„Wenn ich nicht erfolgreich bin, verliere ich meinen Lebenssinn!“ Das klingt nach einer sehr harten Aussage, aber für mich war es eigentlich schon seit ich klein war wichtig, dass ich meinen Ansprüchen entspreche. Und das ist nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit, sondern für meine psychische Gesundheit abolut nicht hilfreich.
Meinen „Erfolg“ habe ich als Kind und Teenager hauptsächlich daraus gezogen, dass ich in der Schule eine Einser-Kandidatin war. Das war in der Grundschule noch eine recht angenehme Aufgabe, wurde aber mit jedem Schuljahr mehr, zu einer, aus heutiger Sicht betrachtet, problematischen Obsession. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich ab der ca. 10. Klasse meine Wochenenden gar nicht mochte, weil sie nur aus Lernen und Hausaufgaben machen bestanden. Jedoch wurden meine Mühen in der Schule durch gute Noten und Aufmerksamkeit der Lehrer und Mitschüler belohnt. In meinem Fall waren das ausschließlich positive Rückmeldungen.
Dieser sichere „Erfolgsfaktor“ fiel nach der Schule weg, was auch ein Mitgrund für die Entwicklung meiner Essstörung war. Ich sah plötzlich keine Alternative mehr in meinem Leben, die mir die Aufmerksamkeit und die Anerkennung gab, die über die Jahre zu meiner Identität geworden waren. Auch der Beginn des Studiums hat dies nicht wirklich verändert, da im Fach Psychologie eine limitierte Aufnahmequote vorherrscht, wo als Kriterium der Abi-Notenschnitt gilt. Sprich: Ich war umgeben von Leuten, die alle hohe Leistungen erbringen konnten. Hier als erfolgreich rauszustechen ist schwierig, ja beinahe unmöglich. Nicht zuletzt auch deswegen, weil an einer Uni nicht diese engmaschige Beziehung zwischen Dozenten und Studierenden gilt, wie das zwischen Lehrern und Schülern existiert.
Nun war es an der Zeit sich auf die Suche nach einem anderen Feld zu machen, worin ich meine „besonderen“ Fähigkeiten zeigen konnte. Aber da gab es keines. Ich hatte mir durch den enormen Fokus auf die Schule keinerlei Möglichkeit gelassen auch langfristig woanders gut zu werden. Und ich muss auch dazu sagen, dass ich mein Interesse in andere Dinge, sei es z.B. das Gitarre spielen oder Zeichnen, meist schnell wieder verliere, da ich diese Tätigkeiten nur im Leistungsfokus ausführe und ich dann nie so schnell die Erfolge sehen kann, die ich mir wünsche. Auch Blog und Co. waren u.a. ein Versuch mir etwas aufzubauen, worin ich meine Leistung zeigen kann. Aber da ich mich nicht alleine im Internet aufhalte, wird es immer Leute geben, die besser sind. Das macht mich nicht nur neidisch, sondern lässt auch meine Motivation schwinden.
Rational betrachtet weiß ich natürlich, dass das alles Quatsch ist. Erfolg ist nicht alles. Am Ende des Lebens ist es wahrscheinlich sogar etwas das am wenigsten zählt. Noch dazu kenne ich mich gut genug, dass ich selbst, wenn ich erfolgreich bin, was auch immer das genau heißen mag, nach mehr streben werde. Man kann immer besser werden.
Es entspricht nicht meinen Werten Erfolg und Leistung so in den Mittelpunkt zu stellen. Ich erwarte das von niemandem, außer von mir. Es ist natürlich auch nicht gesund sich immer an Menschen zu orientieren, die besser sind als ich. Und wie schon gesagt: Was ist Erfolg eigentlich? Ist es Geld? Anerkennung? Follower-Zahlen? Ich glaube, dass für mich Erfolg das sein sollte, wenn ich mich den Aufgaben stelle, die mir am meisten Angst machen.
Warum wird nie davon gesprochen, dass Zufriedenheit auch Erfolg ist? Es ist sehr schwierig für mich, diese Fokusverschiebung wirklich zu verinnerlichen und nicht nur das als Leistung und Erfolg zu sehen, was mir auf meinem Ausbildungsweg und in den Medien vermittelt wird.
