmal sicher eine Rolle – die Therapeuten sind hier voll bis unters Dach; es müssen allerlei Anträge geschrieben werden, auch sonst gibts ne Menge Papierkram, etc. pp…. macht nicht wirklich Spaß und ich denke, dass viele Therapeuten da auch an der Grenze ihrer Belastbarkeit sind. Das ganze System hier krankt an vielen Stellen, das steht außer Frage…

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  4. Wenn ich das so lese, liebe Julia, dann erscheint mir das Verhgalten der Therapeutin schon ganz schön verstörend. –

    Therapeuten sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Ich bin insbesondere während eines siebenwöchigen Klinikaufenthalts da auch an gewisse Grenzen gestoßen. Dort wurde ich in der Einzeltherapie von einem Tiefenpsychologen betreut, mit dem ich nie wirklich „warm“ wurde. Schon, dass er gleich in der Sitzung meinte, dass die ganze Verhaltenstherapie für ihn grundsätzlich der „falsche Weg“ sei.

    Ich hatte in der Klinik sowieso, zumindest, was die Strategie des Chefarztes betraf immer irgendwie das Gefühl, „gebrochen“ werden zu sollen. (Ich war nicht der Einzige, der so empfand.) Zwischenzeitlich war ich nahe dran, meinen Aufenthalt dort vorzeitig zu beenden. – Zum Ende dann erfuhr ich, dass zum selbsen Zeitpunkt als ich das erwog, der Chefarzt nahe dran war, mich zu feuern. – Weil ich mich dort halt nur sehr schwer öffnen konnte und weil ich mal eine Frage gestellt hatte, die ihm gegen den Strich gegangen war.

    Ein Thrapeuten-Patienten-Verhältnis muss passen, das ist das Wichtigste. „Passen“ heißt dabei nicht, dass da nur „Kuschelkurs“ ist. Aber irgendwie auf Augenhöhe sollten die Sitzungen schon stattfinden.

    Insofern kann und möchte ich Dich nur ermutigen, im Zweifel nich ein bisschen zu suchen, obwohl das oft kritisch ist, weil es (zumindest hier in meiner Gegend) unglaublich schwierig ist, überhaupt einen Therapieplatz zu ergattern.

    Zu empfindlich bist Du aus meiner Sicht jedenfalls nicht.

    Liebe Grüße zum 2. Advent an Dich und noch ein P.S.: Der Kalender ist sehr schön!!!

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    1. Vielen Dank für deinen lieben Kommentar, sternflüsterer! Und auch danke für deine Worte zu unserem Kalender! ❤

      Was du in deiner Klinikerfahrung beschreibst, ist leider keine Seltenheit. Die verschiedenen Therapieschulen machen sich leider immer noch lieber gegenseitig fertig als, dass sie sich gegenseitig zum Wohle des Patienten unterstützen. Und auch was du sonst über diese Klinikerfahrung schreibst, klingt alles andere als ideal. Das tut mir leid!

      Ich halte die Therapeuten-Patienten-Beziehung auch für einen der wichtigsten Faktoren. Therapie soll sich dabei natürlich nicht wie ein Kaffeekränzchen anfühlen, aber man muss Vertrauen haben können – auf beiden Seiten.

      Ich habe momentan auch noch Erstgespräche mit einer Verhaltenstherapeutin, die mir wesentlich sympathischer ist. Ich hoffe, dass sich das gut entwickelt. Ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden! 😉

      Alles Liebe
      Julia

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  5. Jeca (Psychologik)

    Liebe Julia,

    Erstmal: Tut mir leid, was du da erleben musstest! Sehr verständlich, dass du aufgewühlt bist.

    Ich versuche mich mal an einer Antwort. Als selber psychodynamisch Arbeitende (Transaktionsanalyse und in Ausbildung an einem C.G. Jung-Institut) kann ich da vielleicht halbwegs qualifiziert etwas beitragen, auch wenn meine persönliche Sicht natürlich nicht die sämtlicher Psychodynamiker widerspiegeln kann. Auch muss man natürlich bedenken, dass mir nur deine Schilderung vorliegt; ich war in den Stunden nicht dabei, kenne dich nicht usw. Ist ja klar, aber ich möchte es jetzt doch nochmal betonen, wenn ich meine Meinung zum Handeln einer Kollegin kundtue.

