Ich bin mit elfeinhalb an Magersucht erkrankt. Jetzt bin ich 22 und habe Binge Eating. Das heißt ich lebe schon seit über 10 Jahren mit Essstörung.
Aufgeschrieben klingt das echt furchtbar! Es ist mein halbes Leben, das ich mittlerweile mit dieser abscheulichen Krankheit verbringe. Als ich mich das erste Mal mit dem Thema Essstörung beschäftigt habe und im Internet Berichte fand, dass Menschen schon ihr ganzes Leben damit zu kämpfen hätten, konnte und wollte ich das nicht glauben. Bei mir wird das bestimmt nicht so! Dachte ich zumindest…
Viele sagen, ihre Essstörung hätte ihnen ihre Jugend gestohlen und sie hätten Jahre ihres Lebens verschwendet. Als Verschwendung sehe ich es nicht, jedoch habe ich durch meine Essstörung (und alle anderen psychischen Macken) viel in meiner Teenagerzeit nicht gemacht, was viele anderen machen. Angefangen damit, dass ich kaum vor anderen essen wollte und damit schon mal eine Menge soziale Ereignisse wegfallen, über das Verstecken meines Körpers durch weite Kleidung bis hin zu dem Grauen mich und meinem Körper im Sportunterricht zu bewegen. Ich weiß noch, dass ich sogar im Gymnasium einmal an einer Klassenfahrt betitelt als „Sportwoche“ nicht mitgefahren bin aus Angst mich dort in Schwimmbekleidung zeigen zu müssen (was auch der Fall gewesen wäre). Das war der EINZIGE Grund, warum ich nicht mitgefahren bin! Und das war in meiner „inaktiven“ Magersuchtszeit!
Man kann nämlich meine Essstörungsphasen von 11 bis 22 Jahren so einteilen:
- 11-12: Magersucht mit stationärem Klinikaufenthalt und depressiver Symptomatik
- 12-17: „Inaktive“ Essstörungen. Das heißt im Verhalten Symptomfrei, im Kopf sehr wohl essgestört.
- 17-19: Starke Magersucht mit ambulanten Therapien und stationärem Aufenthalt.
- 19-22: Binge Eating mit depressiver Symptomatik und zunehmenden sozialen Ängsten.
Das ist die Kurzfassung. Wer mehr lesen möchte: hier ein paar mehr Artikel zu meiner Geschichte.
Und jetzt stehe ich hier und kann sagen, dass es mir besser geht. Ich habe immer noch Binge Eating, hadere mit meinem Körper und meinem Spiegelbild, reagiere extrem empfindlich auf Kommentare von anderen, habe Angst vor Bewertungen und kämpfe gegen Sinnlosigkeit.
Aber ich habe gelernt damit umzugehen. Zumindest an den meisten Tagen weiß ich, dass es nie nie nie eine Option ist aufzugeben! Ich kämpfe mich durch und dieser Blog ist dabei eine große Stütze für mich.
Ich weiß auch, dass ich nie 100% frei sein werde von meiner Essstörung. Meine Therapeutin meinte, dass die Essstörung für mich über die Jahre mein einziger Freund war, der sich gehalten hat. Es ist ein sehr schädlicher Freund, aber ich brauche ihn. Es fällt mir schwer mir das einzugestehen und macht mich sehr traurig. Ob ich jemals fähig bin meinen „Freund“ gehen zu lassen? Ich weiß es nicht. Ich kämpfe gerade sehr mit mir, weil ich weiß, dass ich meine Essstörung loslassen oder zumindest den Platz frei machen muss, damit er belegt werden kann von echten Freunden, die mir nicht schaden.
Es ist eine Leidensgeschichte für die ich kein Mitleid will. Es ist eine Geschichte, die ich niemandem auf dieser Erde wünsche!
► Mein YouTube Kanal: JULIA LEBENSWELT

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