Was bei diesem ganzen Erfolgsdenken komplett auf der Strecke bleibt ist der Spaß. Dabei ist für mich ein ehrliches Lachen ein großer Erfolg, denn Emotionen machen uns menschlich. Würden wir nur leisten, wären wir nicht mehr als Roboter.
Kennt ihr dieses Leistungsdenken? Wenn ja, habt ihr Wege gefunden damit gut umzugehen? Ich freue mich wirklich auf jegliche Tipps von euch!
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Hm. Ich habe meinen Erfolg in meinem Job dadurch, dass er mir Spaß macht. Das merken die Schüler. Aber klar, sind andere Leute in Beförderungen an mir vorbei gezogen, aber die haben sich für Ämter beworben, die ich nicht haben wollte. Und sind oft gestresst und unzufrieden und gesundheitlich angeschlagen. Was mir bestätigt, dass ich für mich den richtigen Weg gehe.
Mein Tipp ist, suche dir Vorbilder in deinem Umfeld, die entspannt sind und Spaß in ihrem Leben haben. An diesen Leuten orientiere ich mich.
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Ich finde es superschön zu hören, dass du für dich hier sehen kannst, was Erfolg bedeutet und was auch nicht. Ich glaube in meinem Umfeld wird es recht schwierig Leute zu finden, die entspannt sind, Denn im Studium sind die meisten recht gestresst und außerhalb habe ich im Moment nicht so viele Kontakte. Aber ich weiß, was du meinst: Womit man sich umgibt, ist in großen Teilen auch dafür ausschlaggebend, was einem im Leben beschäftigt.
Liebe Grüße
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Du hast ja keine Ahnung, wie sehr mir dieser Beitrag aus der Seele spricht! In der Schule diese ständige Leistungsbestätigung, „Erfolg“. Hab dann mit 1,0-Abitur angefangen, Medizin zu studieren („da kann man ganz viel erreichen!“) nur um zu merken, dass es mich nicht glücklich macht. Dieses Erkennen, dass Leistung nicht die höchste Priorität und erst recht nicht die einzige Daseinsberechtigung ist, hat bei mir ewig gedauert und ich bin beeindruckt wie gut du das in Worte fasst.
Alles Gute weiterhin für dich!
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Vielen Dank für deine lieben Worte! Es wird einem ja auch wirklich immer wieder gesagt wie wichtig gute Noten sind. Was einem aber eben nicht gesagt wird ist, dass dieses Hinterherlaufen von hohen Leistungen einfach nicht zufrieden macht bzw. habe ich derartige Ratschläge regelmäßig überhört. Ich hoffe du konntest einen Weg finden, der dich zufriedener macht? Ich wünsche es dir auf jeden Fall!
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Oh, dein Post spricht mir aus der Seele!
Gerade nach der Trennung meiner Eltern und der Erkrankung meiner geliebten Großeltern habe ich mich sehr auf Schulisches und Leistung fokussiert. Einerseits hat mir Lernen generell schon Spaß gemacht (aus Neugier und Wissenshunger heraus), andererseits habe ich mich selbst massiv dabei unter Druck gesetzt, dass es manchmal schon eine Quälerei war. Auch das, was du im Bezug auf das Studium beschreibst, kenne ich gut und das mit den Hobbys. Dieser Druck, „besonders“ oder „die Beste“ sein zu müssen in zumindest einer Sache …
Ich versuche seit einiger Zeit, mich davon zu lösen. Es ist schwierig, aber ich merke inzwischen erste Fortschritte, indem ich z.B. versuche, mich mehr auf die Freude und Neugier z.B. beim Lernen zu fokussieren als auf meine hohen Erwartungen an mich.
Lieben Gruß
Nelia
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Da sprichst du einen wichtigen Punkt an, Nelia! Ich bin grundsätzlich auch jemand, der gerne neue Dinge lernt und die Welt etwas besser verstehen möchte. Leider killt dieser Leistungsdruck, den ich mir meist selbst mache, mein Interesse. Ich habe das in der letzten Prüfungsphase extrem gemerkt, dass mir das Thema Psychologie schon so auf die Nerven gegangen ist. Ich wollte eigentlich gar nichts mehr davon hören. Nach dem extremen Lerndruck wurde das wieder besser. Es ist so schade, dass Leistungsdruck Freude an Dingen so zerstören kann!