    Das Verhalten dieser Therapeutin ist für mich nur teilweise nachvollziehbar.
    Aber mal von Vorne:
    Im Gegensatz zu einer Verhaltenstherapie wird in psychodynamischen Therapien eher nicht mit Fragebögen gearbeitet. Das finde ich an sich nicht verkehrt, wenn man eine vernünftige Anamnese macht. Ich selber nutze auch keine Fragebögen. Mir geht es in erster Linie nicht um die Diagnose, sondern um die innerseelischen Prozesse, die zu Leid bei meinem Gegenüber führen. Dazu brauche ich keinen Fragebogen, sondern ein Gespräch. Natürlich ist es vor allem für den Antrag an die Krankenkasse wichtig, die Symptome einer Diagnose zuzuordnen, da die Kasse sonst nichts zahlt und vielen Patienten hilft es auch, endlich einen Namen für das zu haben, was sie umtreibt.
    Gleichzeitig ist die Diagnose meines Erachtens nur bedingt ausschlaggebend dafür, wie ich konkret mit dem Patienten arbeite, da eine bestimmte Symptomkombination (die wir eben „Diagnose“ nennen) aufgrund unterschiedlicher innerseelischer Prozesse zustande kommen kann und genau um diese geht es mir aber. Und da hilft der Fragebogen eben eher nicht.

    Nicht nachvollziehbar ist für mich, warum sie dich, wenn sie diese beiden Verdachtsdiagnosen hat (ängstlich-vermeidend akzentuiert / narzisstisch akzentuiert), mit solchen Aussagen wie „dann behandle ich sie aber nicht mehr!“ oder überhaupt so früh mit den Diagnosen konfrontiert. Wenn ich bei jemandem was ängstlich-Vermeidendes vermute, muss ich mir im Klaren darüber sein, was solche (vielleicht ja auch im Spaß gemeinten?) Aussagen oder diese Verdachtsdiagnosen bei meinem Gegenüber auslösen bzw. auf welchen „Nährboden“ sie fallen. Meines Erachtens hat sie da nicht verantwortlich gehandelt. Transparenz über Diagnosen ist wichtig, aber sie muss richtig platziert sein und das war sie in dem Fall meiner Wahrnehmung nach eindeutig nicht. Vor allem, wenn sie dann zurückrudert und dich irgendwie im Dunkeln zurück lässt (vielleicht war da wirklich ein Schutz-Gedanke dahinter, damit du nicht noch mehr irritiert wirst, aber da war das Kind eben leider schon in den Brunnen gefallen…).

    Fachlich: Ich kenne dich ja nur durch deine Beiträge hier und werde ganz bestimmt keine Ferndiagnose stellen, das wäre höchst unprofessionell. Aber mal ganz allgemein: Beide Akzentuierungs-Diagnosen sind auf der Grundlage deiner Vordiagnosen durchaus denkbar. Essstörungen kann man dem narzisstischen Bereich zuordnen und Angststörungen können natürlich durchaus eine Verbindung zu dem ängstlich-Vermeidenden haben. Abwegig ist es nicht. Aber mit Anfang 20 würde ich mir sehr, sehr gut überlegen, ob ich jemandem auch nur eine PersönlichkeitsAKZENTUIERUNG reinsetze. Ja, man darf formal ab 18 eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren und in manchen Fällen ist das auch gut, aber eben längst nicht in allen.

    Jedenfalls finde ich es sehr schade, dass du gleich eine schlechte Erfahrung mit einer tiefenpsychologisch fundierten Behandlerin machen musstest. Ich hoffe, es hälft dich nicht davon ab, es nochmal bei jemand Anderem zu versuchen. Bei psychodynamischen Verfahren ist es nochmal ausschlaggebender und wird auch mehr deutlich, ob man mit jemandem „kann“ oder nicht. Da muss man manchmal eine Weile suchen, bis man den „Richtigen“ gefunden hat. Das ist kräftezehrend, aber ich finde, es lohnt sich.
    Und ganz generell: Ich finde es toll, dass du dich dazu durchgerungen hast, dir nochmal Hilfe zu suchen!

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    1. Ich habe tatsächlich auf eine Antwort von dir gehofft, liebe Jeca! Gerade weil du eben aus professioneller Sicht argumentieren kannst und eben auch aus der Richtung kommst. Also vielen Dank erstmal für deinen Kommentar!

      Ich habe tatsächlich auch das erste Mal (abgesehen von den stationären Behandlungen) bei der im Text erwähnten Verhaltenstherapeutin konkrete Fragebögen ausgefüllt. Meine letzte VT-Therapeutin hat das auch nicht gemacht. Somit sehe ich das auch nicht unbedingt als notwendig an, solange man trotzdem, wie du schreibst, eine ordentliche Anamnese macht. Und ich sehe eine Diagnose auch vorwiegend als Notwendigkeit für die Krankenkassen. Ob ein Patient von einer Diagnose profitiert oder nicht hängt von der Person ab. Allerdings braucht es für mich mehr als zwei Sitzungen, bevor ich Diagnosen stellen kann. Wenn ich es als Therapeut dennoch muss, ist das alles nicht mehr als ein Verdacht. Mit Diagnosen gehört im Beisein des Patienten immer sorgsam umgegangen.

      Ich will auch nicht abstreiten, dass sich beide Persönlichkeitsanteile bei mir finden. Inwieweit das natürlich ausgeprägt ist, kann ich selbst nicht sagen.

      Ich finde es auch sehr schade, dass meine Erfahrung mit der Tiefenpsychologie nicht so rosig war. Ich bin aber dieser therapeutischen Richtung jetzt nicht negativer gegenüber eingestellt. Ich finde sie nach wie vor sehr spannend. Es hat einfach nicht gepasst.

      Vielen Dank nochmal für deine Meinung!

      Alles Liebe
      Julia

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      1. Jeca (Psychologik)

        Huhu,

        Freut mich, dass du dich über meinen Kommentar freust. 🙂 Hab mir auch Mühe gegeben. 😀
        Das Ding ist, dass für den Antrag ziemlich schnell eine Diagnose gestellt werden muss, aber grade in den psychodynamischen Verfahren hat man eigentlich zumindest ein bisschen mehr Zeit für die Probatorik und es muss ja erst danach ein Antrag gestellt werden.
        Und selbst, wenn man nach ein, zwei Stunden schon eine Vermutung hat (kommt durchaus häufiger vor), muss man die -vor allem in diesem Fall- nicht gleich kundtun. In anderen Fällen kann es hilfreich sein; ich hatte mal eine Krisenintervention und habe der betroffenen Frau gleich im Erstgespräch meine Einschätzung mitgeteilt, dass das eine Art von Traumafolgestörung sein könnte, was für sie sehr hilfreich war. (Dass ich mir unsicher war, ob da Borderline mit ne Rolle spielt, habe ich natürlich da noch nicht gesagt – vor allem eben, wenn es eine Verdachtsdiagnose ist und schon gar nicht in den ersten Gesprächen….)
        Aber eben genau in solchen Fällen wie deinem, wenn es auch noch um Persönlichkeitsstörungs/-akzentuierungs-Geschichten geht, muss man da wirklich vorsichtig sein! Das muss nen guten Rahmen, ne gesicherte, vertrauensvolle therapeutische Beziehung haben usw.

        Ich bin ehrlich gesagt schon ein klein wenig traurig, dass die zweite zur Auswahl stehende Therapeutin wieder eine VTlerin ist… ich freu mich natürlich, dass du einen guten Eindruck von ihr hast und vielleicht entsteht da ja auch eine super fruchtbare Zusammenarbeit draus. Das wünsche ich dir natürlich von Herzen. Gleichzeitig könnte ich mir gut vorstellen, dass du auch von einer psychodynamischen Therapie sehr profitieren könntest. Eben, weil es nochmal ein ganz neuer Ansatz ist und du ja auch schon so viel VT-Erfahrung hast… Irgendwann ist die VT einfach auch ziemlich ausgeschöpft. (Psychodynamische Therapien umgekehrt übrigens auch – da ist dann ein VT-Ansatz manchmal Gold wert…)

        Ich wünsch‘ dir auf jeden Fall eine gute Entscheidung und eine gewinnbringende Therapie – bei wem auch immer! 🙂

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      2. Es ist natürlich schwierig, weil einerseits eine Diagnose her muss, aber andererseits ausreichend Zeit notwendig ist, um die richtige zu finden. Kann man eigentlich während einer bewilligten Therapie die Diagnose noch einmal ändern?

        Ich hatte ehrlich gesagt auch gedacht, dass diese Therapeutin TP macht, aber das war dann ein Missverständnis. Ich finde es auch irgendwo schade. Andererseits ist der Suchprozess auch sehr anstrengend und ich bin froh mich überhaupt dazu durchgedrungen zu haben. Ich werde mir das nochmal durch den Kopf gehen lassen.