Sich von diesem Muster zu lösen ist verdammt schwierig und etwas, was mich in letzter Zeit auch stark beschäftigt. Ich weiß rational, dass es absolut nicht das Wichtigste ist erfolgreich zu sein, aber irgendwie komm ich von diesen festgefahrenem Verhalten und Gedanken noch nicht los. Zumindest nicht so schnell wie ich gerne würde. Wo wir wieder bei meiner „Stärke“ Geduld wären. 😉
Ich finde es auf jeden Fall richtig toll, dass du daran arbeitest und versuchts deinen Fokus umzulegen! Denn das ist ein wichtiger Schritt, um sich selbst ernstzunehmen und nicht in diesem Hamsterrad gefangen zu bleiben. Alles Gute für dich!
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Liebe Julia,
ich erkenne mich so arg doll in meinen Worten wieder, auch wenn es bei mir auf anderen Ebenen abspielt. Ich möchte auch immer schnell gut und noch besser sein, aber das ist meist daran geknüpft, dass ich dadurch gesehen werden möchte. Zuwendung erfahren möchte. Beim Bloggen fing es irgendwann auch an, mich komplett unter Druck zu setzen. Ständig schaute ich, wer es schon gelesen hat, ob es eine Steigerung der Zahlen gibt und ob vielleicht endlich jemand mal interagiert. Blieb der ‚Erfolg‘ aus, fühlte ich mich ungesehen, unwichtig und eigentlich könnte ich es einfach bleiben lassen. Natürlich ist das Käse, denn es gibt ja Menschen, denen ich wichtig bin. Trotzdem kann ich selbst nach einem Rückzug, noch nicht ganz davon ablassen, mich am Außen zu messen. Und auch ich bin neidisch, wenn andere vermeintlich mehr ‚Erfolg‘ haben als ich. Manchmal stelle ich mir die Frage, was denn anders wäre, wenn ich großen Erfolg auf Social Media und mit dem Blog hätte. Und eigentlich will ich das gar nicht, denn ich denke das kann noch mehr Druck machen. Geschweige denn, dass ständig irgendein Fokus auf mir liegt, den ich nicht händeln kann. Was bringt es mir von so vielen Menschen ‚gesehen‘ zu werden, wenn es in meinem Inneren gar nicht ankommt?!
Das sind so meine Gedanken dazu 🙂
Viele Grüße von Annie
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ich meinte natürlich *deinen Worten 😀
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Vielen Dank für deine Gedanken und deine Offenheit, liebe Annie! Ich denke, dass bei mir auch sehr stark der Wunsch nach Gesehen werden und Anerkennung dahinter steht. Ich kann sie mir selber nicht geben, aber wenn eine eins auf meiner Arbeit steht, dann ist das eine Bewertung von jemand anderem, der das, was ich da gerade gemacht habe, als gut erachtet.
Ich kann das Ganze Leistungs- und Erfolgsdenken aber auch auf das Bloggen umlegen. Hier geht es doch eigentlich den meisten darum gesehen zu werden. Social Media, ohne es jetzt verteufeln zu wollen, füttert durch das exakte Messen des Erfolgs anhand von Zahlen genau diesen Teil in uns, der sich nach Aufmerksamkeit sehnt. Große Zahlen bedeuten viel Aufmerksamkeit und führen und auf die falsche Fährte, dass diese Aufmerksamkeit uns die Liebe gibt, die wir uns erfhoffen.
Soweit ist das aber eben leider nur Theorie. Dieses Gedankenspiel mit „Was wäre wenn ich überall so erfolgreich wäre wie ich mir das wünsche“ habe ich auch schon zahlreiche Male durchgespielt und bin immer bei einem unbefriedigenden Ergebnis gelandet. Dann will ich noch mehr, was mich überfordert und Aufmerksamkeit setzt mich auch verdammt unter Druck. Weil dann steht nicht nur meine Erwartungshaltung im Raum, sondern auch die der anderen – gerade auf Social Media und Co.