        Vielen Dank! Liebe Grüße,
        Julia

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      3. Jeca (Psychologik)

        Liebe Julia,

        Ja, wenn mich nicht alles täuscht, kann man die Diagnose auch nochmal ändern, aber das muss dann schon sehr gut begründet sein. Einfacher ist es glaube ich, nochmal eine Diagnose dazu zu packen. Aber ich habe es z.B. mal in einer Reha-Klinik erlebt, dass eine 18-jährige Patientin mit einer Borderline-Diagnose kam (sie hatte ab und an aggressive Durchbrüche) und sie halt so überhaupt nicht borderlinig war. Da haben wir die Diagnose dann schlicht und ergreifend rausgenommen (bzw. durch eine passendere ersetzt). Im ambulanten Kontext hast du die Therapie ja dann für diese eine Diagnose bewilligt bekommen und wenn du die dann mitten drin änderst, ist das nicht so praktisch. Eventuell geht das leichter, wenn das erste Kontingent an Stunden aufgebraucht ist und man eine Verlängerung beantragt… aber auch da ist es wahrscheinlich wieder eine Sache der Begründung.
        Aber da du bei dieser Therapeutin ja nur zwei Stunden gemacht hast, hat sie noch keinen Antrag geschrieben und ist den Krankenkassen diese Verdachtsdiagnose nicht bekannt. 🙂

        Und ja, der Suchprozess ist total anstrengend; schließlich bekommt man ja auch viele Absagen wegen zu langer Wartelisten und da kann ich auch gut verstehen, wenn du die nächstbeste passende Therapeutin nimmst, auch wenn sie wieder VTlerin ist. 🙂

        Alles Liebe nochmal!

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      4. Vielen lieben Dank für deine Antwort! 🙂 Ich glaube irgendwann würde mir das ganze Diagnosevergeben so auf die Nerven gehen als Therapeutin. Aber man kommt ja nicht drum rum. 😉

        Vielen Dank! Alles Liebe auch für dich und einen schönen Adventsonntag! 🙂

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      5. Jeca (Psychologik)

        Guguck,
        Ehrlich – ich weiß noch nicht, ob ich mit der Approbation wirklich auch einen Kassenplatz kaufen will. Genau aus diesem Grund. Mir widerstrebt es so sehr, diese Anträge schreiben zu müssen, in denen man die Patienten wirklich pathologisieren und in Diagnose-Schubladen stecken muss (ja, wer kommt, hat natürlich im Normalfall eine Pathologie, aber diese Anträge finde ich dennoch furchtbar, grade im tiefenpsychologisch-analytischen Bereich). Ganz abgesehen davon, dass diese Anträge und der ganze Gutachter-Kram total viel Zeit in Anspruch nehmen, die mit dem Patienten einfach besser verbracht ist.
        Umgekehrt ist man durch die Anträge dann natürlich gezwungen, sich intensiv mit der Psychodynamik, dem Therapieplan usw. auseinander zu setzen. Wobei das für mich auch in eine nicht-kassenfinanzierte Therapie gehört, aber da tickt sicher jeder anders.
        Schade fände ich nur, wenn ich mich gegen einen Kassensitz entscheide, dass dann eben einige Leute es sich schlicht nicht leisten können, zu mir zu kommen…

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      6. Ich sehe das wie du. Ich verstehe schon auch die Krankenkassen, die ja nach irgendeinem System arbeiten müssen. Aber wie du schon schreibst, dadurch geht eben sehr viel Zeit drauf. Noch dazu kann ich mir auch gut vorstellen, dass es die Verhaltenstherapie hier leichter hat, weil sie einfach mehr so aufgebaut ist, dass man nach Checkliste arbeitet. Genauso wie die Anträge aufgebaut sind. Aber mir widerstrebt es genauso wie dir zu sagen: Ja, dann macht man nur Privatpatienten. Man weist dann regelmäßig Leute ab schlicht mit dem Argument: Du hast nicht genug Geld und musst weiterleiden. Es ist eine echt schwierige Situation.

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  6. Hallo Julia,

    die Diagnosen und die Suche nach einem passenden Therapeuten, ja… ich kann nachvollziehen, warum dich dieser Verdacht so aus der Bahn geworfen hat. Ich habe Anfang letzten Jahres zufällig erfahren, dass mein damaliger Therapeut mir eine solche Diagnose einfach mal gestellt hatte. Schwarz auf weiß war da auf einmal die Diagnose der abhängigen Persönlichkeitsstörung, die dann aber doch laut Therapeut eine selbstschädigende Persönlichkeitsstörung sein sollte, was erst ja doch passen sollte, wie er sagte, und dann eh nur für den Gutachter so aufgeschrieben worden sein sollte, als ich dieses „passt ja schon“ diskutieren wollte. Was denn nun und warum?