Ich denke, dass wirklich der einzige Weg, um nicht mehr auf Erfolg angewiesen zu sein, der ist, dass man sich die Anerkennung, die man im Außen sucht selbst geben kann. Das ist natürlich auch leichter gesagt als getan, aber Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt! Alles Liebe für dich!
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Hmmm…. mir kam beim Lesen der Gedanke, ob Du als KInd unter – wie auch immer definierten – Erfolgsdruck erzogen worden bist und es sich dann quasi verselbständigt haben mag bei Dir.
Ich wüßte jetzt gar keine allgemein gültige Definition für „Erfolg“. Und gerade im akademischen Bereich bewegt man sich ja auch ganz schnell in den Sphären, die eben nicht meßbar sind. Anders gesagt: wenn der Eine was Neues entdeckt hat, sagt der Andere „Na, und?“, weil er es nicht einordnen kann oder es ihn nicht interessiert.
Viel wichtiger ist doch die eigene Freude an Dingen und an dem, was Du tust. Und ich glaube, da gibt es in Deinem Leben auch eine Menge, oder? 😉
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Das ist tatsächlich ein sehr wichtiger Gedanke mit dem Erfolgsdruck in der Kindheit, mit dem ich mich auch schon auseinandergesetzt habe. Das Ergebnis meienr Überlegungen war, dass ich zu nichts – wirklich absolut nichts gedrängt wurde, ich aber durch Lob und Bestätigung guter Arbeit – egal in welcher Form – meinen Selbstwert aufgebaut habe. Sprich, ich habe gefühlt nur dann Anerkennung bekommen, wenn ich etwas Geleistet habe und das hat sich irgendwann verselbstständigt. Man muss aber auch dazu sagen, dass das bei mir auch eher ein stiller Leistungsdruck war. Nach außen hin mag ich sehr entspannt gewirkt haben, weshalb auch niemand auf die Idee gekommen ist mich aus diesem Leistungsrad rasuzuholen.
Da hast du recht. Im Grunde ist Erfolg sehr schwer messbar. Selbst Noten geben ja z.B. nicht das tatsächliche Bild. Allerdings ist es in mir und in vielen Menschen leider so verankert, dass Anerkennung von anderen, beispielsweise manifestiert durch Noten, Erfolg widerspiegelt. Hier den mir rational besser erscheinenden Weg der Freude an Dingen zu gehen, ist in der Umsetzung ein Prozess. Ich muss für mich tatsächlich erst wieder einmal herausfinden, was mir wirklich Freude bereitet, weil ich meine Bedürfnisse hier sehr lange unterdrückt habe.
Ganz liebe Grüße
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Pingback: Warum ich von mir Großes verlange und andere einfach leben lasse – Lebenswelt
Mir ist es ähnlich gegangen: In der Schule hatte ich auch „Erfolg“ (durch gute Noten), später im Beruf zählten dann andere Dinge, und da lief es bei mir ziemich schlecht.
Das heißt, eigentlich hatte auch da „Erfolg“, weil ich monatlich mehr verdiente als ich ausgab. Das reicht, um ein gutes Leben zu führen – und genau darin sah ich dann meinen Erfolg.
Mittlerweile bin ich in Rente – und die Rente reicht bei mir. Wenn ich dann die Schlagzeilen der BILD-Zeitung sehe, wo jeden zweiten Tag was von den „armen Rentnern“ steht, dann denke ich, dass auch mein Berufsleben nicht völlig erfolglos gewesen sein kann.
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Ich finde du beschreibst sehr schön, dass es im Leben auch immer darum geht wie ich denn meinen Erfolg definiere. Eigentlich ist doch der größte Erfolg, dass man gut leben kann.
Und letztendlich kommt es natürlich auch darauf an welche Vergleichsgruppe ich habe. Es gibt immer Menschen, die „erfolgloser“ sind und wie du es mit der Rente beschreibst, gibt es scheinbar eine ganze Menge denen es schlechter geht.
Danke für deinen Kommentar und weiterhin alles Gute!
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