    Eine Antwort, die ich geglaubt hätte, habe ich nie bekommen und das hat mich ziemlich aufgeregt – auch die Ausflucht, man könne die Diagnose ja als ausreichend therapiert darstellen und das sei darum alles eh egal. Und die Tatsache, dass diese selbstschädigende Persönlichkeitsstörung laut meinen Recherchen wohl eh etwas ist, was aus gutem Grund keine eigenständige Diagnose mehr darstellt und… ja. Solche Aussagen verunsichern auf viele Weisen und tun es auch, wenn es nicht um eine so schwerwiegende Sache geht. Diagnosen sind eben am Ende doch nicht „nur“ eine Ziffer für die Krankenkasse, sondern drücken eine Perspektive auf die Probleme des Patienten aus, die passen muss. Tut sie das nicht, kann das die Behandlung erheblich erschweren. Und genau daran vollzog sich ein Stück weit auch der finale Bruch mit dem damaligen Therapeuten für mich: Auf einmal und im Licht dieser Diagnose ergaben viele Dinge einen Sinn, bei denen ich schon lange das Gefühl hatte, dass wir an einander vorbei reden. Wie er ständig betonte, dass mein Selbstwert das größte Problem sei, dass ich ja Erfolg haben dürfe, mir das zugestehen dürfe und so weiter und ich zeitweise fast schon um eine Auseinandersetzung mit der Angst und dem Trauma gebettelt habe, ohne dass er darauf eingegangen wäre. Klar – wenn ich mir eh nur selbst schaden will, muss ich es mir halt nur Wert sein, gut mit mir umzugehen?! Ob dieser Zusammenhang wirklich so unmittelbar bestand, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, bei mir blieb aber der Eindruck zurück, zumal in den Diagnosen, die dem Gutachter übermittelt wurden, nie auch nur Ansatzweise Angst oder Trauma vorkamen. Warum? Und wieder: Keine Antworten, nur Schweigen durch den Therapeuten.

    In diesem Jahr habe ich ähnliches im Kontext des Autismus und des Traumas erlebt: Der Therapeut, bei dem ich dann keine Therapie anfing, wollte nicht mit mir an den Traumata aus meiner Teenager-Zeit arbeiten, sondern das frühkindliche Bindungstrauma auflösen, das ursächlich für Autismus sei. Und damit meinen Autismus heilen. Falsch auf so vielen Ebenen! Autismus ist genetisch, eine Heilung nicht möglich und auch nicht mein Ziel für eine Therapie gewesen. Oder die Therapeutin, bei der ich vor der Autismusdiagnose war und die glaubte, in meinem Sozialverhalten ein Zeichen für eine sehr schwere Depression zu sehen, die ich nicht hatte, und die mich dafür am liebsten in eine Klinik gesteckt hätte… Also: Gut, dass du zu der Therapeutin nicht mehr gehst, die einfach mal eine Persönlichkeitsstörung in den Raum warf. Ich denke, dass das in der Form keine Basis für eine Therapie sein kann.

    Viele Grüße,
    Amy

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    1. Was du hier schilderst, verstöst in meinen Augen in vielerlei Hinsicht gegen die Richtlinien einer Psychotherapie! Mit an oberster Stelle sollte nämlich immer Transparenz stehen. Das bedeutet das alles, aber auch wirklich alles, was in den Akten des Patienten steht besprochen wird. Wenn man mal als Patient einen Blick in seine Akten bekommt, sollten da keine Überraschungen auf einen warten. Und die Reaktion dieses Therapeuten ist überhaupt extrem unprofessionell. Wie kann man Sorgen eines Patienten mit einem „ach, egal“ oder „das passt schon“ abtun? Das hab ich schon im normalen Leben. Das brauche ich nicht noch in einer Psychotherapie. Gut, dass du mit diesem Therapeuten nichts mehr zu tun hast. Die Therapie führt ja dann auch zu nichts, wie du es ja auch beschreibst.

      Und auch, dass die anderen Therapeuten ihr EIGENEN Ziele für DEINE Psychotherapie festlegen, ist höchst bedenklich. Natürlich sehen sie andere Probleme in deinen Schilderungen als du selbst. Das heißt aber nicht, dass sie einfach ihr Dinge durchziehen können. Psychotherapie ist letztendlich doch eine Dienstleistung, bei der der „Kunde“ Rechte hat auch das zu behandeln, was er oder sie möchte.

      Ich hoffe du hast letztendlich jemanden gefunden, mit dem du gut auskommst? Ich wünsche es dir sehr! Auch ich werde mich jetzt an andere Therapeuten wenden und versuchen diese Erfahrung schnell zu vergessen.

      Liebe Grüße
      Julia

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      1. Die Diagnose habe ich über die sognannten Patientenquittungen der Krankenkasse entdeckt. Da kann man bei deutschen GKVen einsehen, was Ärzte/Therapeuten so abrechnen. Manchmal ganz spannend. Da war auch noch ne Suchtdiagnose dabei. Schmerzmittel. Der behandelnde Arzt denkt da ja eher, dass ich eigentlich stärkere Medis bräuchte als die, die ich nehme und nicht, dass ich süchtig bin. Naja. Ich habe derzeit einfach gar keinen Therapeuten – besser als einen, der Autismus heilen will, ist das allemal.

        Ich wünsche dir viel Erfolg für die Therapeutensuche!

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  7. Hallo Julia,
    oh je, ich kann verstehen, dass du Probleme mit der Therapeutin hast. Dieses Verhalten hätte mich auch verunsichert.
    Wirst du bei der Therapeutin bleiben? Wenn du nicht so ganz mit ihr zufrieden bist, wäre es wohl besser, du suchst dir jemand anderes (wenn möglich).
    Ich habe u. a. die Diagnose „Borderline“, was ja auch zu den Persönlichkeitsstörungen gehört, und finde aber, dass mein Psychiater da ein bisschen zu vorschnell vorgegangen ist, also ähnlich wie deine Therapeutin. Im Grunde genommen habe ich die Diagnose nur, weil ich mich gelegentlich selbst verletze. Ich denke aber – und da kennst du dich als Psychologiestudentin bestimmt gut aus – dass man auch mit anderen Diagnosen unter Selbstverletztendem Verhalten leiden kann. Oder? Muss ja nicht gleich Borderline sein.
    Ich wünsche dir einen schönen restlichen 2. Advent.
    Liebste Grüße
    Myna

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    1. Ich habe keine weiteren Termine mehr mit dieser Therapeutin. Da bin ich auch sehr froh darüber! Ich habe noch Erstgespräche mit einer Verhaltenstherapeutin, die mir wesentlich sympathischer ist.

      Das, was du beschreibst ist ähnlich wie es auch schon das Flügelwesen hier in den Kommentaren beschrieben hat. Selbstverletzendes Verhalten führt bei Ärzten und Psychotherapeuten viel zu schnell zu der Diagnose Borderline. Aber wie du schon sagst: SVV kommt auch in anderen Störungsbildern vor. Z.B. ist eine Essstörung auf vielen Ebenen auch SVV. Da braucht es definitv eine ausführlichere Diagnostik.

      Starte gut in die neue Woche und alles Liebe!
      Julia

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    2. Jeca (Psychologik)

      Liebe Myna,

      Jo! Exakt dazu will ich schon lange mal einen Blogartikel schreiben. Hab‘ ich mir alles für die Weihnachtstage vorgenommen.
      Leider ist grade „Borderline“ so eine Diagnose, bei der gefühlt ganz viele Therapeuten völlig im Nebel tappen. Borderline scheint irgendwie sowas Geheimnisvolles anzuhaften, etwas, das man eh nicht verstehen kann… und wenn sich dann jemand ritzt, hat er halt mal Borderline. Eigentlich lernt jeder Therapeut, dass zur Diagnose „Borderline“ noch ne ganze Menge an anderen Kriterien erfüllt sein müssen und in der psychodynamischen Therapie schaut man auch nochmal auf wichtige psychodynamische Aspekte, die m.E. bei vielen Leuten, die offiziell die Borderline-Diagnose erhalten haben, gar nicht erfüllt sind. Es gibt auch ganz spannende Konzepte zu dieser Diagnose – z.B. über verschiedene Funktionsniveaus oder ob sie z.B. wirklich eine Persönlichkeitsstörung ist. Ist glaube ich den allermeisten Therapeuten überhaupt nicht geläufig, was sehr schade und zum Teil gefährlich ist.
      Also ja, SVV gibts, wie Julia richtig schrieb, auch bei ner Reihe anderer Diagnosen… ach, ich finde Diagnosen sowieso eine sehr zweischneidige Sache… gibt vielleicht auch mal nen Blogbeitrag *grübel*

      Schöne zweite Adventswoche auch für dich!

      Gefällt 1 Person

  8. Hallo Julia,
    nach nur 2 Terminen eine Verdachtsdiagnose in den Raum zu stellen OHNE das plausibel zu begründen,finde ich wirklich unprofessionell und auch ihre Art klingt deiner Schilderung nach nicht gerade vertrauenserweckend. Dieser Verdacht hätte mich an deiner Stelle auch verunsichert und länger beschäftigt 😐
    Es erinnert mich ein wenig an eine Erfahrung von mir mit einer Psychiaterin. Es war damals mein erster Psychiatertermin überhaupt und ich wusste noch nicht, was mit mir los war, nur, dass ich mich sehr bescheiden fühlte. Die Dame diagnostizierte mir eine Major Depression, was so weit auch passte. Almerdings legte sie mir auch durch die Blume nahe, meine Studienfachwahl noch mal zu überdenken. Sie meinte, ob mein damaliges Fach mit „meiner Erkrankung im Hintergrund“ so das Richtige sei … Das hat mich, damals 20 Jahre alt und im ersten Semester, sehr verunsichert. Im Nachhinein finde ich ihre Worte recht anmaßend und demotivierend, denn sie kannte mich zu diesem Zeitpunkt doch kaum und konnte nicht wissen, wie sich mein Krankheitsverlauf gestalten würde.
    Liebe Grüße
    Nelia

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    1. Tut mir leid, dass du mal ähnliche Erfahrungen machen musstest, liebe Nelia! Ich finde solche Aussagen kann man nur (und auch hier nur an der richtigen Stelle) äußern, wenn man eine Person sehr gut kennt. Dass dich diese Aussage verunsichert kann ich mir vorstellen. Das wäre bei mir genauso gewesen.

      Liebe Grüße
      Julia

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  9. Ich denke, dieses „laut denken“ stößt in jedem und auch in anderen Situationen etwas an. Desto wichtiger ist, dies abstreifen zu können. Ich wünsche Dir, daß Du Dich von diesem Diagnose- Schreck erholst und jemanden findest, der oder die zu Dir paßt und der/dem Du Dich vertrauensvoll öffnen kannst.

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  10. Hm, dieses Vorgehen ist schon sehr stark anzuzweifeln. So schnell gleich mit einer Diagnose zu kommen. Das klingt für mich auch nicht besonders vertrauenswürdig. Ich denke, ich würde ab diesem Zeitpunkt diesen Therapeuten nicht mehr aufsuchen. Egal welcher Ansatz verfolgt wird, ob tiefenpsychologisch oder verhaltenstherapeutisch, um eine fundierte Diagnose zu stellen, bedarf es mehr als „laut ausgesprochener Gedanken“.
    Bei mir wurde damals alles auf den Tisch gelegt. Anamnese, mehrere Fragebögen, spezielle Gesprächsführung bevor die Diagnose Borderline gestellt wurde.
    Davor habe ich aber auch öfter diese Erfahrung gemacht, dass schnell mit Diagnosen um sich geworfen wird. Einmal wollte ich nur mal einen Termin bei einem Therapeuten ausmachen, schilderte kurz meine Problematik, da meinte er, es handle sich ja nur um eine Krise bei mir. Das sei mit zwei, drei Sitzungen zu beheben. Der Herr hatte mich gar nicht persönlich gesehen.
    So etwas finde ich am System der Psychologie immer wieder schockierend,
    Einmal suchte ich einen Therapeuten auf, da ich wieder verstärkt unter selbstverletzendem Verhalten litt. Wie ich mir dabei helfen könnte, wurde in der Therapie nie besprochen. Stattdessen verwies er mich auf seine Gruppentherapie, welche er leitete. Und sprach meine Problematik dort in der Gruppe an. Die Reaktionen waren alles andere als positiv. Eher mahnend und verständnislos. So fühlte ich mich danach noch schlechter.
    So sammelte ich diverse Diagnosen. Esstörung, Depressive Episonden, selbstverletzendes Verhalten, Panikattacken mit etlichen Therapieabbrüchen, bis einer das Ganze mal endlich professionell anging und die Puzzleteile zusammen setzte.

    Was den Bereich der Therapie angeht, herrscht noch einiges an Verbesserungspotential.

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    1. Ja, da sprichst du leider ein häufiges Problem an. Mit Diagnosen wird immer wieder viel zu willkürlich umgegangen. Teilweisen können da nicht mal die Therapeuten etwas dafür, weil es z.B. so vorgegeben ist nach der Sprechstunde eine Verdachtsdiagnose zu stellen.

      Ich denke, dass die Art der Diagnosestellung etwas von der Therapieschule abhängt. Verhaltenstherapie ist z.B. meist mit Fragebogen und Co. dabei, während die Psychodynamischen Ansätze da eine etwas weniger standardisiert arbeiten. Ich mag es auch lieber strukturiert.

      Aber egal wie man Diagnosen vergibt, man sollte hier sehr sensibel sein und auch verstehen, was es bedeutet einer meist eh schon instabilen oder verzweifelten Person so etwas (ungefragt) an den Kopf zu werfen. Und auch deine Erfahrungen sind echt das letzte. So was darf nicht passieren. Und leider sind wir beiden hier nicht die einzigen, die schon unangenehme Erfahrungen mit Therapeuten gemacht haben.

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      1. Das stimmt.
        Die meisten gehen ja zum Therapeuten, weil sie sich Hilfe erhoffen. (Von manchmal langen Wartezeiten abgesehen)
        Wenn man dann noch schlechte Erfahrungen macht, oder irgendwelche Gedanken an den Kopf geknallt bekommt, dann kann das das Vertrauen erschüttern. Mir ging es jedenfalls irgendwann so.
        Denn es fühlte sich nie so an, dass mir einer wirklich helfen wollte oder konnte. Für die depressiven Episoden sollte ich dies tun, für die Panikattacken jenes, fürs SVV gabs nie was. So habe ich 4 Therapien abgebrochen.
        Einem Freund von mir wurde auch erst Depression diagnostiziert. Dann bipolare Störung. Und nun ebenfalls BPS.
        Sicher unterliegt es gewissen Vorgaben, welche man als Therapeut zu erfüllen hat.
        Doch Diagnostik ist etwas Difficiles, wie ich finde. Um einem Patienten gerade hier wirklich helfen zu können, denn es geht ja mitunter auch um das richtige Therapieverfahren, ist es aus meiner Sicht schon nötig sich Zeit zu nehmen, alle Aspekte zu betrachten. Denn manchmal können die Übergänge zu gewissen Erkrankungen sich auch partiär überschneiden.

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      2. Wie Therapeuten in Kontakt mit Patienten reagieren ist natürlich eine sehr schwierige Sache. Ich habe, wie beschrieben, ja auch schon schlechte Erfahrungen mit Therapeuten gesammelt. Trotzdem finde ich es immer wichtig zu betonen, dass die Mehrheit der Therapeuten, denke ich, schon bemüht ist ihren Patienten zu helfen. Ob sie es dann können ist eine andere Frage.
        Das hängt von so vielen Faktoren ab – natürlich auch auf Patientenseite. Wenn es nicht passen sollte, dann ist ein Abbruch der Therapie wahrscheinlich die beste Lösung.

        Diagnosen zu stellen, ist wirklich eine hohe Kunst. Gerade weil sich, wie du ja auch schreibst, sehr viele Störungsbilder überschneiden. Mich wundert es deshalb nicht, dass einem Freund von dir zuerst Depression, dann bipolar und letztendlich BPS diagnostiziert wurde. Ich hätte vielleicht an Stelle der Therapeuten ähnlich gehandelt, denn wenn ein Patient erstmals zur Therapie kommt, möchte man, in der Regel, nicht sofort mit Persönlichkeitsstörungen ankommen. Diese sind ja, auch gesellschaftlich gesehen, schwerwiegender als eine Depression. Außerdem werden Persönlichkeitsstörungen auch erst vergeben, wenn die Schwierigkeiten seit zwei Jahren bestehen und auch erst ab einem gewissen Alter. Ich bin im Übrigen kein Freund wie Persönlichkeitsstörungen im Moment noch vergeben werden. Da soll sich hoffentlich auch bald etwas ändern.

        All diese Punkte sollen natürlich einen Therapeuten, der unsensibel mit seinen Patienten umgeht, nicht in Schutz nehmen. Hier gibt es eindeutige Grenzen und leider fehlt manchen Therapeuten wirklich das Feingefühl. Zu sorgfältiger therapeutischer Arbeit zählt auch sich genügend Zeit für die Diagnosestellung zu nehmen. Ob dabei dann trotz allem das „richtige“ rauskommt, ist oft ein Glücksspiel.

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  11. gabbilisa

    Klingt alles wie seit Jahrzehnten so bekannt. Nicht umsonst gab es die Berichterstattung des Stern „Schrottplatz Psychotherapie“: Nicht umsonst wird aufgrund der Initative von Jens Spahn der neue Ausbildungsgang „Psychotherapeut“ als BA und MA Studiengang lanciert. Viele wollen nur Privatpatienten und abrechnen. Viele kennen das Leben nicht, waren nur gute SchülerInnen, haben vieles mit Eins geschrieben, aber ohne Empathie.

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    1. Das trifft bestimmt nicht auf alle zu aber leider für manche. Es ist ausbildungstechnisch nicht Voraussetzung Empathie zu haben, aber eigentlich eine Grundvoraussetzung für die praktische Arbeit. Ich finde das so schade, weil dann Leute immer wieder frustriert werden, wenn sie denn schon an den Punkt gekommen sind sich Hilfe zu holen.

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  12. Anonymous

    Natürlich, es gibt gute Therapeuten. Aber: wie findet man diese? Glück hatte ich über die
    C.G.Jung Institute. Dort erfahren die Therapeuten intensive Eigentherapie im Rahmen der
    Ausbildung. Dies halte ich für eine Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Therapeut. Ist
    aber heute kaum noch vorgesehen, in anderen Ausbildungsverfahren.
    C.G.Jung Therapeuten sind menschlich. „Nur, wer das Dunkel kennt…“

    Gefällt 1 Person

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